Einführung  
Alles Boden oder was?

Kinder finden ihn herrlich, v.a. als Matsch, Erwachsene treten ihn hingegen meistens mit Füßen und wenn er dann an den Schuhen klebt wird er bloß noch als Dreck bezeichnet: Die Rede ist vom Boden. Er ist allgegenwärtig und doch nimmt der Mensch ihn meistens nicht bewusst wahr. Er empfindet den Boden als eine Selbstverständlichkeit in seinem Leben, als einen vertrauten Bestandteil der Umwelt, für den man nichts tun muss, der einfach da ist, ohne große Pflege. Die Bodencharta des Europarates zählte im Jahr 1972 den Boden zu den kostbarsten Gütern der Menschheit, die es zu schützen gilt. Und dies mit Recht, denn der Boden stellt neben dem Wasser und der Luft die wichtigste Lebensgrundlage des Menschen dar. Eigentlich ist er sogar noch wichtiger als Wasser und Luft, denn unser Trinkwasser wird im Boden gereinigt und aufbewahrt und Pflanzen, die uns den Sauerstoff liefern, wachsen auf dem Boden. Aber wenn Menschen über die direkte Nutzbarkeit des Boden reden, dann kommen oft ganz andere Funktionen zur Sprache: der Boden als Baugrund, Deponierungsbasis, Lagerstätte, land- und forstwirtschaftlichem Standort, Basis für Freizeit und Erholung (vgl. Tab 2). Der Boden ist aber für das Funktionieren des gesamten Ökosystems wichtig. Zwar wurde mit dem Bundesbodenschutzgesetz im Jahr 1998 ein rechtlicher Rahmen für den Bodenschutz geschaffen, dennoch wird bodenkundlichen Sachverhalten im Vergleich zu den Elementen Luft und Wasser, noch zu wenig Bedeutung geschenkt. Denn obwohl der Boden so wichtig ist und auf alle anderen Ökofaktoren einwirkt, werden Böden heute von allen Seiten bedrängt, verbaut, zubetoniert, vergiftet, überdüngt und verdichtet. Lange Jahre hat dies vermeintlich keine Spuren hinterlassen, doch lässt sich der Boden - im Gegensatz zu Luft oder Wasser - nicht reinigen: Vergifteter Boden bleibt vergiftet, verlorener Boden bleibt verloren! Um dies zu verstehen müssen wir uns vielleicht erst mal die Frage stellen: Was ist überhaupt ein Boden?

Was ist Boden?

Zunächst müssen wir wissen, dass Boden nicht einfach da ist, sondern dass er über viele Jahrhunderte entstanden und immer noch in Veränderung und Weiterentwicklung begriffen ist. Boden entsteht dort, wo Gestein verwittert und sich Pflanzen ansiedeln, die allmählich eine Humusschicht bilden. Die Pflanzen tragen dann ihrerseits z.B. durch Vewurzelungsaktivitäten oder ausgeschiedene Säuren zur weiteren Verwitterung des Gesteins bei und je weiter das Gestein verwittert und je mehr Humus sich bildet desto mehr und höhere Pflanzen können sich dort ansiedeln.

Allmählich haben wir dann eine Verwitterungsschicht, die aus mineralischen und organischen Substanzen besteht, mit Luft, Wasser und Lebewesen durchsetzt ist und eine gewisse Struktur aufweist. Diesen allmählich gewachsenen Teil der Erdoberfläche nennen wir Boden. Er stellt also im wesentlichen das Ergebnis von Umwandlungsprozessen dar. Wie diese Umwandlungsprozesse sich vollziehen hängt wiederum davon ab, wie das Ausgangsgestein beschaffen ist aber auch von der Beschaffenheit sämtlicher anderer Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen, also z.B. dem Klima oder der Vegetation. Wir können uns schon leicht vorstellen, dass auf einem Kalkgestein ein anderer Boden entsteht als auf einem vulkanischen Gestein, und dass in Gebieten mit viel Regen oder hohen Grundwasserständen andere Böden gedeihen als in trockenen Gebieten. Man kann die Unterschiede an einem offengelegten Boden sehr gut erkennen: der senkrechte Aufbau des Bodens im Anschnitt - der Bodenkundler nennt dies Profil - zeigt eine Abfolge verschiedener Horizonte. Die jeweilige Horizontabfolge trägt dem Entwicklungsstadium des Bodens Rechnung und eignet sich deshalb zur Kennzeichnung von Böden und zur Unterscheidung verschiedener Bodentypen. Zwei Bodentypen wollen wir hier zum Vergleich einmal kennen lernen:

Braunerde (Ah-Bv-C-Boden)


Die Braunerden gehören zu den typischen Böden der Mittelbreiten und sind durch eine große Variationsbreite des Ausgangsgesteins gekennzeichnet. Aus diesem Grund erstrecken sie sich nur selten über große zusammenhängende Areale. Wie alle mitteleuropäischen Böden sind auch die Braunerden junge, nacheiszeitliche Bildungen. Sie haben sich oftmals aus Rankern oder Rendzinen entwickelt. Ihre Profiltiefe beträgt bis zu 1,5 m.
Charakteristische bodenbildende Prozesse sind die Verbraunung durch Freisetzen von Eisen mit anschließender Bildung von Fe-Oxiden und Fe-Hybriden sowie die Tonmineralneubildung. Beide Prozesse laufen auch im Ah-Horizont ab, werden dort jedoch durch die dunkle Farbe des Humus überdeckt. Der typische braune, verlehmte Bv-Horizont besitzt durch noch nicht zersetzte Gesteinsbrocken Nährstoffreserven und geht ohne scharfe Grenze in den C-Horizont über.
Braunerden über Basalt oder Geschiebelehm sind nährstoff- und humusreich, schwach sauer bis neutral, gut durchlüftet und durchfeuchtet und haben ein hohes Produktionspotenzial. Über Granit oder Sand bilden sich hingegen saure und basenarme, grobkörnige, modrige, mit günstigerem Wasserhaushalt versehene Formen, die aber durch Düngung verbesserbar sind. (Text zitiert aus: http://www.uni-muenster.de/Hypersoil/01/p/137_p.htm).

 

 

Braunerde-Profil (Foto: Prof. Dr. Klaus Mueller)

Podsol (Ah-Ae-Bs-C)


Der auch "Bleicherde" genannte Podsol (russisch: aschefarbiger Boden) ist typisch für die humide kühlgemäßigte Zone. Hohe Niederschläge, Rohhumus bildende Vegetation (etwa Nadelwald, Heidekrautgewächse), durchlässiges, saures Gestein sind günstige Voraussetzungen für seine Bildung auch im warmgemäßigten Klima. Auf Grund des fast fehlenden Bodenlebens bildet sich aus der an sich schon schwer abbaubaren Streu eine dicke Rohhumusschicht, die dem Mineralboden weitgehend unvermischt aufliegt.
Ihre Zersetzung erfolgt im sauren Milieu überwiegend chemisch und führt zu wasserlöslichen, niedermolekularen Huminsäuren, die die Silikatverwitterung verstärken. Mit dem Sickerwasser werden rasch alle Nährstoffe, Fe-, Al- und Mn-Verbindungen sowie die wenigen gebildeten Tonminerale, bis in den Unterboden hinunter geschwemmt. Im ausgewaschenen Oberboden bleibt fast nur der helle, schwer mobilisierbare Quarz zurück (Bleichhorizont: Ae). Im Unterboden reichern sich die ausgewaschenen Stoffe an und bilden die sog. Orterde. Bei weiter fortschreitender Einwaschung von Fe-, Mn-Verbindungen und Humusstoffen kommt es mehr und mehr zur Verkittung der Poren und hierdurch schließlich zur Bildung einer harten, nahezu wasserundurchlässigen, kaum durchwurzelbaren, rostbraun-schwarzen Ortseinschicht.
Kalkdüngung, intensive Humuspflege, Aufbrechen des Ortsteins und eventuelle Bewässerung machen aber auch diesen Boden ackerbaulich nutzbar. (Text zitiert aus: http://www.uni-muenster.de/Hypersoil/01/p/137_p.htm)


Podsol-Profil (Foto: Prof. Dr. Klaus Mueller)


Fassen wir das Ganze noch einmal in der Sprache des Bodenkundlers zusammen: Boden ist auf unserer festen Erdrinde die oberste Auflage, auf der Pflanzen wachsen können. Auf dem Festland bedeckt der Boden den überwiegenden Teil der Erdoberfläche und Er ist die "an der Oberfläche entstandene, Verwitterungsschicht aus, welche sich unter Einwirkung aller Umweltfaktoren gebildet hat, die als Bodenbildungsfaktoren (...) bodenbezogen definiert werden ..." (LESER 1997, S. 12). Als bodenbildende Faktoren lassen sich Klima, Relief, Gestein, Vegetation, Tierwelt, Mensch und Zeit festhalten. Der Boden setzt sich demnach aus fester organischer und anorganischer Substanz, Bodenorganismen, Bodenwasser und Bodenluft zusammen. Er bedeckt den größten Teil der Landfläche auf der Erde und ist häufig unmittelbar landschaftsprägend (vgl. WILD 1995). Er bildet den obersten, belebten, durch Humus- und Gefügebildung, Verwitterung und Mineralbildung sowie Verlagerung von Zersetzungs- und Verwitterungsprodukten umgestalteten Teil der Erdkruste. Der britische Bodenkundler Jonathan Anderson bezeichnet den Boden als komplexestes Ökosystem, das die Wissenschaft kennt - "vielfältiger als der tropische Regenwald, produktiver als ein Korallenriff" (zit. nach WILD 1995).

Merke:
Boden ist die äußerste Schicht der Erdkruste, die durch Lebewesen geprägt ist. Im Boden findet ein reger Austausch von Stoffen und Energie zwischen Luft, Wasser und Gestein statt. Als Teil des Ökosystems nimmt der Boden eine Schlüsselstellung in lokalen und globalen Stoffkreisläufen ein.

Der Boden reicht so tief, wie Lebewesen, bzw. Anzeichen von Verwitterung feststellbar sind, oder wie er durch Pflanzenwurzeln erschlossen werden kann. Den oft sehr unterschiedlichen Standortverhältnissen entsprechen auch ähnlich viele verschiedene Böden.
Im Verlauf der Zeit bilden sich im Boden horizontale Schichten, die Horizonte, mit unterschiedlichen Eigenschaften und meist auch charakteristischen Farbtönen aus:

  • der Oberboden als meist dunkel gefärbter, intensiv belebter, stark durchwurzelter, mit Humus angereicherter, lockerer und krümeliger Horizont
  • der oft helle, eher weniger stark verwitterte, weniger belebte und schwächer durchwurzelte Horizont des Unterbodens
  • der Horizont des Unterbodens aus kaum oder nicht verwittertem Ausgangsgestein


Ein Boden entsteht

In Mitteleuropa haben sich durch eine ganz unterschiedliche Ausprägung der bodenbildenden Faktoren zahlreiche ganz verschiedene Böden ausbilden können. Zu diesen Prozessen der Bodenbildung gehören:
o Die Besiedelung durch Pflanzen und Tiere sowie durch Mikroorganismen. Hierdurch wird das Material zersetzt bzw. um- und aufbereitet.
o Physikalische, chemische und biologische Umwandlungen von Ausgangsgestein und organischer Substanz. So führt die Aufbereitung, die Materialverlagerung, die Mineralumwandlung oder die Humusbildung zur Bildung eines Bodens.

Die überwiegende Zahl der Böden in Mitteleuropa haben sich nach der letzten Eiszeit - vor etwa 10.000 Jahren - entwickelt. Die ältesten Kulturböden Deutschlands, die also deutliche Merkmale menschlicher Nutzung aufweisen, sind bereits 1.000 Jahre alt. Entsprechend lang ist die Zeit, die notwendig ist, um Bodenverluste oder Bodenzerstörung auszugleichen. Eingriffe des Menschen in den Landschaftshaushalt (z.B. durch Landbewirtschaftung und Stoffeinträge) können diese Prozesse beschleunigen oder verlangsamen. Die Bildung eines 30 Zentimeter tiefen Bodens dauert in unseren Breiten zwischen 1.000 und 10.000 Jahre.

Die Mächtigkeit der Böden kann ganz unterschiedlich sein und von wenigen Zentimetern bis hin zu vielen Metern reichen. So unterscheidet man flach- und tiefgründige Böden voneinander. Wie mächtig ein Boden wird, hängt ebenso vom Zusammenspiel der bodenbildenden Faktoren ab. Die Vielfältigkeit der Böden in Mitteleuropa ist vor allem geprägt durch das unterschiedliche Ausgangsmaterial, die Zeitdauer der Bodenbildung, durch den Wechsel des Klimas, des Grundwassers und den Einfluss der Bodenerosion.

Merke:
Boden besteht aus festen Bestandteilen, aus Wasser und aus Luft. Er entsteht durch sehr langsam ablaufende Prozesse. Unter dem Einfluss des Klimas und der Lebewesen verwittert das Gestein; die mineralischen Teile werden so verändert, mit organischen Stoffen angereichert und neu zusammengestellt. Durch das Bodenleben (also Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen) wandelt sich dieses Gemisch in ein Gefüge aus Krümeln und durchgehend verbundene Hohlräume um. Steine, Sand, Schluff, Ton und Humus bilden das Gerüst des Bodens.

Spiel mit doppeltem Boden?

Der Boden stellt eine wichtige Grenzschicht und eine bedeutenden Bestandteil im globalen Ökosystem dar. Der Mensch jedoch verhält sich, als hätte unser Planet einen doppelten Boden - das, obwohl der Boden nicht vermehrbar ist und eine lebensnotwendige Ressource darstellt. Nur etwa ein Zehntel der Erdoberfläche lässt sich landwirtschaftlich wirklich nutzen - davon ist die Hälfte heute bereits agrarisch bebaut. Diese knapp 15 Millionen Quadratkilometer entsprechen etwa der Gesamtfläche von Afrika und Europa - bis hin zum Ural. Die OECD gibt an, dass durch die Ausdehnung von Städten jährlich 5.000 Quadratkilometer Land verloren gehen; das entspricht täglich etwa der Fläche von 50 Großbauernhöfen. Doch nicht nur der Mensch braucht den Boden:

Das eigentliche Wunder des Bodens scheint seine Lebewelt zu sein: wer eine Hand voll Boden in der Hand hält, trägt mehr Lebewesen zwischen den Fingern als es Menschen auf der Erde gibt. In der obersten Schicht eines Quadratmeters Boden leben ungefähr 200 Regenwürmer, 1.000 000 000 Pilze und 60.000 000 000 Bakterien. Das entspricht für jede einzelne Gruppe einem Gewicht von 100 Gramm. Zu diesen kommen noch 60 Gramm verschiedene andere Kleinlebewesen, wie Springschwänze, Milben und Tausendfüssler. So wiegen die Tiere und Pflanzen, die in einem Hektar Boden leben zusammen so viel wie 50 Pferde.

Der Bodenschutz ist zwar ein junger Bereich des Umweltschutzes, stellt jedoch eine Daueraufgabe mit langfristigem Ziel dar. So muss der Bodenschutz - wie z.B. der Schutz des Wassers und der Schutz der Luft - als Auftrag der Gesellschaft angesehen werden.

Literatur
BLUME, H. - P. (1992): Handbuch des Bodenschutzes - Bodenökologie und -belastung. Vorbeugende und abwehrende Schutzmaßnahmen.- ecomed-Verlag, Landsberg
BMU - BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (Hrsg.) (1999): Erfahrungen mit der Regulation des Bodenschutzes in der Europäischen Union.- In: Umwelt 7/8, S. 345 - 348
FELIX-HENNINGSEN, P. (1999): Bodenschutz.- In: Handbuch der Bodenkunde, Kapitel7, Lfg. 12/1999
LESER, H. (1998): Wörterbuch Allgemeinen Geographie.- dtv- Dierke
MERKEL, A. (1998): Umweltmedium Boden bundesrechtlich geschützt.- In: Umwelt 4, S. 145 - 146
SAUERBORN, P. (2000): Der Boden in der Umweltbildung. Bedeutung, Probleme, Perspektiven.- In: DGU-Nachrichten 21, S. 44 - 49
SAUERBORN, P. (2002): Der Boden zwischen Wandel und Veränderung. Beispiele und Perspektiven.- In: ERDMANN, K.-H. & SCHELL, C. (Hrsg.): Natur zwischen Wandel und Veränderung. Ursache, Wirkung, Konsequenzen, S. 5 - 22, Springer Verlag
WILD, A. (1995): Umweltorientierte Bodenkunde: eine Einführung.- Spektrum Akad. Verlag, Heidelberg/Berlin/Oxford, 328 S.