Neue Lernsettings in Kultureinrichtungen

Expertise im Rahmen des DIE-Projekts "Entwicklung und Förderung innovativer weiterbildender Lernarrangements in Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen" (EFIL)

Heidi Behrens, Paul Ciupke, Norbert Reichling
(Bildungswerk der Humanistischen Union -
wissenschaftlich-pädagogische Arbeitsstelle, Essen)

September 2000

Inhaltsübersicht

Zusammenfassung 3

I. Problemüberblick 5

  • Erwachsenenbildung, Kultur und neue Fragen an offene Lernsettings 5
  • Neuere Entwicklungen in Kulturinstitutionen 11
  • Museumspädagogische Debatten 20

II. Zur Empirie exemplarischer Institutionen, Projekte und Lernformen 27

  • Kunstmuseen und -ausstellungen:
    Museum Ostwall/Dortmund - Felix Nussbaum-Haus/Osnabrück -
    Skulpturen-Projekte/Münster - ZKM Karlsruhe 28
  • Geschichtsmuseen, Gedenkstätten, Geschichtsprojekte:
    Haus der Geschichte der Bundesrepublik/Bonn - Lebendiges Museum
    Online (LeMO) - Topographie des Terrors/Berlin - Villa ten Hompel/
    Münster - S. Sigurdssons "offene Archive" 34
  • Weitere Themenmuseen:
    Aquarius-Wassermuseum/Mülheim - Deutsche Arbeitsschutz-Ausstellung/
    Dortmund - Heinz Nixdorf-MuseumsForum/Paderborn - Virtuelle
    Synagogen-Ausstellung - Buddenbrook-Haus/Lübeck - Neanderthal-Museum/Mettmann 45
  • Literatur- und Theaterprojekte:
    Theaterreisen - blind dates - Wege durch das Land - TheaterZeitReisen 58
  • Arbeits- und Angebotsformen:
    HCO-Internetprojekt "Zwangsarbeit" - Offene Denkmale und andere
    "Orte"-Konzepte - Route der Industriekultur - Geschichtspfade
    und "sprechende Straßen"- Erzählcafés - Lange Abende und
    Museumsnächte - Gesellungen 65

III. Neue Lernchancen und ihre Voraussetzungen 80

  • Angebote, Formen, Netze 80
  • Alte und neue Lernorte 84
  • Ressourcen und Medien 87
  • Lernarrangements: Wirkungen und -Probleme: 92
  • Die Kultureinrichtungen und ihr Publikum 97
  • Thesen 105

Anhang: 108

  • Internetadressen 108
  • Materialien zu ausgewählten Projekten 109

 

Neue Lernsettings in Kultureinrichtungen

Zusammenfassung

Kulturinstitutionen werden sich mehr denn je ihres Vermittlungsauftrages bewusst. Dies dokumentiert sich in vielfältigen Initiativen und Angebotserweiterungen, die am Beispiel von Kunst-, Geschichts- und Themenmuseen, Archiven, Gedenkstätten, Theater- und Literaturprojekten sowie neuen Angebotsformen und Vernetzungsprojekten aufgezeigt und gewürdigt werden.

Dabei lassen sich in den Veranstaltungs- und Lernarrangements verschiedene Entwicklungstendenzen identifizieren, die im Einzelnen größere Schnittmengen mit den Trends in der Erwachsenenbildungspraxis aufweisen. Veranstaltungsformen werden zielgruppenspezifischer, dialogischer und handlungsorientierter. Kulturinstitutionen verfolgen räumliche Öffnungsstrategien und experimentieren immer häufiger mit Orten und Ortswechseln. Durch den Einsatz interaktiver Medien werden die traditionellen Inhaltsangebote nicht nur in der kognitiven Dimension erweitert, sondern auch neu kontextuiert. Es ist ein Perspektivenwechsel von den Inhalten zu den BesucherInnen und TeilnehmerInnen erfolgt; diese werden durch Erlebnisangebote und sinnlich-praktische Lernarrangements umworben, ihnen werden verstärkt Möglichkeiten einer schweifenden und selbstgesteuerten Aneignung geboten. Selbstgesteuerte Aneignungsprozesse bleiben auch im Kulturbereich auf Kommunikation und Aushandlung angewiesen

Mit der Ökonomisierung der Kulturarbeit, in der vor allem das Standortimage, die Wirtschaftsförderung und die Menge der Besucher zählen, droht allerdings auch, dass neue Kulturarrangements und Lernsettings sich reduzieren auf Beiträge zu bloßem Eventmarketing und zu einer Dienstleistungsorientierung ohne künstlerische und pädagogische Professionalität.

 

I. Problemüberblick

Wer neue Lernarrangements in Kulturinstitutionen beurteilen will, muss auch Aufträge und Praxis rückwirkend und vergleichend betrachten und fragen, welche wichtigen institutionellen Ausdifferenzierungen und Verschiebungen in Arbeitsfeldern und professionellen Selbstverständnissen zu beobachten sind. Wir versuchen diese in der gebotenen Kürze zusammenzufassen - mit der Maßgabe, dass der Blick von außen und oben notwendig Vereinfachungen mit sich bringt. Zunächst aber sei ein Blick auf neuere Fragestellungen und Kategorien der Erwachsenenbildungswissenschaft geworfen, die informelles und beiläufiges Lernen heute stärker beachten.

Erwachsenenbildung, Kultur und neue Fragen an offene Lernsettings

Der Bildungsbegriff der Erwachsenenbildung und der Bildungsbegriff, wie er im kulturellen Feld benutzt wird, sind nicht identisch, und gegenseitige Wertschätzung ist auch nicht unbedingt üblich. Die Pädagogik zum Beispiel wurde lange Zeit in vielen kulturellen Einrichtungen gering geschätzt und ihr allenfalls eine dienende Funktion zugesprochen, was man lange an museumspädagogischen Diensten ablesen konnte. Und man stößt bei den Professionellen im Bereich der Kultur mitunter auf eine Karikatur von Bildung und Pädagogik, die durch die Assoziation von Zwang und Zeigefinger geprägt ist.

Kunst und Kultur nehmen selbstverständlich für sich in Anspruch, etwas vermitteln zu wollen, eine Botschaft zu haben, ihre Protagonisten meinen aber oft, dies nur durch die jeweiligen Gegenstände allein zu tun. Das Auratische und Authentische der Kunst beispielsweise spreche für sich selbst und aus sich selbst. Wer allerdings die aufwendigen Inszenierungsbemühungen und Kontextuierungen in Museen und Theatern heute genauer betrachtet, sieht, dass mit vielerlei und nicht nur mit genuin ästhetischen Mitteln gearbeitet wird, um das Publikum zu begeistern, zu überzeugen und Anliegen zu erläutern.

Sicher haben Kunst und Kultur eine andere Aneignungslogik als eine Erwachsenenbildung, die im Kern als organisiertes und intentionales Lernen in spezialisierten Institutionen und damit eben funktional ausdifferenziert betrieben wird. Kulturelle Bildung könnte man vergleichsweise als subjektiver, als fluider, spielerischer, sinnenreicher und weicher beschreiben, ein ästhetisches Urteil hat immer eine persönliche Note. Kunst verbindet sich mit Genuss, ihre Aneignung soll die Wahrnehmung erweitern, aber auch Spaß machen. Hier steht nicht die Notwendigkeit des instrumentell verwendbaren Wissens im Vordergrund, sondern die Suche des Individuums nach sich selbst, nach einem Ausdruck und einem Sinn.

Aber auch Bildung wird beschrieben als "Arbeit an sich selbst". Bildung bedeutet (unter anderem) die Kultivierung des Selbst, das Heraustreten aus einer Masse, und Bildung ist somit - soziologisch betrachtet - immer auch die Aneignung des herrschenden Kulturideals. Die von Einzelnen oder Gruppen geübte kulturelle Praxis zeigt gleichzeitig den angestrebten oder eingenommenen sozialen Ort in der Gesellschaft an.

Die Schnittmengen von Bildung und Kultur sind nicht unbeträchtlich und es handelt sich zweifelsohne um einen gegenseitig befruchtenden Anregungskontext. Ein kurzer Blick in die Geschichte der Erwachsenenbildung zeigt, dass wir es mit einem gemeinsamen Ursprungszusammenhang zu tun haben. In der Romantik waren die Theaterleidenschaft und die Lesebegierden treibendes Bildungsmoment, die Volkshochschulen in der Weimarer Zeit organisierten selbstverständlich Ausstellungen und Theaterwochen. Dass das Bibliothekswesen und die Volksbildung in jener Zeit als zusammengehörig betrachtet wurden, indizieren nicht nur die vielfältigen gemeinsamen Diskussionszusammenhänge in den Fachöffentlichkeiten (z.B. der Hohenrodter Bund in der Weimarer Republik oder gemeinsame Zeitschriften noch in der Bundesrepublik), sondern auch die Trägerstrukturen: So besaßen die Vereine, die die Volkshochschule trugen, oft weitere Abteilungen für das Büchereiwesen, für das Kino und Lichtbilder, für das Theater und Laienspiel, für den Musikunterricht und die bildende Kunst . Noch in den 50er Jahren suchte man die expandierenden neuen Massenmedien wie Rundfunk und Fernsehen erwachsenenbildnerisch zu bändigen, und noch der heutige Adolf Grimme-Preis zeugt von den Bemühungen um Qualitätsmaßstäbe, die sich nicht allein am Medium orientieren.

Die in der Gegenwart von den damaligen kultur- und bildungsphilosophischen Überschwängen befreite und sachlich-nüchtern betriebene Erwachsenenbildung ist vergleichsweise deutlich auskonturiert, und es soll nicht dem Rückfall in eine problematische Form der "Pädagogisierung" der Kultur Vorschub geleistet werden, wenn hier erneut nach den Gemeinsamkeiten, Überlappungen und den gegenseitig anzubietenden Lernmöglichkeiten gefahndet wird. Dafür gibt es verschiedenste Anlässe.

Auf der methodischen Ebene etwa hat die Erwachsenenbildung schon seit langem bei den kulturellen Ausdrucksformen Anlehnung und Inspiration gesucht: Theaterspiel findet seinen Einsatz sowohl im Sprachenlernen wie in der politischen Bildung, Zeichnen und Malen sind Mittel der persönlichen Mitteilung in Seminarsituationen, Musik lockert Stimmungen.

Und in jüngeren empirischen Untersuchungen zu Teilnahmeverhalten und sozialer Herkunft sind Lebensstile, kulturelle Alltagspraktiken und ästhetische Gewohnheiten bevorzugte Untersuchungsdimensionen, weil sie unter anderem auch inhaltliche und methodische Präferenzen in der Veranstaltungsorganisation und Erwartungen an die äußere Seminarumgebung anzeigen.

Schließlich wird aber in den andragogischen Fachdiskursen eben nicht nur das schon genannte Spezialisierungsmoment in der Erwachsenenbildung beschrieben, sondern zugleich - als seine Kehrseite - seit geraumer Zeit die Beobachtung der Entgrenzung des Pädagogischen in die Gesellschaft hinein . Das Entgrenzungstheorem kennt viele Dimensionen der Ausdehnung und reagiert im Grunde auf die Tatsache, dass Lernen und Wissen in der individualisierten und globalisierten Konkurrenzgesellschaft einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen. Vor diesem Hintergrund entstanden Diskussionen und Trendbeobachtungen, die neben den traditionellen Formen der Erwachsenenbildung neue Lernkulturen, informelles und selbstgesteuertes Lernen, Lernen mit Multimedia, das "Erlebnis Erwachsenenbildung" als neue Arrangements oder noch nicht genügend ausgelotete Impulse eines lebensbegleitenden und stärker selbstbestimmten Lernens identifizieren. Als theoretische Referenz dient vor allem der Konstruktivismus, der seit einiger Zeit als eine angemessene lernpsychologische Erklärungsgrundlage für die Aneignungstätigkeit Erwachsener betrachtet wird. Der Konstruktivismus ist allerdings nur der letzte Wellenkamm einer grundsätzlich langen Entwicklungswelle in der Erwachsenenbildung, in deren Verlauf das selbsttätige Individuum immer mehr in das Zentrum des Interesses bildungstheoretischer Betrachtungen gewandert ist.

Da einige der Stichworte oben im Verlauf dieser Studie beobachtungsstrukturierende Relevanz besitzen, somit immer wieder auf sie Bezug genommen wird, sollen sie hier knapp und damit radikal vereinfacht dargestellt und erläutert werden. Es handelt sich dabei um Kategorien unterschiedlicher Reichweite und Provenienz, die auch nicht immer neu sind, sondern zum Teil in der Vergangenheit unter anderen Signaturen gewürdigt wurden. Sie spiegeln aber Öffnungen, Adaptionen und Reflexionen eines sich letztlich unabgeschlossen definierenden Selbstverständnis in der Erwachsenenbildung.

Lernen mit Multimedia: Die informationstechnologische Revolution der letzten 20 Jahre ist nicht nur Inhalt neuer Angebote und wichtiger Kompetenzen, sondern hat bereits nachhaltig die Praxis des Lernens verändert und zeitigt noch weitere Erwartungen pädagogischer Innovationstätigkeiten. Neue Datenträger und Lernsoftware, das Internet, Telelernen, multimediale Lernumwelten, virtuelle Seminare krempeln langsam aber sicher das altbekannte Bild organisierten Gruppenlernens in Klassenräumen um. Die Erwartungen sind weit gespannt und manchmal auch umstritten: von der Unterstützung des Lernens mit medialen und informationstechnologischen Mitteln und einer Rahmung durch Computer und Medien bis hin zur völligen Neukonfigurierung des Lernens im Gefolge eines neuen technologischen Lernfundaments.

Selbstgesteuertes Lernen: Gerade die Mediatisierung und Computerisierung des Lernens aktiviert ein eigentlich schon älteres Konzept für die Grundlagendiskussion: das selbstbestimmte, selbstorganisierte oder selbstgesteuerte Lernen . Was zunächst wie ein Pleonasmus - Lernen ist irgendwie immer selbstgesteuert - und wie eine Selbstverständlichkeit - Lernen ohne Selbstbestimmung ist keines - klingt, hat auch im Kontext der Diagnose der Wissensgesellschaft und einer auf Dauer gestellten Lernnotwendigkeit eine Aktualisierung erfahren und wird - je nach Verständnis und Akzentuierung - mit der Erwartung einer Erweiterung der (organisierten) Lernmöglichkeiten und einer Rationalisierung des Lernens einerseits und eines Selbstständigkeits- und Subjektivierungsschubs andererseits verbunden. Die Lernberatung erfährt in diesem Zusammenhang eine neue Wertschätzung. Der Diskurs um das selbstgesteuerte Lernen steht in engem sachlichen Zusammenhang mit der Untersuchung von Lernbiographien und der damit verbundenen Praxis biographischen Lernens.

Biographische Orientierung und Biographizität: Lernen ist natürlich immer ein Prozess, der biographische Spuren hinterlässt. Dennoch hat die Anerkennung der Bedeutung von Biographien für die Organisation von Bildungsangeboten in den letzten Jahren nachhaltig zugenommen. Angebote müssen an den Erwachsenenstatus, die individuelle Erwachsenensozialisation bzw. vorherige Lernerfahrungen anschlussfähig sein, Teilnehmende müssen ihre Biographie kennen und organisieren. Lebensgeschichten und Generationserfahrungen werden somit in vielfältiger Hinsicht zum Anknüpfungspunkt für didaktische Arrangements.

Neue Lernkulturen: Die Auflösung von hergebrachten Lernroutinen und die Öffnungen des Lernens hinein in neue Räume, neue Erlebnis- und Interaktionsformen bis hin zu aktivierenden und investigativen Formen des Lernens - das alles kann unter dem Begriff der neuen Lernkultur gefasst werden. Didaktisches Handeln will anbieten, auffordern, ermöglichen, veranschaulichen, Lernerlebnisse vermitteln, vernetzen und bietet dazu eine kreative und phantasievolle Lernumwelt, findet neue oder überträgt aus anderen und vor allem aus kulturellen Feldern bekannte Arrangements und setzt auf diese Weise selbstbestimmte Lernkräfte bei den Teilnehmenden frei.

Edutainment/Erlebnisorientierung: Die Vorstellung, dass Lernen Spaß machen soll, wurde schon in der Reformpädagogik gepflegt. Unter dem Eindruck der Auflösung traditioneller sozialer Milieus und der neuen Bedeutung von Lebensstilen und Erlebnisgemeinschaften wurde zu Beginn der 90er Jahre die Tragweite von subjektiver Wahl und Erlebnisroutinen auch für die Werbung und Durchführung von Erwachsenenbildungsveranstaltungen erkannt. Dabei kamen Anregungen besonders aus der medialen Unterhaltungskultur, der Freizeit und der Animation zum Tragen. Die Verbindung von Bildung und Unterhaltung fand ihre semantische Lösung beispielsweise im Begriff Edutainment .

Lebensbreite Bildung, Lernen "en passant", informelles Lernen: Die im Zuge der Professionalisierung und beruflichen Funktionalisierung der Weiterbildung ausgeblendeten und vernachlässigten Dimensionen der Erwachsenenbildung sollen - in Ergänzung zum lebenslangen Lernen - mit dem Begriff der "lebensbreiten Bildung" wieder in das handlungsrelevante Feld zurückgeholt werden. Das Lernen "en passant" vollzieht sich außerhalb des Bereiches intentionaler und organisierter Bildung, zum Beispiel auf Reisen oder in öffentlichen Räumen, seine Beachtung und Betrachtung eröffnen neue interessante methodische Handlungsspielräume und ermöglichen sich wechselseitig ergänzende Lernstrategien.

Konstruktivismus: Der Konstruktivismus hat sich vor allem aus neueren neurobiologischen Erkenntnissen und systemtheoretischen Diskussionen entwickelt. Für die Erwachsenenbildung ist dabei die These relevant, dass das Subjekt die Wirklichkeit nicht einfach abbildet, sondern erzeugt . Mit der pädagogischen Rezeption des Konstruktivismus kommt es zu einer Radikalisierung bisheriger subjekttheoretischer Grundannahmen des Lernens und Wissens. Der Anschluss an die soziale Wirklichkeit geschieht vor allem unter dem Gesichtspunkt der Viabilität; damit wird eine gewisse Pragmatik des Alltags, eine subjektive Passung, eine flüchtige Funktionalität umschrieben, um den prinzipiellen Wahrheitsbegriff unterlaufen zu können, Lernen aber trotzdem plausibel zu machen.

Ermöglichung: Die von konstruktivistischen und anderen Ansätzen gestützte Annahme, dass Lernen im wesentlichen ein aneignender, mit vorgängigen Deutungsmustern verknüpfter Akt von Subjekten ist, lenkt die professionellen Selbstbeschreibungen der Erwachsenenbildung hin zur Funktion der Lernbegleitung und "Ermöglichung": Professionelle sind damit stärker als bislang vermutet für ein das Lernen stützendes Gesamtsetting verantwortlich, in dem sie für systematischen "Lernstoff", Motivations- und Reflexionshilfen, Spielregeln und Beratungsangebote sorgen und mit diesen Strukturierungshilfen individuellen LernerInnen und Gruppen unterschiedliche Optionen und Lernwege eröffnen. Dies beinhaltet neben der klassischen Funktion von "Mäeutik", also der Wissenshervorbringung als Nachvollzug gegebener Sachverhalte und Wissensbestände, auch eine radikalisierte Teilnehmerorientierung und eine Öffnung des Ergebnisses: Lernresultate sind nur begrenzt plan- und prognostizierbar; Erwachsenenbildungsveranstaltungen werden damit ebenso wie solche Settings, in denen beiläufig gelernt wird, zum Rahmen für Suchbewegungen und Deutungsversuche. Umwegige und schweifend-assoziative Formen der Aneignung sind damit als wichtig und legitim aufgewertet.

Metakognition: Neuere Lernverständnisse beziehen daher nicht nur den Erwerb von Wissensbeständen ein, sondern betonen die Selbststeuerung von Lernprozessen, die dabei angewandten (individuellen) Strategien und Reflexionsprozesse als Grundbedingung erfolgreichen Lernens. Problemlösendes Lernen hängt danach wesentlich davon ab, wie explizit und routiniert Lernende Lernvorgänge, Lernbarrieren und ihre Lernbiographie analysieren und verarbeiten. Der organisierten Weiterbildung wird vorgeschlagen, eine zusätzliche "metakognitive" Dimension in ihre Arrangements einzubeziehen.

Insgesamt beschreiben die hier kurz skizzierten Trendbegriffe den Versuch einer allmählichen Umjustierung der Erwachsenendidaktik, einer Drift weg von der Dominanz der Inhalte, dem hergebrachten festgefügten institutionellen Rahmen und der Macht der Lehrenden hin zu den lernaktiven Individuen und entsprechenden handlungsorientierten, kreativen, unkonventionellen und medial gestützten Interaktionsrahmen, die auch nicht vorhersehbare Ergebnisse generieren können und somit immer ein Stück ergebnisoffen bleiben.

 

Neuere Entwicklungen in Kulturinstitutionen

Museen

Alle Sparten von Museen in der alten Bundesrepublik sind in den vergangenen dreißig Jahren zu Anziehungspunkten für kulturell Interessierte geworden; verglichen mit den Jahrzehnten davor erleben sie von Jahr zu Jahr neue Rekorde. Museen und andere Ausstellungshäuser verzeichnen derzeit mehr als 100 Millionen BesucherInnen pro Jahr - mit bislang immer noch steigender Tendenz, will man ihren eigenen Erhebungen Glauben schenken. In dieser Zahl sind die Besuche in Dauer- und Wechselausstellungen enthalten, die an 5.376 Orten präsentiert wurden (4.239 in den "alten", 1.137 in den "neuen" Bundesländern). Gruppen- und Einzelbesuche können nur ungefähr relationiert werden: anzunehmen ist ein Verhältnis von etwa 30% zu 70%.

Dabei haben sich inzwischen sowohl die Konzeptionen der Dauerausstellungen verändert als auch die Selbstverständnisse der Museen. Seit Beginn der 80er Jahre lässt sich bei Ausstellungen, insbesondere bei historischen, eine (von Ungleichzeitigkeiten begleitete) Entwicklung vom "begehbaren Buch" hin zu "Tableaus" verfolgen. Was ist damit gemeint? Während bis zu diesem Zeitpunkt noch ein "gehöriges Maß an Misstrauen gegenüber der Vieldeutigkeit von Objekten und dem Verständnis der Besucher" herrschte, hat sich mit der Wende hin zu anschaulichen Ensembles und Inszenierungen ein anderer Zugang sowohl zu den Themen als auch zu den Rezipienten eingestellt: "Die ästhetische Brechung und Kommentierung der historisch-symbolisch 'aufgeladenen' Objekte wurde zum Prinzip" und ist geradezu zu einem Maßstab für den aufgeklärten und reflektierten Umgang mit thematischen Stoffen geworden. Hinter das durch immer weitere Verfeinerungen erreichte Gestaltungsniveau der innovativeren deutschen Museen fallen auch die anderen nur noch selten zurück.

Mit der skizzierten Entwicklung haben Museen auch den BesucherInnen (wenngleich weitgehend undiskutiert) mehr 'Mündigkeit' zugesprochen, indem sie ihnen schwebende, uneindeutige Aussagen und Interpretationen offerieren, sie weniger belehren als intelligent unterhalten und ebenso anspruchsvoll bilden möchten. Es gilt nicht mehr als anstößig, etwa auch auf "lebensweltliche Vergangenheitsbedürfnisse" des Publikums Rücksicht zu nehmen . Zwar versuchen Museen schon seit den 1970er Jahren des gerade vergangenen Jahrhunderts Besucher zu (re)aktivieren und den Bildungsgedanken zu verwirklichen, wonach das Individuum in seiner Freizeit "in sich selbst zu investieren" habe . Seitdem gab es in der Kultur- und Museumspolitik immer auch die Erörterung von "Publikumsmodellen" . Dabei war es aber eine meist vernachlässigte Frage, was denn publikums- oder besucheradäquat sei.

Museen, ehemals Musentempel, sind Vermittlungsinstitutionen geworden, die die Bevölkerung mit Begleitangeboten, mit Gesprächen, Filmdarbietungen, Workshops usw. zu gewinnen suchen. In dieser Sicht sind sie auf dem Weg, so etwas wie örtliche kulturelle Zentren zu werden. Kooperationen mit anderen Einrichtungen in der Stadtlandschaft – Volkshochschulen, Berufsschulen, Kirchengemeinden, Vereinen – werden, zumindest von der Museumspädagogik (die aber nicht das ganze Museum ausmacht), gesucht.

Einen Exklusivitätsanspruch erheben am ehesten noch die Kunstmuseen. Sie können als Residuen des Bildungsbürgertums gelten, auch wenn hier und da Museumskonzepte und Museumsarchitektur einer sozialen Öffnung den Weg bahnten. Noch können engere Beziehungen zwischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Kunstmuseen als Ausnahme gelten, und die Frage, wie die besonderen Qualitäten des Lernens in Kunstmuseen "durch erwachsenenpädagogische Konzeptionen" gesichert und weiterentwickelt werden können , konnte wohl nur aus der Sicht der Erwachsenenbildung so formuliert werden.

Das Museum am Abteiberg in Mönchengladbach, das 1982 eröffnet wurde, vertritt ausdrücklich eine Verbindung zur Öffentlichkeit und will "jedermann ansprechen" . Straßen und Plätze als Träger von Kommunikation waren urspünglich in das Museumskonzept des Wiener Architekten Hans Hollein integriert (in Mönchengladbach kam es dann aber nicht zu der geplanten Verdichtung von Urbanität).

In jüngster Zeit lehnen sich auch Kunstmuseen an die Event-Kultur anderer Häuser an: Das Essener Folkwang-Museum beispielsweise wirbt mit einer "Museumsnacht für Romantiker" , d.h. mit Musik, Lesungen und "Blumenregen", für gehobene Geselligkeit. Sein sonstiges Angebot bleibt dagegen "zeitlos", es beschränkt sich auf Führungen, Mal- und Kunstaktionen für Kinder und unternimmt mit seinem "Kunstring Folkwang" Fahrten zu künstlerischen Sehenswürdigkeiten in anderen Städten. Vortragsabende halten die strenge Form des Referats ein, d.h. es gibt keine Diskussion, keine Interaktion mit dem Publikum. Seine Besucher findet das Folkwang-Museum gleichwohl nach wie vor in den höheren sozialen Schichten der Stadt.

Kontrastierend präsentiert sich das Nussbaum-Museum in Osnabrück nachdenklich und gleichzeitig modern mit einem "Offenen virtuellen Museum", das fünf europäische Orte, Lebensstationen des in Auschwitz ermordeten Malers Felix Nussbaum, miteinander verbindet. Damit wird ein weniger der Tradition verpflichtetes als mit modernen Informationstechniken ebenso wie mit historischem und kunstgeschichtlichem Wissen ausgestattetes, vermutlich jüngeres "Ausbildungsbürgertum" (U. Borsdorf) angesprochen.

Erwachsene werden als Adressaten ausdrücklich genannt auf der Homepage des Museums am Ostwall in Dortmund. Es möchte "kunstinteressierte und kreative Erwachsene" sowie eigens auch "Seniorinnen und Senioren" für Kunstkurse und zu einem Dialog der Generationen über Kunst und Kultur gewinnen. Dies geschieht unter anderem in Kooperation mit der örtlichen Volkshochschule. Das Museum am Ostwall zeigt, wie ohne Exklusivitätsanspruch und Distinktion "neue Formen der Kunstvermittlung" Erwachsenen unterschiedlichen Alters vorgestellt und "assoziative Zugangsmöglichkeiten" erprobt werden können (siehe unter II).

Zwei Entwicklungen der jüngsten Zeit schicken sich an, die Bildungs- und Kultureinrichtung Museum zu verändern: Es gibt inzwischen wohl kein Haus mehr, das sich Marketing-Überlegungen verschließen könnte. Die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte hat Museen gezwungen, Einkünfte zu erzielen. Sie tun dies durch die Suche nach und Pflege von Sponsoren, durch Museumsshops oder die Vermietung ihrer Räumlichkeiten an finanzkräftige Nutzer – nicht zuletzt auch mit Hilfe der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien . LeiterInnen von Museen werden mehr und mehr auch Experten für Kulturwirtschaft oder sie stellen Personal mit solchen Kompetenzen ein.

Quasi in umgekehrter Richtung können Museen aber auch Teil einer Marketingstrategie oder Philosophie von Firmen sein. Sie sollen in solchen Kontexten nicht als Institutionen der Hochkultur angesehen werden, vielmehr als Repräsentationsräume und Lerngelegenheiten für Betriebs-, Technologie- und Produktgeschichte. Einer – wissenschaftlich fundierten – Distanz zum Auftraggeber bzw. Träger der Einrichtung wie auch einem allgemeinen Bildungsauftrag müssen sich Firmenmuseen nicht verpflichtet fühlen. Dennoch ‚verhalten‘ sie sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit wie öffentlich geförderte Museen. Das an die Firma Imhoff-Stollwerck angegliederte Schokoladen-Museum in Köln bietet sich an mit Antworten unter anderem auf die Fragen: Ist Schokolade Medizin?, Warum essen Frauen lieber Schokolade als Männer? Darüber hinaus kann bei der Organisation eines Ausflugs nach Köln geholfen werden, vermittelt das Museum Stadt- und Dombesichtigungen. Das Heinz Nixdorf MuseumsForum formuliert einen viel weiter gefassten Anspruch; es habe sich zur Aufgabe gestellt, "in der modernen Informationsgesellschaft die Orientierung und Bildung des Menschen zu fördern. Vor diesem Hintergrund wird die Kulturgeschichte der Informationstechnik in einer 5000 Jahre umfassenden Zeitspanne inszeniert. Ergänzung findet die Ausstellung durch Veranstaltungen, die Globalisierung, Vernetzung, Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnik zum Thema haben und damit aktuelle Herausforderungen aufgreifen."

Gedenkstätten

Orte des Erinnerns und Gedenkens, meist in den 80er Jahren in vielen Städten Westdeutschlands eingerichtet, verstanden sich als mahnende, wenn nicht gar erziehende Institutionen. Sie praktizierten gegen eine teils tatsächliche, teils vermeintliche gesellschaftliche Tendenz des Schlussstrichs eine intensive schulische und außerschulische Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit. Mit ihrem Ansatz einer "Gegengeschichtsschreibung" ist es den Gedenkstätten gelungen, eine Vielzahl von Gruppen und Einzelnen anzusprechen. Die Erfolgsgeschichte der Gedenkstätten ist noch nicht geschrieben, aber schon jetzt lässt sich sagen, dass Gedenkstättenarbeit aus pädagogischen Zusammenhängen nicht mehr wegzudenken ist. Sie wurden im Lauf der Jahrzehnte aber auch Teil einer veränderten, konsensualen bundesdeutschen Geschichtskultur ; die Neubauten und Vorhaben in der Bundeshauptstadt, das Jüdische Museum Berlin, die Topographie des Terrors und nicht zuletzt das Denkmal für die ermordeten Juden Europas mit seinem "Haus des Lernens" bezeugen diese Entwicklung.

Was sich in den Museen andeutet, gewinnt in Gedenkstätten seit 1989 – und nicht zuletzt durch die (von Kontroversen begleitete) Umgestaltung und Neubestimmung der ostdeutschen Gedächtnisorte - schon deutlicher Gestalt: diese Einrichtungen werden nun zu Orten der "kommunikativen Beziehung" (A. Urban), zu Foren, die einen ergebnisoffenen Diskurs über Vergangenheit und Gegenwart zulassen und sich damit von ihren lange Jahre verfochtenen Erziehungsambitionen weitgehend emanzipieren. Sie erweitern gleichzeitig die Vorstellung von Adressaten wie von Zielgruppen und scheinen ihre Fixierung auf Jugendliche aufzugeben. Die Heterogenität der Gesellschaft, die unterschiedlichen Erfahrungen und Kenntnisse jüngerer und älterer Erwachsener, ihre beruflichen Bezüge zum Thema Nationalsozialismus, sowie die spezifischen Bildungsbedürfnisse von Migranten der zweiten und dritten Generation, bestimmen zunehmend die pädagogischen und didaktischen Überlegungen.

Die Neuorientierung von Gedenkstätten in West- und Ostdeutschland geht einher mit einer enormen Modernisierung der Lernangebote und Medien. Interaktives Lernen, die Installation elaborierter Homepages und die Produktion von CD-Roms finden fast überall statt. Die großen, forschungsintensiven Gedenkstätten stellen nun auch Datenbanken ins Netz. In der Gedenkstätte Buchenwald wurde 1994 damit begonnen, biographische Angaben über die Opfer des KZs in digitaler Form aufzubereiten. "Gegenwärtig stehen zwei Projekte im Mittelpunkt der Arbeit: zum einen das Gedenkbuch der Opfer des KZ Buchenwald, zum anderen die Erstellung eines digitalen Bildkatalogs der auf etwa 7.000 Fundstücke angewachsenen archäologischen Sammlung. Langfristig wird die Arbeit am Gedenkbuch die Basis für ein digitales biographisches Archiv des KZ Buchenwald bilden" .

Mit der Ausbreitung neuer Informationstechnologien in allen Kulturinstitutionen wird das virtuelle Feld auch in der Gedenkstättenarbeit zur Normalität, das neben den traditionellen Bereichen der Bildungsarbeit Bestand haben wird.

Die Villa ten Hompel, die sich seit einem Jahr als Erinnerungsort in der Stadt Münster etabliert, kann als Beispiel für ein mit Medien gut ausgestattetes Haus gelten (wir kommen in Teil II darauf zurück). Die Einrichtung verfügbarer technischer Innovationen bringt die Hinwendung zu den TeilnehmerInnen jedoch keinesfalls "von selbst" mit sich. Das Beispiel des Berliner Dokumentationszentrums Topographie des Terrors – in den 80er Jahren aus einem "Lernprojekt" Erwachsener, d.h. einer lokalen Bürgerinitiative hervorgegangen - zeigt, dass pädagogisch-andragogische Ansprüche noch zurückstehen zugunsten fachlich-sachlicher Fragen, mit denen sich ein 'unbekanntes', diffuses Publikum auseinandersetzt (siehe unter II). In Gedenkstätten wie in Museen ist die Besucherforschung ein Desiderat. Zwar wird dieser "weiße Fleck" der Arbeit in den vergangenen ein, zwei Jahren stärker zum Thema , aber Ergebnisse wurden wenig veröffentlicht und kaum diskutiert.

Archive

Das Image von Archiven als Inseln weltabgeschiedener, wortloser Vertiefung in überlieferte Akten, Bücher und andere Quellen wandelt sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten. Auch hier ist das Phänomen der Öffnung unübersehbar. Im Zuge der Geschichtswerkstätten- bzw. "Geschichte-von-unten"-Bewegung wurden auch die Stadtarchive zu gefragten Orten des Recherchierens und Lernens im lokalen Raum, und zwar nicht nur von Fachleuten, sondern ebenso von Laien oder, wie es damals hieß, Barfußhistorikern. Wenn man die Angebote der Stadtarchive in ihrer Entwicklung genauer betrachtet, zeichnet sich allerdings ein deutlicher Schulbezug ab: hauptsächlich Lehrerinnen und Lehrer werden angesprochen und durch Beratung, mit Arbeitsmappen und ausgewählten Quellen und Archivalien auf spätere Besuche mit Klassen und Kursen vorbereitet; ihnen werden die vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten dieses besonderen Lernortes eröffnet . Die seit ungefähr 15 Jahren praktizierte Einstellung von Archivpädagogen ist auf dem Hintergrund des Schulbezugs, aber auch einer weiteren Imageveränderung zu verstehen: Archivpädagogen definieren sich klarer als in der Vergangenheit als AnsprechpartnerInnen für die Kooperation mit Bildungseinrichtungen, Bibliotheken, Gedenkstätten und Initativen; sie pflegen auch gemeinsam mit den LeiterInnen die Öffentlichkeitsarbeit . Eigene Ausstellungen in städtischen und in Landesarchiven sind längst keine Seltenheit mehr. Aber auch Veranstaltungsreihen und nicht zuletzt Forschungsergebnisse für ein nicht nur spezialistisches Publikum belegen die Weiterentwicklung vieler Archive hin zu städtischen kulturellen Foren. Mit den Titeln "Abschied vom Ärmelschoner" oder "Archiv. Verstaubt sind nur die Regale" ist dieser innovationsbereite Trend pointiert benannt. Dass die Erwachsenenbildung mit ihren Institutionen, besonders aber mit ihrer Fachdiskussion in den zahlreichen Veröffentlichungen und Verlautbarungen keine Rolle spielt, korrespondiert mit Entwicklungen (und Beschränkungen) im verwandten Bereich der Bibliotheken .

Soziokulturelle Zentren

Die "Hochzeit" soziokultureller Zentren waren zweifellos die siebziger und achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts; Soziokultur bildete eine Schnittstelle zwischen Bildungs-, Kultur- und Sozialarbeit und ihre Zentren waren in fast allen Fällen Produkte aktiver BürgerInnen und Professioneller vor Ort. Der (politisch verstandene) Kulturbegriff war stark von den alternativen Strömungen der "neuen sozialen Bewegungen" inspiriert und lebte von Absetzbewegungen gegenüber der Hochkultur. Die Bundesvereinigung soziokultureller Zentren vertritt heute ca. 380 Einrichtungen in freier Trägerschaft. Seit dem Gründungsboom und einer staatlich subventionierten langjährigen Blüte hat sich der Charakter der Zentren aber gewandelt. Die Zentren selbst haben durch die Verschiebungen der sozialen Milieus, durch Generationenwechsel und Integrationsschritte – nicht zuletzt auch durch stärkere Professionalisierung - ihren Charakter verändert. Die Essener Zeche Carl etwa, frühes Beispiel alternativen Entfaltungswillens und sozialdemokratischer Vorzeigepolitik, pflegt zwar nach wie vor ihr angestammtes Klientel, existiert aber mehr noch als in früheren Jahren durch die Zusammenarbeit mit der Mehrheitsbevölkerung im Stadtteil und der Stadt Essen; sie versteht sich nun stärker als Dienstleister im städtischen Kulturleben und hat sich dem Markt geöffnet: Neben vielerlei kommerziellen Veranstaltungen finden in der einstmals eng milieubezogenen Einrichtung SeniorInnentreffen, Partei-/Vereinsversammlungen und private Feiern statt, aber auch regelmäßige Weiterbildungsangebote zur kulturellen und personenbezogenen Bildung. Auf der anderen Seite haben kommunale Institutionen, Einrichtungen der Weiterbildung ebenso wie Kirchengemeinden und Initiativen vieles von dem übernommen, was ehemals soziokulturelle Zentren ausmachte. Diese richten sich ebenso an Frauengruppen, an MigrantInnen, an Jugendliche, so dass spezifische Interessen von Kulturen und Minderheiten inzwischen in einer ausdifferenzierten Landschaft bedient werden. Soziokulturelle Zentren präsentieren sich heute weniger als politisch-weltanschauliche Heimat von Kulturschaffenden, vielmehr als Motor und Teilhaber kultureller sowie kulturpolitischer Entwicklungen. Die Initiatoren von damals begreifen sich als Lernende angesichts aktueller Herausforderungen: Stichworte sind neue Allianzen, Fragen von Beschäftigungsverhältnissen, Besteuerung, Ehrenamtlichkeit, Existenzgründung, Arbeitsformen und Qualitätssicherung . Dass soziokulturelle Zentren nach wie vor Räume für Lern- und Verständigungsprozesse – der Träger wie der TeilnehmerInnen - sind, ist nicht zu bestreiten. Die zumeist nur beiläufige Art und Weise, wie didaktisch-methodische Überlegungen in die Arbeit soziokultureller Zentren eingehen, verhindert häufig die für unseren Kontext notwendige Wahrnehmung genuiner Lernarrangements.

Theater

Auch in der Theaterlandschaft des letzten Jahrzehnts lässt sich eine neue Experimentierbereitschaft erkennen: Den Theaterbau zu verlassen und andere Orte als Kulisse zu nutzen oder zur Bühne zu machen, hat schon länger Tradition: das Freilichttheater, das Straßentheater, die Boal'schen Theaterexperimente, Theaterzelte sind nur einige Beispiele. Seit mehreren Jahren nun werden besonders im Ruhrgebiet die architektonischen Überbleibsel der niedergehenden alten großen Industrie, vor allem des Bergbaus und der Stahlindustrie, gerettet, konserviert und für kulturelle Zwecke neu genutzt: Am Fuße eines durch eine Lichtinstallation verwandelten Hochofens, in der sogenannten Abstichhalle, befindet sich nun eine Bühne, und ehemalige Maschinenhallen werden nicht nur in ihrer eigenartigen Schönheit neu entdeckt und als Kathedralen des zu Ende gehenden mechanischen Zeitalters bezeichnet, sondern zum Ort vielfältiger kultureller Aktivitäten, des Theaterspiels vor allem. Gerade im Rahmen der Ruhrfestspiele Recklinghausen und des Theaterfestivals Ruhr, wird von diesen Möglichkeiten des Ortswechsels mitsamt seinen neuen Möglichkeiten, kulturelle Produktionen ästhetisch zu erweitern, neu zu situieren und reflexiv zu kontextuieren, intensiv Gebrauch gemacht.

 

Museumspädagogische Debatten

Bei der Skizzierung pädagogischer Ansätze konzentrieren wir uns im folgenden auf den Bereich der Museen und Ausstellungshäuser - mit gelegentlichen Verweisen auf die anderen Sparten. Dieses (zunächst arbeitsökonomisch begründete) Vorgehen erscheint uns legitim, weil Museen die weitestentwickelte Institutionalform unter den hier interessierenden darstellen und ihre professionellen Entwicklungen insofern möglicherweise auch etwas über die Chancen des Lernens in anderen Sparten aussagen.

Bildungsaufgaben im Museum?

Die Frage, was Museen und ähnliche Institutionen zu Bildung und Lernen beitragen, ist im Verlauf ihrer Geschichte immer wieder gestellt worden - von außen wie von denen, die in diesen Einrichtungen arbeiten. Bis zu den 70er Jahren konnte umstandslos resümiert werden, dass dort Bildungsprozesse zwar "mitlaufend" stattfinden, aber nicht in planmäßige und zielgerichtete Konzepte eingebettet waren. Seither sind Bildungsaufgaben stärker in den Aufgabenkatalog der Museen vorgedrungen, haben zu institutionellen Ausdiffferenzierungen - etwa in museumspädagogische Abteilungen - geführt, ohne dass diese überall den Geruch des "auch" verloren hätten: Prägend für die Ausstellungspraxis sind also nicht immer selbstverständlich Vermittlungsziele und entsprechende Formen, sondern oftmals noch auratische Objekte und ihre fachwissenschaftliche Kommentierung. Zu dieser Lage mag auch eine vorschnell akzeptierte Arbeitsteilung beigetragen haben: "Die Museumspädagogen ... übernahmen nicht selten mehr oder weniger blind die gesetzten Vorgaben und kümmerten sich nur noch darum, die Interpretationsbestände ihrer fachwissenschaftlichen Kollegen zu popularisieren. In Extremfällen begnügten sie sich sogar mit der Funktion des billigen Jakob, der unter Aufbietung von allerlei Animationsschnickschnack für die Erhöhung der Einschaltquoten bzw. die Verbesserung der Besucherstatistik sorgte."

Das daraus resultierende und (auch in den Debatten anderer Länder ) verbreitete Rezept, sich zum Advokaten der BesucherInnen statt zum bloßen Verkäufer der Institution, zum selbstkritischen Agenten der allseits intendierten "Besucherorientierung" zu machen, scheiterte offenbar zunächst an den hierarchischen Verhältnissen. Die am Ende der 70er Jahre begonnene museumspädagogische Entwicklung hat nach Jahren der Stagnation aber einen neuen Aufschwung genommen. Museen als Lernorte und damit Kommunikationsorte zu begreifen, ist offenbar an spezifische Bedingungen und Anstöße gebunden: in den 70er Jahren eine Phase des pädagogisch-politischen Optimismus, seit den 80er Jahren eine verstärkte Aufmerksamkeit der Institution "Museum" für Resonanzen, BesucherInnen und Marktchancen im Zuge einer Ökonomisierung dieses Sektors. Ob der in den 90er Jahren unverkennbare kulturpolitische Paradigmenwechsel von demokratisierenden Programmen à la "Kultur für alle" zur "Highlight"- und Event-Kultur als Wirtschaftsfaktor außerdem soziale, zielgruppen- und gemeinwesenorientierte Verpflichtungen musealer Arbeit überleben lässt oder beschädigen wird, ist noch nicht abzusehen.

Veranstaltungen, Führungen und neue Arrangements

Museumspädagogik und -didaktik haben in den vergangenen 20 Jahren trotz Statusproblemen und anderen Erschwernissen vielfältige Ansätze und elaborierte Konzepte für den Vermittlungsauftrag der Kultureinrichtungen entwickelt und im Verbund mit einer schmalen BesucherInnen-Forschung das Bewusstsein für die subjektiven Aneignungsprozesse in Museen, für Interessen, Eigensinn und Prädispositionen der RezipientInnen, für Gefahren der kognitiven und ästhetischen Überforderung geschärft. Ihre Zuständigkeit für die Kommunikation der Museen mit der Außenwelt ist weithin anerkannt. Begleitveranstaltungen für Kinder und Erwachsene, "Durchschnittspublikum" und MultiplikatorInnen werden heute im Kontext der meisten größeren Ausstellungen selbstverständlich angeboten.

Mit all dem reagierte dieser Sektor verspätet auf die soziale und kulturelle Ausdifferenzierung des Publikums: Bereits seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts erweiterte sich dieses über ein Honoratiorenpublikum hinaus, das mit den MuseumsmacherInnen das kulturelle Kapital historischer und ästhetischer Bildung teilte und insofern Ausstellungen ohne große Einführungen "lesen" konnte. (Die Aufmerksamkeit für solche sozialen Differenzen war es dann andererseits auch, die seit den 70er Jahren als gelegentliche Nebenfolge die heute als problematisch angesehenen "Textfluten" hervorbrachte.) Durch stärkere Ökonomisierung und Marketing-Überlegungen erlangten die Besucherzahlen für die Institutionen insgesamt einen höheren Stellenwert; die auf die Rezeptionszufriedenheit gerichteten professionellen Phantasien und Ressourcen wirken sich im gegenwärtigen Museumsboom mit aus: "Die Hinwendung zum Adressaten brachte ungeahnte Erfolge für das Museum, indem der Empfangende, der Aufnehmende zu einem gleichberechtigten Maß neben dem der Objekte geworden ist. Die Hinwendung zum Besucher steigerte naturgemäß die Anwerbung, im wärmsten Sinn dieses Wortes, neuer Individuen, neuer Gruppen, neuer Schichten."

Die Museumspädagogik hat diesen Prozess mit der Entwicklung einer Vielzahl von neuen Veranstaltungsarrangements begleitet und mitgeformt; nicht selten wurden diese unter Entlehnung von Formen des Theaters, der Spielpädagogik, der Erwachsenenbildung entwickelt. Als Intentionen auch der neu erprobten Formen werden unveränderte Ziele der Gesamtinstitution Museum festgehalten:

· Strukturanalyse der Kunstwerke bzw. Sachzeugnisse,

· historisch-soziale Aufklärung über deren Entstehungskontext,

· bewusster ästhetischer, Verstehen und Bildung fördernder Genuss, indem eine Relation zwischen den erstgenannten Dimensionen und der Situation der Betrachtenden hergestellt wird.

Wo Museums-Routinen im Lichte dieser Zielvorgaben überprüft werden, bezieht sich dies auf alle Aspekte der Vermittlungsarbeit: Texte, Raumgestaltung, Führungen, Medien und Veranstaltungen jeglicher Art . Die "klassische" Führung wurde zumeist in dialogischere Formen überführt; sie kann auch Gelegenheit zu Austausch und Reflexion eigener ästhetischer Erfahrungen bieten. Dabei bleiben Wissensdisparitäten und Rollenverteilungen zwischen Fachkraft und Publikum in der Regel oft eindeutig; was aber in der Vergangenheit Ausnahmecharakter hatte: die Expertenschaft der "Geführten" einzubeziehen, stellt sich immer häufiger dort ein, wo sich beruflich oder biographisch in besonderer Weise kompetente Gruppen mit Ausstellungen konfrontieren. (Beispiele, auf die wir in unserer Recherche stießen, sind: Berufsgruppenführungen in der Deutschen Arbeitsschutz-Ausstellung, MigrantInnengruppen in einer Ausstellung über Migration, berufsgruppenspezifische Angebote von NS-Gedenkstätten oder Zeitzeugen in Institutionen, die die DDR musealisieren).

Unseren GesprächspartnerInnen zufolge kann in der Gegenwart geradezu von einem Revival des (veränderten) Mediums "Führung" gesprochen werden. Neben dem Expertentum der BesucherInnen für bestimmte Themenbereiche wird ein zunehmendes Interesse an Fragen der Präsentation und Inszenierung konstatiert, werden Ausstellungs-"Macharten" verglichen usf. . Gruppengespräche, die das Museum für längere Zeit als anregendes Environment etwa für sozialgeschichtliche Erinnerungsarbeit nutzen, aber eher eine Ausnahme geblieben .

Weitere Angebote haben ein solches Maß an Verbreitung und Diversifizierung erfahren, dass an dieser Stelle eine knappe Aufzählung von Beispielen ausreichen kann:

· Tagesseminare mit ExpertInnen und AusstellungsmacherInnen zur thematischen Vertiefung von Ausstellungen,

· Film- und Vortragsreihen zu Ausstellungsthemen,

· Detektiv- und Suchaufgaben im Museum,

· Werkstätten, in deren Rahmen Kinder oder Erwachsene sich den Ausstellungsobjekten durch Anfertigung von Kopien und Repliken annähern oder diese theatralisch nachstellen,

· Theateraufführungen im Museum,

· Wochenendworkshops und "Kindergeburtstage", in deren Rahmen Lebensformen der Vergangenheit (rollen)spielerisch erkundet werden,

· thematische Exkursionen von mehreren Stunden (Stadtrundgänge, Ausgrabungsbesichtigung) bis zu Studienreisen (Beispiel: "Transit"-Ausstellung des Ruhrlandmuseums Essen),

· "ambulante Museen" in der Gestalt von Museumsbussen und Museumskoffern als Angebot für Gruppen, Stadtteile und Schulklassen.

BesucherInnen-Interessen

Zu den Ausgangsproblemen der entstehenden Zunft Museumspädagogik gehörte die Feststellung, dass unter den möglichen Besuchsmotiven "Lernen" im Museumskontext von den Besuchern hoch bewertet wird , zugleich aber in empirischen Beobachtungen nicht als prioritäres Verhalten identifizierbar ist: "Das Besucherverhalten im Museum lässt sich laut Treinen deuten als 'Suche nach anregender Entspannung', 'aktives Dösen' oder 'kulturelles Window-shopping'". Diese Feststellung nicht als "Defizit" und professionelle Kränkung zu verbuchen, war erst einmal zu lernen; ist doch die Rezeption künstlerischer und kultureller Objekte und Bedeutungen kein lediglich kognitiver (und diskursiver) Vorgang, sondern bedarf auch der "schweifenden", assoziativen Aneignung, die nicht in Kategorien curricularer Planung beschreibbar ist. Das in allen Museumssparten und -berufen gewachsene Gespür, dass die Objekte ihrer Ausstellungen polyvalente Zeichenträger sind, die der Deutungshilfen und offenen hermeneutischen Arbeit bedürfen, ist heute unübersehbar.

Inszenierungen und ähnliche Versuche "ganzheitlicher" Präsentation reagieren auf ein vermutetes BesucherInnen-Interesse, mit der Anmutung durch ein erratisches Fremdes nicht allein gelassen zu werden. "Argumentierende Ausstellungen" sind zwar in der Striktheit einer unilineare Thesen illustrierenden Praxis aus der Mode gekommen, aber auch die Eröffnung multiperspektivischer Möglichkeiten und vielfältiger Lernwege schließt "rote Fäden" und eindeutige Leitgedanken wie z.B. den der "Entwicklung" im Naturkundemuseum Münster oder im Neanderthal-Museum nicht aus. Interpretationsangebote werden in weniger direktiver Weise und selbstverständlicher als vordem präsentiert. Wenngleich die kulturkritische Befürchtung nicht ausbleibt, die Konkurrenz anderer Unterhaltungslandschaften und "Parks" befördere eine Tendenz zu "synthetischer Schaustellerei" und Beliebigkeit, steigen die Ansprüche an Originalität und Raffinesse dieser Inszenierungen beständig.

Über die "Begleitung" von Ausstellungen hinaus nehmen Museen und Ausstellungen also als Ganze eine Erweiterung ihrer Formensprache vor und beginnen die Vermittlungsarbeit im Augenblick von Themenwahl und Konzeptionierung: Ganze Ausstellungen werden zum bewußt gestalteten Ensemble von Licht, Ton, Objekten, Quellen und theatralischen Fragmenten; darüber hinaus können gesonderte Räume im Zusammenhang des jeweiligen Projekts thematische Variationen und sinnliche Erweiterungen vornehmen. So ermöglicht die Einrichtung eines "Kinderraums" (wie im Jüdischen Museum Franken in Fürth), das "Hauptthema" zusätzlich von einer anderen Inhaltsseite zu beleuchten (hier: Biographie-Bruchstücke über jüdische Kindheiten und Spielzeug); anderswo wird die haptische, olfaktorische usw. Überzeugungskraft entsprechender Kabinette ("Geruchsbar", Erfahrungsfeld der Sinne nach Kükelhaus) mitgenutzt, um Rezeptionsstimmungen zu beeinflussen. Das Bewusstwerden von Gesamtwirkungen kann natürlich auch dazu führen, dass die immer weitergetriebene Kontextuierung und Anlagerung von Rezeptionsmöglichkeiten problematisiert wird zugunsten "asketischer" Settings: "Ein gutes Museum ... ist ein Labor, in dem im ständigen Gespräch zwischen Museumsmachern und Besuchern, vielleicht unter der Moderation der Pädagogen, den Kunstwerken duch den Wechsel von Auswahl und Arrangement immer neue Bedeutungsdimensionen abgewonnen und ästhetische Wirkungen entlockt werden."

Solche Erweiterungen von professionellem Blick und Institutionen entdecken eine früher bereits realisierte Nutzungsvielfalt wieder, wie sie z.B. im aufklärerischen Überschwang nach der Eröffnung des Pariser Louvre 1792 als selbstverständlich angenommen wurde: Museen konnten seither als Stätten bildender Unterhaltung gelten - "a place to learn, to browse, to meet friends, to talk, to paint, to enjoy exhibitions and events".

 

II. Zur Empirie exemplarischer Institutionen, Projekte und Lernformen

In diesem Mittelabschnitt werden Institutionen und Projekte in unterschiedlicher Intensität porträtiert. Die Autorin und die Autoren unterstellen, dass ihnen allen etwas Innovatives eignet. Das provoziert die Frage nach den Kriterien der Auswahl und dem Verständnis von Innovation. Bei der Sichtung der Museums- und Kulturlandschaft arbeiten wir zunächst mit einem intuitiven "Innovations-Begriff" - und stehen damit nicht allein: Wir schildern Beispiele dessen, was uns an "neuen", "überraschenden", "unkonventionellen", "erweiterten" und "anregenden" Arrangements in den betreffenden Institutionen auffallend erschien. Dem Schlussteil wird es vorbehalten sein, das Andere bzw. Innovative in den skizzierten Projekten erwachsenenbildnerisch zu interpretieren und begrifflich genauer zu umreißen.

Natürlich haften an dieser Auswahl subjektive Momente, dennoch meinen wir, durchaus charakteristische Beispiele gefunden und dargestellt zu haben. Die Zusammenstellung der Institutionen und Projekte wurde unter anderem dadurch mitbestimmt, dass wir als im Feld der politischen Bildung Tätige zu Geschichtsmuseen, Gedenkstätten und Archiven eine professionelle Nähe haben. Außerdem wollten wir die Einrichtungen und Projekte nach Möglichkeit aus eigener Anschauung beurteilen - dies bringt eine gewisse regionale Schwerpunktsetzung mit sich. Die Basis der Beschreibungen bilden also eigene Besuche, Gespräche und Telefonate mit InitiatorInnen und Mitarbeitenden, die Auswertung von öffentlichen Selbstdarstellungen, Werbematerial und Berichten, Fachliteratur und Rezensionen sowie nicht zuletzt die Internetpräsentationen.

Wir haben die folgenden Praxisbeispiele geordnet: Zunächst geht es um Kunstmuseen, dann um Institutionen der Geschichtskultur und interdisziplinär arbeitende Themenmuseen und schließlich Theater- und Literaturprojekte. Innovatives lässt sich aber nicht nur an Institutionen festmachen, vielfach sind es dazu querliegende Formen und Einzelprojekte, die Neues und Interessantes zu bieten haben und daher einen eigenen Darstellungsbereich verdienen.

Innovation - ein Lieblingswort in Wirtschaft, Politik und auch seit einiger Zeit in der Bildung - ist zunächst ein formaler, ein relationierender und inhaltsleerer Begriff. Was gilt schon als wirklich neu? Manches, was heute dementsprechend in Kultur und Erwachsenenbildung gekennzeichnet wird, kann mit Recht als schon in anderen Zusammenhängen und in früheren Perioden vorgedacht und ausprobiert bezeichnet werden. Wir behaupten also keine Revolutionen entdeckt zu haben, sondern knüpfen eher an ein moderates und graduelles Innovationsverständnis an, wie es z.B. Erhard Schlutz skizziert hat: "als Ausdifferenzierung des Alten", als "Analogie zum Bekannten" und als "Neukomposition und Zusammenfassung von älteren und neueren Elementen". Auch im kulturellen Feld kann man von solchen Synergie-Effekten als Neuerungspotential ausgehen. Als weitere Parameter des Innovativen werden benannt: "Versuche der Gegensteuerung und der Grenzüberschreitung", Kooperationsbereitschaft und Beweglichkeit als stete Auseinandersetzung mit Bedürfnissen, Interessen und neuen Situationen. Eine Rückbindung des Innovationsbegriffs an "Reform"-Konzepte der letzten Jahrzehnte und die damit verwandten Kriterien von Partizipation und Demokratisierung ist seltener.

Eine Entwicklungsrichtung aber ist in jüngerer Zeit besonders deutlich wahrnehmbar: der Einsatz neuer Medien- und Computertechnologien und ihre Vernetzung . Dieser Trend findet deshalb besondere Berücksichtigung.

 

Kunstmuseen und -ausstellungen

Das Museum am Ostwall in Dortmund

Eher "im Schatten" des traditionsreichen Essener Folkwang-Museums hat die Stadt Dortmund eine Sammlung von Malerei des 20. Jahrhunderts aufgebaut; ihr Spektrum reicht vom Expressionismus bis zur zeitgenössischen Malerei der 80er und 90er Jahre.

Ausgesprochen publikumsoffen zeigt sich das Haus im Internet. Es steht nicht nur – wie alle Kunstmuseen - für die individuelle Vertiefung, die Schaulust des kunstinteressierten Ruhrgebiet-Flaneurs, sondern auch für kulturelle Angebote, die sich ausdrücklich an unterschiedliche Gruppen richten: an Erwachsene, SchülerInnen, Kinder und Jugendliche und schließlich an Seniorinnen und Senioren. Die Museumspädagogik hat sich mit den unterschiedlichen Kunstvorlieben und Aneignungsweisen der genannten Gruppen vertraut gemacht und bietet seit mehreren Jahren folgende Lernarrangements an:

Informationsabende für Lehrerinnen und Lehrer zu jeder Wechselausstellung (das Angebot wird von bis zu 100 Personen wahrgenommen),

zweimal im Jahr zweitägige Seminare für Erwachsene mit 14-16 Personen,

viermal im Jahr jeweils 8 Abende für jüngere und ältere SeniorInneen mit nicht mehr als 12 Personen.

Zum Methodenrepertoire der Seminare gehört das "kreative Schreiben", die Bildbetrachtung, die eigene malerische Tätigkeit. Den didaktischen Begriff des "Ateliers" verwendet die Museumspädagogik nicht, obwohl das Arrangement der Arbeit mit Erwachsenen wie auch die Fortbildungen seinem Charakter sehr nahe kommen. Um die gewünschte öffentliche Resonanz zu erzielen, kooperiert das Museum mit anderen Einrichtungen, z.B. mit der Weiterbildungsinstitution "Austausch und Begegnung", mit der VHS, der Dortmunder Altenakademie, mit der Bezirksregierung Arnsberg. Das Museum stellt seine Räume auch für Veranstaltungen im Rahmen kultureller und ästhetischer Bildung anderen Trägern zur Verfügung.

Jugendliche und junge Erwachsene seien unter den jetzigen Bedingungen nur schwer zu erreichen. Es fehle der Anschluss an die modernen Medien, sprich: Computerterminals im Haus selbst, mit denen an die Seh- und die taktilen Wahrnehmungsgewohnheiten der jüngeren Generation angeknüpft werden könne . Trotz der fehlenden Ausstattung in dieser Hinsicht, überrascht das Kunstmuseum mit seiner Aufmerksamkeit für unterschiedliche Zielgruppen und Interessen und überlegten Lernangeboten.

Bildungsangebote: Seminare, Tagesveranstaltungen, Kurse

Neue/ungewöhnliche Arrangements: -

Ziele: Angeleitete und selbsttätige Auseinandersetzung mit Kunst, Aktivierung von MuseumsbesucherInnen

Andere Lernorte: Museum als Lernort (auch für externe Gruppen und Einrichtungen)

Multimedia: Internetpräsentation

Zielgruppen: jüngere und ältere Erwachsene, LehrerInnen

Kooperation/Vernetzung: mit örtlichen und überörtlichen Weiterbildungseinrichtungen (VHS und andere Bildungseinrichtungen, Akademien)

 

Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück

Zum erstenmal im Jahre 1999 und in erweiterter Form im Sommer 2000 nutzte das Felix-Nussbaum-Haus die Chancen der Medientechnik, um sich temporär "zu erweitern" und seine Attraktivität durch "Links" zu Orten zu steigern, die im Werk und Leben des deutsch-jüdischen Malers Nussbaum eine zentrale Rolle spielten. Das 1998 eröffnete Museum ist in einem eigens errichteten Bau des Architekten Daniel Libeskind entstanden, dessen Bildsprache eng an die Biographie des 1904 in Osnabrück geborenen und 1944 in Auschwitz ermordeten Künstlers angelehnt ist.

Nunmehr wurde mittels Bildtelefonen und Übertragungsterminals eine optische und akustische Direktverbindung zwischen der "Villa Nordsee" auf Norderney (einem Bildmotiv von 1932) und dem Osnabrücker Museum hergestellt; im zweiten Schritt bezog man im Sommer 2000 andere Orte in ganz Europa, u.a. der Emigrationsgeschichte des Künstlers ein. In Berlin, Alassio, Ostende und Auschwitz-Birkenau entstanden so flüchtige Zweigstellen des Museums, an denen zur Rezeption und Debatte ausgewählter Werke Nussbaums eingeladen wurde. Die dort und zwischen den Standorten - z. T. mit Hilfe örtlich präsenter ModeratorInnen - geführten Diskussionen waren live in Osnabrück, an allen anderen Orten und im Internet zu verfolgen. Mit diesen kommunikativen Möglichkeiten war es den Interessierten möglich, über aktuelle Perspektiven auf Nussbaums Werk zu reflektieren sowie ergänzende Informationen in personaler und netzgebundener Kommunikation einzufordern: Hat der Künstler an den ausgelagerten Orten Spuren hinterlassen? Welcher Lebenslauf gehört zu diesem Bild? Was ist das für ein Museum in Osnabrück?

1999 beteiligten sich ca. 300-500 Menschen täglich an der Aktion auf Norderney; in einigen Fällen setzte die mediale Anregung eine örtliche Spurensuche zur Entstehungszeit der Nussbaum'schen Bilder in Gang. Im Jahr 2000 wurde die so gebotene Chance am intensivsten von flanierenden Touristen und beiläufigen Passanten am Pariser Platz in Berlin genutzt, schwächer an der Strandpromenade von Alassio und am Hafen von Ostende; die BesucherInnen vor der Gedenkstätte Auschwitz waren vom Angebot am wenigsten angesprochen. Jüngere BesucherInnen machten von der Medienkommunikation intensiveren und selbstverständlicheren Gebrauch; für die kommunikative Einbeziehung der Passanten war in fast allen Fällen die Brückenfunktion der ModeratorInnen sehr wichtig.

Die Aktion wurde zum Anlass einer vielfältigen Medienberichterstattung, die wiederum zusätzliche Werbeeffekte für das Osnabrücker Haus zeitigen wird. Videoaufzeichnungen und Gesprächserfahrungen sollen ausgewertet und dokumentiert werden, um "die Nachhaltigkeit der Aktion zu gewährleisten".

Mit der Schaffung dieser virtuellen "Linien" in andere Städte wurde im übrigen das architektonische Konzept von Daniel Libeskind aufgenommen und verstärkt, der in Osnabrück (wie beim Bau des Jüdischen Museums Berlin) historisch-topographische Gedankenlinien am Standort des Museums in seine Planungen einschloss.

Bildungsangebote: Führungen, Tagungen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Virtuelle Erweiterung des Museums und der Informationsmöglichkeiten zu Nussbaums Werk, grenzüberschreitende Kommunikationsangebote zwischen MuseumsbesucherInnen, Passanten, ExpertInnen zu einer unfreiwillig europäischen Künslterbiographie

Ziele: Gegenüberstellung von Kunstwerk und heutigem Zustand des abgebildeten Orts, Museumsmarketing/Öffentlichkeitsarbeit und Verbreitung von Kontextinformationen zu ausgewählten Werken

Andere Lernorte: Stationen von F. Nussbaums Leben und Werk in kommunikativer Verknüpfung mit dem Osnabrücker Museum

Multimedia: Bildtelefon, Internet

Zielgruppen: Passanten, Touristen, Museumsbesucher

Kooperationen/Vernetzung: Tourismus-Einrichtungen, z.T. Institutionen vor Ort (Jüdisches Museum Brüssel, Staatliches Museum Auschwitz)

 

CD-ROM "Skulpturen-Projekte" Münster

Ein Beispiel dafür, wie mediale Anwendungen in einer ganz unspektakulären Weise Nützlichkeit entfalten, stellt die CD-ROM "skulptur.projekte in Münster" des Westfälischen Landesmuseums dar; aus Anlass der Ausstellung "Skulptur. Projekte in Münster" im Jahre 1997 entstand diese CD als mediales Archiv dieser und der vorangegangenen ähnlichen Ausstellungen von 1977 und 1987. Hervorgegangen aus der Internetpräsentation der laufenden Ausstellung, versammelt der Datenträger Textteile und Bildbeispiele zu allen beteiligten Künstlerinnen, Lagepläne der drei Ausstellungen, Fotodokumentationen, Projektbeschreibungen, Interviews und Presseresonanzen. Das Menü erlaubt es, die Ausstellungen getrennt und in sich als "Rundgang" zu rezipieren, aber auch, anderen Logiken folgend zwischen den Ausstellungen hin und her zu wechseln; so lassen sich etwa thematische, ortsbezogene und werkbiographische Querverbindungen nachvollziehen.

Ephemere Installationen in spezifischer Verbindung mit Stadträumen und -situationen, die ansonsten nicht zu bewahren sind, können auf diesem Weg teilweise konserviert und zugänglich erhalten werden; die Präsentationsform erlaubt mehr kognitiv-sachliche, zeitliche und räumliche Komplexität, als ein herkömmlicher Rundgang leisten könnte - und dies zu Kosten, die den von drei Ausstellungskatalogen unterschreiten. Dabei bleibt unübersehbar, dass dies um den Preis der Entsinnlichung geschieht: die "Aura" nicht nur der Kunstwerke, sondern auch die für diese Münsteraner Präsentationsform spezifische der Straßen, Plätze und Gebäude kann kaum eingefangen werden. Für diejenigen Zweige der bildenden Kunst, die auf Events und Entwicklungen, "works in progress" und Stadtraumbezug setzen, könnte diese Form der Präsentation dennoch zum wichtigen Ausstellungsmedium werden.

Bildungsangebote: keine

Neue/ungewöhnliche Arrangements: "Zeitreise" durch die Ausstellungen von 1977, 1987 und 1997, ihre Werke, Entstehungs- und Rezeptionskontexte

Ziele: "Konservierung" zeitlich begrenzter Kunst-Ereignisse, Erschließung von Querverbindungen zwischen den Ausstellungen

Andere Lernorte: Stadtraum als Kunstort (Heim-PC)

Multimedia: CD-ROM im Vertrieb des Museums, Internetauftritt

Zielgruppen: MuseumsbesucherInnen

Kooperationen/Vernetzung: /

 

Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe

Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie ist eine teils lokale, teils virtuelle Kulturinstitution - verbunden mit realen Ausstellungen, aber in erster Linie orientiert an Fragen rund um Computer und neue Medientechnik. Es widmet sich den neuen medialen Möglichkeiten, führt Experimentierende der Netzkunst und der bildenden Künste zusammen und begleitet mediale Entwicklungen mit kritischen interdisziplinären Diskursen über die Informationsgesellschaft. Seit 1980 geplant und seit 1997 in einem denkmalgeschützten Gebäude Karlsruhes untergebracht, verbindet das ZKM Ausstellungen und Veranstaltungen, Forschung und Medienproduktion mit Vermittlungsarbeit. Weniger Produkte als Prozesse, Entwicklungen und Diskurse werden präsentiert; interaktive Environments und Skulpturen mit starkem Aufforderungscharakter laden zur Erkundung avancierter Möglichkeiten des Mediengebrauchs ein. Mittlerweile ist das ZKM zum Focus einer Vielzahl von Projekten und Kooperationen geworden; es bietet Veranstaltungen, Führungen, eigene Sammlungen und Links zu anderen Ausstellungen, Diskussionsforen, eine Mediathek ("Open Video Archive") und Querverbindungen zu diversen Forschungseinrichtungen. Sein Forums- und Laboratoriumscharakter betont die Vorläufigkeit des vermittelten Wissens und die Dynamik der gegenwärtigen Medienentwicklung.

Im ZKM sind eine ganze Reihe von Subinstitutionen vereint: u.a. das "Institut für Bildmedien" entwickelt und erprobt neue Bildtechnologien (Graphik, Animation, virtual reality, interaktive Systeme, Speichermedien wie CD und DVD); das "Institut für Musik und Akustik" wendet avancierte Tontechnik auf künstlerische Kompositionen und Produktionen an, das ZKM-Medienmuseum präsentiert Beispiele interaktiver Kunst und konfrontiert diese mit anderen medialen Welten z.B. der PC-Spiele. Erste Erfahrungen mit der selbstgesteuerten Erkundung der innovativen Installationen und Kunstwerke haben zur Verstärkung personal vermittelter Bildungsaktivitäten und der Kooperation mit Weiterbildungseinrichtungen geführt.

Wechselausstellungen nehmen den Grundgedanken von der Verwandlung der Welt durch Medien auf: Im Sommer 2000 etwa setzte sich "Der anagrammatische Körper. Der Körper und seine mediale Konstruktion" mit dem Zerfall des klassischen Schönheitsideals auseinander und demonstrierte anhand von Beispielen aus Malerei (z.B. Francis Bacon), Skulptur, Video und Fernsehen (z.B. TV-Arbeiten Samuel Becketts) "neue Konstruktionen des Humanen". Die Veranstaltungsreihe "Circles" im Winter 2000/2001 untersucht die veränderten Produktions- und Sozialisationsbedingungen bildender Künster, für die netzwerkartige Kooperationszirkel weitgehend an die Stellen von "Schulen" und nur lokal gebundenen Anregungsmilieus treten.

Trotz des allgemein formulierten Anspruchs ist davon auszugehen, dass das ZKM sehr stark Professionelle des Medienbereichs und der bildenden Künste anspricht.

Bildungsangebote: Führungen, Veranstaltungen, Fachtagungen, Workshops

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Präsentation von "Netzkunst" , Gegenüberstellung von künstlerischen und kommerziellen Medienanwendungen

Ziele: "Gestaltung der Informationsgesellschaft" mit künstlerischen Mitteln

Andere Lernorte: -

Multimedia: Experimentieren mit allen neuen Medientechniken, "Ausstellung" von Anwendungsexempeln

Zielgruppen: vor allem MedienkünstlerInnen und -produzierende

Kooperationen/Vernetzung: mit Forschungsinstituten (Institut für Bildmedien, Institut für Musik und Akustik ...), Staatliche Hochschule für Gestaltung, Kunstmuseen aller Art, Medien- und PC-Unternehmen, Bildungseinrichtungen

 

Geschichtsmuseen, Gedenkstätten, Geschichtsprojekte

Das Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und
"LeMO" – das lebendige virtuelle Museum Online

Als das Bonner Haus der Geschichte im Jahr 1994 der Öffentlichkeit übergeben wurde (die Planungen hatten sich über 10 Jahre erstreckt), stand zunächst die Bewertung und Würdigung der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte im Vordergrund. Das Museums-Projekt war wissenschaftlich und politisch umstritten, denn es wurde vielfach vermutet, hier wolle sich die seit 1982 regierende CDU eine Art Denkmal setzen. Kontroversen um die Historiographie haben sich inzwischen – nicht zuletzt durch die Einrichtung einer ostdeutschen Dependance, des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig - gelegt, und die Frage nach dem "Lernort" Museum erhält grössere Aufmerksamkeit. Im Jahr 1995 wurde das Bonner Haus der Geschichte mit dem Museumspreis des Europarates ausgezeichnet und als Modell für andere historische Museen empfohlen.

Das Bonner Haus wendet sich ausdrücklich an ein breites Publikum, es knüpft bei aller Modernität an die ästhetischen Vorlieben und die weiter oben zitierten "lebensweltlichen Vergangenheitsbedürfnisse" einer Bevölkerungsmehrheit an. Inzwischen ist es zum besucherstärksten historischen Museum Deutschlands geworden. Dass der Eintritt entgeltfrei ist, mag außerdem eine vielleicht noch wirksame "Schwellenangst" beim Betreten eines Museums begrenzen. Wer werk- oder feiertags das Museum besucht, erlebt tatsächlich einen generationellen und sozialen Querschnitt. Die Intention des Hauses, Geschichte auf anregende und unterhaltsame Weise zu vermitteln, setzt keine spezifischen Kenntnisse voraus, kann aber, da es sich nicht nur um Struktur- und Politikgeschichte handelt, an je eigenes oder tradiertes Erfahrungswissen der BesucherInnen anknüpfen. Die Initiatoren setzen ausdrücklich auch auf das "Lernen en passant". Um noch vorhandene Distanzen zur genaueren Auseinandersetzung abzubauen, sind "Mitmachprogramme" für Individuen oder informelle Kleingruppen entwickelt worden. "Sie helfen Objekte zu entschlüsseln und sie in einem thematischen Kontext zu erleben. Sie geben Anregungen für selbsttätiges, entdeckendes Lernen und führen hin zu Ausstellungsinhalten. Sie helfen, Ausstellungsstücke im Ausstellungskontext zu begreifen, d.h. vom Alltagsgebrauch abzusehen und den Symbolgehalt zu erfassen". Einzelne "Mitmach"-Hefte beschäftigen sich beispielsweise mit "Augenblicken in der Zeitgeschichte", "Geldgeschichten", "Männer- und Frauengeschichten". Von der Museumspädagogik angesprochen werden neben "Normal"besuchern Kinder und Jugendliche, SchülerInnen, formelle Gruppen wie Vereine, Verbände, Lehrerinnen und Lehrer, MultiplikatorInnen der Erwachsenbildung. Gemeinsam mit dem Deutschen Volkshochschul-Verband konnten "Entwürfe für Projekttage im Haus der Geschichte" entwickelt werden. Auch anderen "Mittler"-Gruppen werden in eigenen Veranstaltungen Konzepte für Projekttage vorgestellt; sie können Arbeitsmappen erhalten und lernen, die Bibliothek und die Mediathek für Bildungskontexte zu nutzen. Diese Angebote werden jährlich von über 50.000 Personen aufgesucht und damit die Möglichkeit der Vertiefung angenommen, indem etwa mit Hilfe elektronischer Medien nationale und internationale Ereignisse eingespielt werden. Seit 1998 ist das Informationszentrum auch mit einer interaktiven Multimediastation ausgestattet, einem sog. "Book of Fame", "an der man in kurzen Videosequenzen Informationen zu Personen abrufen kann, die das deutsche Wirtschaftsleben seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs maßgeblich geprägt haben".

Das Haus der Geschichte hat den Anspruch, Vorreiter in Sachen "neue Lernarrangements" zu sein. Es ist mit allen medialen und interaktiven Möglichkeiten ausgestattet, die Gruppen und Einzelne in vielfältige Settings hineinzuziehen vermögen. Der Begriff "Edutainment" wird hier akzeptiert, wenn nicht gar programmatisch bejaht. Gleich zu Beginn des Rundgangs bietet ein Touchscreen-Monitor im Foyer Informationen über das Museum, über Ausstellungen und Veranstaltungen an. Die Dauerausstellung verfügt über insgesamt 98 Stationen zur interaktiven Nutzung; diese werden nicht als Beiwerk, sondern – nach eigener Aussage – als integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts angesehen. Die große Mehrheit der Besucher nimmt das Angebot an, nur 10% der inzwischen über vier Millionen haben davon keinen Gebrauch gemacht.

Die mediale Vielfalt im Haus der Geschichte ergänzt das, was ‚eigentlich‘ ein Museum ausmacht: nämlich die Exponate. Sie sind nach wie vor das "Pfund", mit dem auch diese Einrichtung wuchern kann und das hier zu besonderen Lernarrangements anregt. Denn im Haus der Geschichte ist das Verhältnis zwischen Teilnehmer/Teilnehmerin und Thema ein bemerkenswertes: Alle Besucher, auch wenn sie im Alter stark differieren, bewegen sich quasi als Zeitzeugen durch die Geschichte der Bundesrepublik hindurch, und die Ausstellung selbst ist in kognitiver wie in emotionaler Hinsicht ein didaktischer Bezugspunkt. Den Exponaten und ihrer spezifischen, mit der Biographie verbundenen Anmutung kommt damit eine "Kettenfunktion" zwischen individuellem Vorverständnis und der Aufnahmebereitschaft für neue Sichtweisen zu. Das Haus der Geschichte eröffnet mit solchen "Zeitreisen" an einem attraktiven Lernort ein Bildungserlebnis besonderer Art. Eine Telefonumfrage brachte folgendes Ergebnis: 60 Prozent der BesucherInnen fühlten sich "gefühlsmäßig berührt", ebenso viele wurden "zum Nachdenken angeregt", und ein Drittel der Befragten antwortet, sie seien zur weiteren Beschäftigung mit Geschichte motiviert worden. Dieselbe Umfrage zeigte auch die Grenzen des Lernens im Museum auf: es falle denjenigen Besuchern schwer, ihr Wissen zu erweitern, "die nicht in der Lage sind, sich über ihre Erlebnisse und Erfahrungen auszutauschen". Kommunikation werde, so der Leiter Hermann Schäfer, als zentrales Medium der Museumsziele angesehen. Beobachtungen in der Dauerausstellung ergäben, dass BesucherInnen stehenblieben und sich über die Generationen hinweg über bestimmte Ereignisse austauschten, beginnend etwa mit der Frage des Enkels: "Wie hast Du das damals erlebt?". Noch einmal Schäfer: "So erweist sich das Museum als offener Lernort, der umso stärker wirkt, wenn er Anstöße zur Kommunikation gibt".

[siehe ergänzendes Material im Anhang!]

Zusammen mit dem Deutschen Historischen Museum und gefördert vom Bundesbildungsministerium, dem Deutschen Forschungsnetz sowie einer Telekom-Tochter hat das Haus der Geschichte zusätzlich eine Ausstellung zur deutschen Geschichte ins Netz gestellt, "LeMO – das lebendige virtuelle Museum Online". Monatlich greifen rund 35.000 Besucher auf 1,2 Mio Seiten zu. Während sich das reale Museum auf die Nachkriegszeit konzentriert, umfasst LeMO die Geschichte des 20. Jahrhunderts und will zu einem selbstgesteuerten Lernerlebnis, unabhängig von der Präsenz im Museum, ermuntern. Hier stellt sich die Frage nach der Allgemeinzugänglichkeit und Nutzung ohne bestimmte Voraussetzungen allerdings anders, denn nur mit guter technischer Ausstattung und überdurchschnittlicher Medienkompetenz lässt sich diese virtuelle Welt in vollem Umfang erschließen. Eine gewisse soziale und generationelle Teilung des Publikums wird damit (vorerst) in Kauf genommen. Auch dieses Projekt öffnet sich begrenzt für subjektive Zeugnisse: Unter dem Etikett "Kollektives Gedächtnis" können eigene Zeitzeugenberichte ins Netz gestellt werden.

Bildungsangebote: vielfältig, meist in Kurzform (Führungen; 1-Tages-Veranstaltungen), Erwachsenenbildung oft in Kooperation mit Trägern

Neue/ungewöhnliche Arrangements: umfassendes Kommunikations- und Medienkonzept

Ziele: Geschichte unterhaltsam und bildend darbieten, zur Selbsttätigkeit anregen

Andere Lernorte: Garten, Kino, Bibliothek, Mediathek

Multimedia: vollständig vorhanden, einschließlich Datenbanken, interaktivem Besucher-Informationssystem, interaktiven Terminals, virtueller Ausstellung

Zielgruppen: "jedermann"

Kooperation Vernetzung: Weiterbildungs-Institutionen, Parteien, Verbände, International Council of Museums (ICOM) und viele andere internationale und nationale Institutionen

 

Topographie des Terrors/Berlin

Die Ausstellung Topographie des Terrors war ein von Bürgerinitiativen anlässlich des 1000jährigen Stadtjubiläums in Berlin 1987 "von unten" durchgesetztes Projekt, mit dem die nationale und internationale Öffentlichkeit auf die dunkle Seite der Stadtgeschichte, die ehemaligen Schaltstellen der Machthaber des Nationalsozialismus rund um das "Prinz-Albrecht-Gelände" gelenkt werden sollte. Ein Container neben dem repräsentativen Gropius-Bau, damals noch hart an der Grenze zu Ostberlin, versinnbildlichte die periphere Platzierung des Anliegens und des Themas ‚NS-Geschichte‘. Aus dem "Projekt" wurde im Laufe der Jahre die Stiftung Topographie des Terrors, und der 1993 vergebene Auftrag für einen Neubau an den Schweizer Architekten Zumthor zeigt, dass sich die Einrichtung inzwischen auf dem Höhepunkt der gesellschaftlichen Anerkennung befindet. Sie ist derzeit, ähnlich wie das Jüdische Museum in Berlin, eine kulturelle Einrichtung "im Werden". Umso stärker nutzt sie die neuen Medien; diese waren zunächst wohl auch teilweise ‚Ersatz‘ für die eingeschränkte Besucherbetreuung und –ansprache bis zur Fertigstellung des Neubaus (Open-Air-Ausstellung als "Notlösung" seit 1997).

Arbeitsmöglichkeiten am Netz sind in der "Topographie des Terrors" vorhanden in Form einer mit vielen Links ausgestatteten Homepage und eines Online-Forum für Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus - eine "Kommunikations- und Diskussionsplattform" mit unzähligen beteiligten Einrichtungen und Einzelpersonen. Die Einrichtung nimmt mit diesen Möglichkeiten, aber auch mit traditionellen Formen wie Studienreisen und Seminaren sowie durch die Herausgabe des zweimonatlich erscheinenden "Gedenkstättenrundbriefs" eine Fortbildungsfunktion für MitarbeiterInnen in Gedenkstätten, Museen, für PädagogInnen und Studierende wahr und spielt damit eine herausgehobene Rolle im Spektrum der bundesdeutschen Gedenkstätten.

Im neuen Haus wird wissenschaftlich interessierten und selbstbestimmt arbeitenden Besuchern eine Fülle von Sammlungen, von Datenbanken und nicht zuletzt eine umfangreiche Bibliothek offeriert. Es ist eine "EDV-Station mit zahlreichen Nutzerplätzen" vorgesehen. Darüber hinaus bleiben "Besuchergruppen" und "Besucher" in der Ansprache abstrakt, wenn auch gruppenspezifische Beratung und Begleitung durch die Ausstellung selbstverständlich angeboten werden. Dem "Lernort" fehlt (zumindest in den Ankündigungen und Selbstdarstellungen) eine Ausfächerung, die zwischen Jugendlichen, Erwachsenen, Senioren unterscheidet und "maßgeschneiderte" Angebote nicht nur unterbreitet, sondern diese auch reflektiert und der pädagogischen Diskussion zugänglich macht. Besuchergruppen der Polizei und der Bundeswehr werden zwar wegen besonderer Wünsche "hinsichtlich der Führung und der anschließenden Diskussion" erwähnt. Worin aber die Besonderheit dieser Gruppen besteht, wird nicht erläutert. Solche Reflexion scheint den Kooperationspartnern, den Schulen, Volkshochschulen, Gewerkschaften, Kirchen usw. überlassen zu bleiben.

Über die soziale Herkunft, die beruflichen Hintergründe und spezifischen Interessen der inzwischen über zwei Millionen BesucherInnen der Ausstellung ist wenig bekannt. Thomas Lutz, Leiter des Gedenkstättenreferats der Topographie des Terrors, konstatiert ein Defizit. Er versuche in der pädagogischen Arbeit sowohl dem eher wissenschaftlich-historiographischen Anliegen der Institution als auch den vielfach emotionalen Erwartungen der BesucherInnen gerecht zu werden.

Bildungsangebote: Seminare, Studienreisen, Fortbildungen für GedenkstättenmitarbeiterInnen, Arrangements des selbstbestimmten und selbsttätigen Lernens

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Diskussionsforen im Internet

Ziele: Aufklärung über die Schaltzentrale des Nationalsozialismus, Information, Beratung für Gruppen von Lernenden

Andere Lernorte: Freigelände/Open-Air-Ausstellung

Multimedia: Homepage, Terminals mit Nutzerarbeitsplätzen im Bibliotheksbereich, CD-Rom, Datenbanken

Zielgruppen: internationale Gruppen, PolizistInnen, Bundeswehr-Angehörige.

Kooperation/Vernetzung: Zentrum der Vernetzung von Gedenkstätten und Erinnerungsorten in der Bundesrepublik, Zusammenarbeit mit örtlichen und überörtlichen Bildungseinrichtungen, gesellschaftlichen Gruppen, internationalen Organisationen.

 

Villa ten Hompel/Münster

Die Villa ten Hompel war von 1940 bis 1945 Sitz des Befehlshabers der Ordnungspolizei für den sog. Wehrkreis VI und damit ein herausgehobener "Schreibtischtäterort" im Rheinland und in Westfalen. Nach langjährigen, parteipolitisch gefärbten Auseinandersetzungen wurde 1999 im Stadtparlament beschlossen, eine ständige Erinnerungs-, Forschungs- und Bildungsstätte zum Polizei- und Verwaltungshandeln im 20. Jahrhundert einzurichten; die Villa ten Hompel gehört dem Zusammenschluss der Gedenkstätten in NRW an. Ihre Dauerausstellung soll zwar erst im Frühjahr 2001 eröffnet werden, gleichwohl spricht sie schon jetzt mit einer Wechselausstellung zur Praxis der Finanzbehörden im Nationalsozialismus und vielfältigen Arbeits- und Aneignungsmöglichkeiten die allgemeine, nicht nur Münsteraner Öffentlichkeit an. Diese Einrichtung lässt im Aufbau ihrer Hompage wie in ihren Einzelangeboten (erwachsenen-)didaktische Phantasie und Kompetenz erkennen. Sie versteht es, unterschiedliche Besucher ihrer Internet-Seiten neugierig zu machen auf die "tieferen Schichten" des Hauses wie auf aktuelle Bildungsangebote. Von einer "mahnenden" Diktion hat sich die Präsentation gelöst, es heißt dort: "Professionell und multimedial. Bei allem Bezug zur Historie – die Villa präsentiert sich heute als offener Lernort und funktionstüchtige Tagungsstätte. Moderne Technik, eine multimediale Ausstattung und angemessene Räumlichkeiten sind der Rahmen für historische, pädagogische, didaktische und kommunikative Angebote". Die Einrichtung verfolgt in ihrer pädagogischen Arbeit den weiter oben erwähnten "Berufsgruppenansatz", d.h. sie adressiert ihre Veranstaltungen und Lernmöglichkeiten an Auszubildende und Beschäftigte bei der Polizei, in Finanzämtern und diversen Verwaltungsberufen. Ein zentrales Ziel ist die Aufklärung und Selbstaufklärung über die Voraussetzung und Konsequenzen von Verwaltungshandeln. Sie wendet sich darüber hinaus an professionelle und Laienforscher, an Schülerinnen und Schüler, an historisch Interessierte. Der Lernort bietet ein Themenrepertoire an – von lokalgeschichtlichen Ereignissen bis zur Entscheidungsethik -, und unterschiedliche Gruppen können direkt auf dem kurzen Weg, telefonisch oder per Internet, eine Veranstaltungsform wählen und ‚buchen‘: beispielsweise Gespräche, Seminare, Erkundungen oder Rundgänge. Seit Frühjahr 2000 nimmt die Villa zudem eine aus den 50er und 60er Jahren stammende Kölner Tradition, die "Mittwochsgespräche", auf; an jedem 1. Mittwoch im Monat wenden sich WissenschaftlerInnen aus dem In- und Ausland mit forschungsorientierten oder aktuell politischen Referaten an die lokale Öffentlichkeit und laden zur Diskussion umstrittener Themen ein.

Die Villa ten Hompel verfügt über zahlreiche Medien, beispielsweise "didaktische Mappen" und "Geschichtskoffer" für die schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, über eine umfangreiche Bibliothek und Aktenbestände. Für das selbsttätige Lernen bietet die Erinnerungsstätte Recherchen zu ihrem Leitthema ‚Ordnungspolizei‘ an, und zwar einerseits am PC, andererseits in der Präsenzbibliothek. Die geplante Dauerausstellung wird eine virtuelle Erweiterung an den Terminals im Haus erhalten – und eröffnet damit eine weitere Lern- und Erfahrungsdimension. Das selbsttätige Lernen regt darüber hinaus ein Gedenkbuchprojekt an: Erwachsene und Schüler/innen können mit Hilfe traditioneller und neuer Medien – und nicht zuletzt durch pädagogische Beratung – die "Patenschaft" für eine Verfolgte/einen Verfolgten des NS-Regimes übernehmen, indem sie das Mosaik seines bzw. ihres Lebens zusammentragen und schriftlich niederlegen. Die Einrichtung setzt auf induktives Lernverhalten ("erst selbst entdecken, dann Rat einholen"). Eine Überlastung der Terminals und des Personals deutet sich aber schon jetzt an, so dass eine zeitliche Strukturierung der unterschiedlichen Angebote und Arbeitsmöglichkeiten erwogen wird.

Zur pädagogisch und wissenschaftlich verstandenen Zielgruppenarbeit sollen in nächster Zeit auch Projekte mit älteren Erwachsenen gehören ("Leute, die Zeit haben"); diese könnten sich über einen längeren Zeitraum mit vorhandenen, ungeordneten Quellenbeständen befassen und biographische Spuren verfolgen. Solche Bildungsangebote, so die Erwartung der Mitarbeiter, wären entlastende Zuarbeit und gleichzeitig eine Verlebendigung der Alltagsroutinen in der Erinnerungsstätte.

Relevant für die Veränderungen in dieser Sparte von Kultureinrichtungen ist ein zunehmender Zwang zur Ökonomisierung. Zukünftig soll in der Villa ten Hompel zwischen Kooperationspartnern und Fremdnutzern deutlicher unterschieden werden; die Einrichtung wird Erträge erwirtschaftlichen müssen und daher ihre Dienst- und Infrastrukturleistungen in Rechnung stellen.

[s. ergänzendes Material im Anhang!]

Bildungsangebote: Führungen, Seminare, Tagesveranstaltungen, "Mittwochsgespräche"

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Geschichtslehrpfade im Stadtviertel

Ziele: Forschendes, selbsttätiges Lernen im lokalen Raum – individuell und in Gruppen

Andere Lernorte: Stadtteil und weiterer Stadtraum, Stadtarchiv

Multimedia: Homepage, PC-Terminals

Zielgruppen: Berufsg

ruppen der Polizei, der Verwaltung, Gewerkschafter, Jugendliche, SchülerInnen

Kooperation/Vernetzung: Mitglied Arbeitskreis NS-Gedenkstätten, VHS, Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Justizakademie, örtliche und bundesweite Kooperationen

 

S. Sigurdssons "Offene Archive" und
"Deutschland - ein Denkmal - ein Forschungsauftrag"

In mehreren Städten der Bundesrepublik hat die Hamburger Künstlerin Sigrid Sigurdsson sogenannte Offene Archive errichtet, die die Bevölkerung zur schriftlichen Erinnerungsarbeit in einem öffentlichen Kontext auffordern. Sie kreiert Räume und möblierte Environments, die an Archive gemahnen (Schränke, Archivschachteln), aber der Füllung durch individuelle Berichte (meist zu einem bestimmten Themenfocus) bedürfen; die Inszenierungen sind jeweils auf längere Zeiträume angelegt und sollen die Statik konventioneller Archive aufbrechen. Eine Vielzahl von AutorInnen soll auf diesem Weg eine multiperspektivische Sicht auf Vergangenes niederlegen und zur Diskussion stellen; im Zentrum ihrer Arbeit stehen dabei die thematischen und örtlichen "blinden Flecke" der NS-Geschichte. Sigurdsson versteht ihre Arbeit als künstlerische Reaktion auf die oft behauptete "Nichtdarstellbarkeit" des nationalsozialistischen Völkermords.

Seit Mitte der 80er Jahre experimentierte sie mit einem Raum "Vor der Stille" im Hagener Karl-Ernst-Osthaus-Museum. Die ersten Erfahrungen eines thematisch umgrenzten Projekts sammelte sie 1995 mit einer offenen Recherche über die Evakuierungsmärsche aus dem KZ Stutthof 1945 - heute Bestandteil einer Ausstellung in Gdansk. Aus kommunalen Konflikten um den "Volkstrauertag" entwickelte sich in Braunschweig ein Wettbewerb um eine Gedenkstätte für braunschweigische KZ-Außenlager-Häftlinge. S. Sigurdsson gestaltete 1997 die Gedenkstätte Schillstraße zu einem offenen Erinnerungsraum - nach Aussage des Hagener Museumsleiters M. Fehr "ein besonderes Denkmal, weil es ... das schreckliche Geschehen in der Tat ins Bewusstsein holt und im kollektiven Gedächtnis zumindest dieser Stadt verankern wird." Am Ort des heute nicht mehr sichtbaren Lagers luden und laden zweihundert leere Tafeln mit der Aufforderung "Braunschweig - eine Stadt in Deutschland erinnert sich" zu Erinnerung, Dialog und Kontroverse über das Kapitel "Zwangsarbeit und KZ-Häftlinge in Braunschweig" ein; darüber hinaus erhielten 50 Institutionen und Einzelpersonen eine Kassette mit leeren Blättern und der gleichen Aufforderung. 1988 sind Resultate in einer Ausstellung gezeigt worden; bis zum Jahr 2000 wurden 50 der Tafeln mit ausgewählten Texten des Offenen Archivs beschriftet. Mittlerweile umfaßt das weiterhin wachsende Archiv ca. 70 Erinnerungskassetten - von Individuen und von Jugendorganisationen, Parteien, Firmen, kirchlichen Einrichtungen und Religionsgemeinschaften, Kultur- und Justizeinrichtungen; ihr Inhalt ist über die öffentlich zugänglichen Metalltafeln hinaus in einem Leseraum verfügbar.

Die Institution wurde von der Stadt Braunschweig mittlerweile an einen Verein "Arbeitskreis Andere Geschichte" übergeben, der Archiv, Führungen und pädagogische Angebote organisiert.

Gelegentlich verzichtet die Künstlerin auf jegliche thematische Eingrenzung dieses Settings: Im Historischen Museum Frankfurt/M. wurde beispielsweise ein Schrank aufgestellt, der zur "´Bibliothek der Alten" werden soll, indem Einzelpersonen Rückblicke auf das 20. Jahrhundert dort niederlegen - mit Namensnennung oder anonym. Als Anregung zur Lektüre oder zu eigenen Beiträgen sind in diesen Räumen also Berichte, Dokumente, Photographien, Briefe, Karten, Zeichnungen und Drucksachen zu finden, so "daß zumindest eines dieser Stücke die Interessen und den Erfahrungshorizont der Besucher trifft ... So füllt sich dieser Raum unversehens mit einer Vielzahl von Stimmen, hört man die Sprache der Väter und die Stimmen der Mütter oder erkennt an einer unbeholfenen Zeichnung das Schicksal eines verlorenen Kindes."

In Zusammenarbeit mit dem Karl-Ernst-Osthaus Museum in Hagen realisierte Sigrid Sigurdsson ab 1996 (in Reaktion auf den Wettbewerb für ein Holocaust-Denkmal) ein Verbundprojekt, in dem sich lokales Kunstwerk, virtuelles Kunstwerk und eine Internet-Datenbank ergänzen. Mit wissenschaftlicher Unterstützung durch Hochschuleinrichtungen, das Münchner Institut für Zeitgeschichte und einige große Gedenkstätten erarbeitete sie eine Landkarte "sämtlicher nationalsozialistischer Verbrechensorte" in Deutschland, d.h. sie vermerkte auf einer Karte von 1941 die Orte aller nationalsozialistischen Lager und Haftstätten, um Ausmaß und Intensität des Terrorsystems zu verbildlichen; auf ihrer Basis sollen allmählich von BürgerInnen, Zeitzeugen und Historikern die dazugehörigen Fakten zu einem neuartigen Mahnmal zusammengetragen werden. "Erinnerung allein ist noch keine erforschende Rekonstruktion der Vergangenheit, erst in der Gegenüberstellung beider, Erinnerung und Geschichte, entsteht ein Bild, ein Beitrag zum Ganzen. Angebunden an die auf der Karte markierten Orte könnte sich die Erinnerung erneut entzünden und Anlass geben, einen persönlichen oder wissenschaftlichen Beitrag zu leisten und diesen dann dem entsprechenden Ort zuzuschreiben." Diese Karte ist im Hagener Museum und mit ca. 3.700 Seiten im Internet ausgestellt; sie soll zukünftig im Zentrum einer anderswo auch real erstellten "Architektur der Erinnerung" stehen, an das sich Datenbanken, Offene Archive, Handbibliothek mit Leseaal etc. angliedern könnten. Bereits jetzt ist auch eine lokale Installation in der im Jahr 2000 neu errichteten Dokumentationsstätte Obersalzberg zugänglich.

Die bislang erstellte Datenbank stützt sich im Wesentlichen auf die zeitgeschichtliche Forschung. Über die reichsweite Deutschlandkarte lassen sich einerseits verschiedene Zeitschichten des NS-Lagersystems (jahresweise) erschließen, andererseits in einer verfeinerten Darstellung auf mehr als 500 Detailkarten regionale und lokale Spezifika erkunden. Vorhanden sind Suchmöglichkeiten nach Orten und Lagerkategorien (Konzentrationslager, Jugendschutzlager, Arbeitserziehungslager ...). Zu den einzelnen Lagern finden sich Informationen über ihre geographische Lage, Daten zu Errichtung und Schließung, ihre hierarchische Einordnung, Häftlingszahlen, Beziehungen zu Firmen (womit ein Bezug zum aktuellen Thema "Zwangsarbeit" hergestellt ist) und Literaturverweise. Bereits jetzt werden weitere Kontexte durch Links zu Gedenkstätten und Web-Projekten über den Nationalsozialismus angedeutet. Damit sind für die auf diesem Gebiet Forschenden wenig Neuigkeiten präsentiert (die aktuelle Forschungslage wird möglichst eingearbeitet); dem nicht an Institutionen oder Geschichtswerkstätten gebundenen Interessierten wird aber ein erstaunlicher Einstieg in die Spurensuche bestimmter Regionen, z.B. seiner Heimatstadt, an die Hand gegeben.

Die Sigurdssonschen Arrangements sind den Imperativen einer demokratisierenden Geschichtskultur verpflichtet: die Produktion eines "kollektiven Gedächtnisses" der Bundesrepublik sieht sie als kommunikativen Prozess, der "von unten", nicht nur durch ExpertInnen etwa der Historiographie, zu entwickeln ist. Die von ihr geschaffenen Räume intendieren Gegensteuerungsversuche zu "kontrollierten" und zentralisierten Archiven und monologischen Geschichtsbildern gemeint. Von der Kombination modernster und geradezu archaischer Techniken geht offenbar eine Anregung aus, die eher Reflexion als vordergründige Betroffenheitslyrik hervorbringt. Allerdings steht die pathetische Gebärde der Offenheit in einem gewissen Spannungsverhältnis zur ebenso pathetischen Feststellung "blinder Flecken", verweigerter Erinnerung und eines entsprechenden Nachholbedarfs ("Krankheit des Schweigens"); Berichte über zu vermutende praktische Reibungen zwischen den partizipatorischen und den nachgerade "umerziehenden" Intentionen der Künstlerin liegen nicht vor.

[siehe ergänzendes Material im Anhang!]

Bildungsangebote: Gesprächskreise, Führungen, Seminare (in Braunschweig)

Neue/ungewöhnliche Arrangements: reale und virtuelle Anregungsräume für Erinnerung, Reflexion, schriftliche Mitteilung, Gespräche und Forschung

Ziele: Vergegenwärtigung vergessener und verdrängter Teile der (nationalsozialistischen) Geschichte, Verbindung individueller Erfahrung mit Geschichtsdiskursen, Gedenkritualen, Forschung und bildender Kunst

Andere Lernorte: Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken, Archive, Internet

Multimedia: Verknüpfung von lokalem und virtuellem Denkmal, Integration von Kunstwerk und Datenbank-Projekt

Zielgruppen: erinnerungsbereite und mitteilungswillige (vor allem ältere) ZeitzeugInnen

Kooperationen/Vernetzung: Gedenkstätten/Kunstmuseen/Forschung

 

Weitere Themenmuseen

Aquarius Wassermuseum

Ein alter denkmalgeschützter Wasserturm und Wahrzeichen Mülheims beheimatet seit Anfang der 90er Jahre ein Wassermuseum. Den BesucherInnen bietet es Beschäftigung mit dem Element Wasser auf verschiedene Weise und nach mehreren inhaltlichen Gesichtspunkten: naturwissenschaftlich-technisch, historisch, soziologisch, geographisch, ökologisch, wirtschaftlich, auch künstlerisch: ein Bach wurde aus Bildschirmen zusammengesetzt und durch Klanginstallationen unterstützt.

Die Platzprobleme, das Gebäude ist ein enger hoher Turm mit geringer Geschossfläche, machten unter anderem ein Präsentationskonzept nötig, das neue Wege beschritt: Der Einsatz interaktiver Medien als Ersatz für den Originalstoff war bei der Konzipierung Anfang der 90er Jahre ein neues Vorhaben, das viel öffentliche Beachtung und fachliches Lob fand.

Die Besucher nehmen den Weg von oben nach unten und finden in den Geschossen Stationen und Terminals, die mit einer Magnetkarte aufgerufen und individuell durch Berühren der Bildschirme oder durch Joysticks gesteuert werden. Kinder können an einem Wettbewerb teilnehmen und bis zu hundert Punkte an den jeweiligen Terminals sammeln.

Es sind 25 Multimedia-Stationen vorhanden, die die folgenden 14 Themenbereiche behandeln: Wasserbehälter, Ruhrlandpanorama, Aquasphäre, Element Wasser, Quelle, Ökosystem Fließgewässer, Treffpunkt Brunnen, Wasser und Industriegeschichte, Ruhrland im Wandel, Talsperre, RWW (Rheinisch-Westfälisches Wasserwerk) - ein Lebenslauf, unser Trinkwasser, gebrauchtes Wasser, das Ökospiel.

Dass auf die Eigentätigkeit der BesuchererInnen, auf spielerische Aneignung gesetzt wird, zeigen auch die folgenden pädagogischen Überlegungen aus den Museumsinformationen: Das Museum will "Wissen über Wasser vermitteln. Es will mit Geschichten, Bildern, Erlebnissen und moderner Technik zum eigenen Entdecken der Wasserwelt anregen. Nur wer mitmacht, kann die Ausstellung zum Leben erwecken und ihr Geheimnisse entlocken. Nur wer aktiv wird, kann - mal humorvoll, mal spannend, mal nachdenklich - erkennen, welche Bedeutung Wasser für unsere Welt hat."

Die Architektur, das Multimedia-Konzept und die Ausstattung wurden seinerzeit, Anfang bis Mitte der 90er Jahre, mit viel internationaler Anerkennung und mehreren Preisen bedacht, die Präsentationsinfrastruktur ist aber - auch das ein größer werdendes Problemfeld - mittlerweile technisch veraltet und die bildlichen Inszenierungen bleiben hinter den heutigen Möglichkeiten eines Computerspiels zurück. Hier zeigt sich eine wichtige Erfahrung und eine zum Teil noch nicht gelöste Schwierigkeit, denn eine ständige Anpassung an neue technische Möglichkeiten, wissenschaftliche Erkenntnisse und Nutzerbedürfnisse ist geboten, jedoch aufwendig und teuer - das ist leider das Risiko einer vor allem technikgestützten Präsentation.

Eine weitere kritische Anmerkung muss zu den bedingten Besucherkapazitäten gemacht werden, denn aufgrund der beschränkten Anzahl von Terminals und Zugangsmöglichkeiten, die jeweils für eine gewisse und zum Teil auch ausgedehnte Zeitspanne individuell genutzt werden, kann das Museum nur eine doch sehr eingegrenzte Besucherzahl verkraften.

Schließlich muss auch auf die Grenzen einer solchen Multimedia-Inszenierung hingewiesen werden, denn die spezifische sinnliche Faszinationskraft des Originalstoffs Wasser ist nur bedingt durch mediale Inszenierung zu ersetzen.

Das engere Veranstaltungsangebot des Aquarius beschränkt sich auf Führungen für Schulklassen und Erwachsenengruppen. Die Trägerorganisation ist ein Unternehmen, das Rheinisch-Westfälische Wasserwerk, und dieses bietet ein breit gespanntes Bildungs- und Fortbildungsangebot für Kinder, Erwachsene, Familien, Schulklassen (differenziert nach Schultyp und Stufe), ErzieherInnen, LehrerInnen an, das zum Teil im Aquarius, zum überwiegenden Teil in einer anderen in der Nähe gelegenen Vermittlungsinstitution des RWW, dem Haus Ruhr-Natur, einem naturkundlichen Wassermuseum auf einer Ruhrinsel, stattfindet. Außerdem betreibt das RWW ein Info-Mobil, das vor Ort eingesetzt werden kann; daneben gibt es auch Exkursionen, Kanu- und Fahrradwanderungen, Projektwochen und Erlebnisgeburtstagsfeiern.

Die Angebote haben in der Regel einen hohen praktischen und handlungsorientierten Anteil und sind thematisch weit gespannt. Da der Aquarius auch eine Station der "Route der Industriekultur" (s. unten) ist, wird die Orts- und Regionalgeschichte neben den wasser- und naturkundlichen Aspekten besonders berücksichtigt.

Die gemeinsame Homepage von RWW , Aquarius-Wassermuseum und Haus Ruhr-Natur informiert eingehend über Träger, Museumsorte und Angebote, geht aber nicht wesentlich über den gegebenen materiellen Rahmen hinaus.

Bildungsangebote: umfassendes Begleitangebot zusammen mit einer nahegelegenen "Schwester-Einrichtung"

Neue/ungewöhnliche Arrangements: multimediale Ausstattungen und künstlerische Installationen als Teil des Museumskonzeptes

Ziele: eine erlebnisorientierte Aneignung des Themas Wasser in allen relevanten Dimensionen

Andere Lernorte: Orte der Geschichte und Natur im Rahmen von Exkursionen

Multimedia: Multimedia: interaktive Installationen, PC-Simulationen, "Multivision"-Bildschirme, Video-Installationen, Quiz mit Chipkarten, umfangreiche Homepage des Trägers RWW

Zielgruppen: Schulklassen, Lehrer- und Erzieherinnenfortbildungen

Kooperation/Vernetzung: in der pädagogischen Arbeit eng verwoben mit dem Haus Ruhr-Natur, einem naturkundlichen Museum des gleichen Trägers

 

Deutsche Arbeitsschutz-Ausstellung (DASA)

Die Deutsche Arbeitsschutzausstellung (DASA) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund - von den fachlich Verantwortlichen lieber unter dem Motto "Mensch - Arbeit - Technik" präsentiert - gibt auf 13.000 qm Ausstellungsfläche einen Einblick in die Arbeitswelt und die täglichen Gefahren und Belastungen durch Arbeit. Es ist also ein Museum der Arbeit, in dem auch historische Entwicklungen thematisiert werden, in dem es aber vor allem um die gegenwärtigen Organisationstrukturen, technischen Ausstattungen und gesundheitlichen Gefährdungen geht; damit rückt der Bildungs- und Aufklärungsaspekt besonders in den Vordergrund: Aus den 70er-Jahre-Debatten um die "Humanisierung der Arbeit" entstanden (1983 eröffnet und 2000 fertiggestellt), hat die Ausstellung in den vergangenen Jahren Erscheinungsbild, Setting und "Lernziele" leicht modifiziert - von der klassischen und fachlichen Arbeitsschutz-Orientierung an Gefährdungen und "defensiver Prävention" hin zu anthropologisch fundierten Fragestellungen und zu Konzepten der Gestaltung von Arbeit. "Eine bildungsaktive Einrichtung" nennt bereits der Einrichtungserlass von 1980 die DASA und verpflichtet sie auf Wege des exemplarischen und anschaulichen Lernens, des Lernens durch Handeln und Erleben und das "Erzeugen von Betroffenheit". Im Kurz-Katalog ist sie ebenfalls als "erlebnisreicher Bildungsort" charakterisiert. "Anfassen. Mitmachen. Erleben. Einsteigen. Starten. Abheben. Neue Perspektiven gewinnen. Überall in der DASA: Immer mittendrin statt außen vor" heisst es an anderer Stelle , und das ist nicht zuviel versprochen, denn mit ihrer modernen Ausstellungsdidaktik, die es den Besuchern und Teilnehmenden immer wieder ermöglicht, selbst etwas auszuprobieren und zu tun, kann die Ausstellung als Beispiel gelungener Handlungsorientierung gelten .

Die frühzeitige und nachhaltige Berücksichtigung pädagogischer Überlegungen führt nicht etwa zu didaktischen Gängelungen und "Einbahnstraßen"; ein akustisches und ein visuelles Orientierungssystem durch künstlerische Bodenreliefs zeigen "Hauptwege" durch die Räume und Arrangements - die Ausstellung erschließt sich aber auch schaulustigen Flaneuren, die eigene Wege gehen. Ein "automatisierter" Ausstellungsbesuch soll gemäß der DASA-Programmatik vermieden werden - in den Worten des Direktors der DASA: "Ein mündiges Publikum will nicht 'indoktriniert' werden. Bewußtseinsbildende Ausstellungen haben nämlich eine belastete Tradition. .... Staatliche Ausstellungen in demokratischen Gesellschaften tun heute gut daran, Bewußtseinsbildung von derartigen Beeinflußungen fernzuhalten. Nicht fertige Lernziele, sondern didaktische Ansätze, sinnvolle Angebote von ganzheitlichen Erfahrungen können eine Grundlage für bewußtseinsbildende Ausstellungen schaffen."

In 10 Themeneinheiten und Präsentationszonen werden die wichtigsten Erfahrungsbereiche der Arbeit ausgebreitet, sie können in dieser Darstellung nur kurz gestreift werden: Bildschirmarbeit, Sicherheit am Bau, Im Takt der Maschinen, Medien, Neue Arbeitswelten und Lebensraum Arbeit, Gefahrstoffe und Gesundheitsschutz im Elektrobereich, Transportieren, Heilen und Pflegen, Schichtarbeit am Beispiel Stahlindustrie und Kampf um eine bessere Arbeitswelt. Zu diesen Bereichen sind jeweils Arbeitsumgebungen, historische Sachzeugnisse mit einer gewissen Aura, modernste Stationen der Entwicklung, Bilder und Filmausschnitte sowie begleitende Informationen zu Sozialgeschichte und Professionsentwicklung in schriftlicher Form angeboten. Großen Wert legen die AusstellungsmacherInnen auch auf eine bewußte ergonomische Gestaltung klassischer "Medien" - z. B. von "Wandtafeln, die jeder lesen kann".

Die Dramaturgie der einzelnen Themenblöcke führt von "Einstimmungszonen" über Vertiefungsangebote zu "Studienzonen", die mittels "Studienmodulen" (Mediatheken) Einblicke in wissenschaftliche Fragen und Problemlösungen erlauben. Die Exponate präsentieren sich nicht als distanzierte Objekte sondern als Gebrauchsgegenstände, deren Sinn, Nutzen und Gefahren nicht nur schriftlich erläutert werden, sondern eben vom Besuchern selbst praktisch geprüft werden können mit fachkundiger Unterstützung anwesender MitarbeiterInnen. In "Erfahrungszonen" soll "das Thema durch Erleben und sogar 'Erleiden' bewußt" gemacht werden. Dabei wird eine Konkurrenz der Sachzeugnisse mit den Medien zu vermeiden versucht - die Attraktivität der "Hands-On" genannten Modelle durch eigenes haptisches Begreifen von Kräften, Vibrationen, Körperhaltungen und Bewegungsabläufen steht im Zentrum der Inszenierungen.

Die Ausstellung formuliert den Anspruch, "mit dem Verstand zugleich das Gefühl und die Gesamtheit der Sinne anzusprechen"; sie löst diese Zielsetzung ein durch eine Vielzahl möglicher Seitenwege, die assoziativ an die Themenblöcke angelagert sind: Kunstwerke und sogenannte "Elementarräume", die eine sinnliche und meditative Annäherung an psychische und soziale Aspekte von Arbeit und Arbeitsfähigkeit ermöglichen, die selbstgesteuerte oder durch "Vorführer" angeleitete Erprobung von Techniken und Maschinen (zum Beispiel: "Endoskopie" oder modernste interaktive Multimedia-"Werkbänke"), szenische Inszenierungen von Arbeitsvergangenheiten, Wechselausstellungen und sog. Hör-Schau-Spiele. Die letztgenannten sind über mehrere Räume sich erstreckende Environments, die die BesucherInnen von einem Hörspiel angeleitet durchschreiten; unter Mitwirkung namhafter Autoren (z.B. Erasmus Schöfer) werden hier beispielsweise Grenzsituationen der Pflege- und Heilberufe durch biographische Illustration und Konkretisierung verdeutlicht. Ausdrücklich vermieden werden in der gesamten Ausstellung "blutrünstige" Horrorszenen und all jene Signale, die den Arbeitsschutz als bürokratisch-engstirnige Angelegenheit abstempeln könnten.

Das aufwendig-vielperspektivische Setting hat einen Aspekt, der nicht verschwiegen sei: die kostenintenive und störanfällige Technik. Eine ganze Reihe von Räumen, Funktionen, Geräten bedarf so häufiger Stilllegung und Reparatur, dass die genannten Qualitäten sich häufig nur unvollständig präsentieren.

Es gibt ein sehr ausdifferenziertes Begleitangebot und Begleitmaterial für die jeweiligen Zielgruppen: seien es junge Schüler, Jugendliche, die demnächst einen Beruf ergreifen oder eine Berufsausbildung beginnen, Auszubildende, Studierende, Facharbeiter, Spezialisten für Arbeitssicherheit, WissenschaftlerInnen, allgemein Interessierte. Alle Inhaltsbereiche können thematisch im Rahmen von Spezialführungen vertieft werden. Für die nähere Zukunft sind vermehrte Angebote für Familien und die Kooperation mit Bildungseinrichtungen geplant.

Die Resonanz des Angebots ist besonders angesichts dieser Mischung sehr unterschiedlicher Gruppen hervorzuheben: im Jahre 1998 konnte die DASA ihre BesucherInnen-Zahlen um 45 % gegenüber dem Vorjahr steigern, 1999 wurden nach einer nochmaligen Steigerung 154.000 Personen gezählt. Für den Zeitraum 1995 bis 1998 wurde ermittelt, dass der Anteil des sog. Fachpublikums 27,8 % beträgt, 33,9 % der Besucher aus Schulen und Ausbildungskontexten stammen und 38,4 % "allgemeines Publikum" sind. Eigene Evaluationsstudien verweisen darauf, dass die Ausstellung überwiegend als "lehrreich und unterhaltsam" beurteilt wird.

[siehe ergänzendes Material im Anhang!]

Bildungsangebote: Besichtigungen, Führungen, Rallyes, Erkundungsprojekte, Kongresse und Fachtagungen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: zentral gesteuertes auditives Besucherinformationssystem (in drei Varianten) , sinnlich-entdeckendes und praktisches Lernen überall im Ausstellungsarrangement möglich, "Vorführungen" und interaktive Erlebniswelten, Kunsträume und biographisch-literarische Inszenierungen als Kontrapunkte

Ziele: die heutige Arbeitswelt mit ihren Problemen und Gefahren anschaulich darstellen und damit die Sensibilität und Wahrnehmung für die eigene Arbeitsumwelt schärfen, Werthaltungen für Arbeitsschutz, Gesundheit, Menschenwürde stärken

Andere Lernorte: -

Multimedia: multimediale Präsentationen und Anwendungsmöglichkeiten in allen Ausstellungsbereichen, Begleitung im Internet mit Informationen, Querverweisen und weiteren Ermöglichungen

Zielgruppen: Fach- und allgemeines Publikum, Führungen und andere Begleitangebote deutlich nach Alters- und Berufsgruppen spezifiziert

Kooperation/Vernetzung: Berufsschulen, Berufsverbände, Vereine und freie Bildungseinrichtungen

 

Heinz Nixdorf-MuseumsForum Paderborn

Das Nixdorf MuseumsForum in Paderborn hat zum Ziel, die Geschichte des Computers und der Informationsverarbeitung zu zeigen. Das 1996 in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Nixdorf AG eröffnete Museum ist durch den Computer-Unternehmer Heinz Nixdorf angeregt und durch eine von ihm begründete Stiftung realisiert worden. Der Name verweist darauf, dass das Haus neben der Präsentation von Exponaten auch ein Diskussionsforum über die sozialen, privaten, politischen etc. Folgen der neuen Technologien bieten soll; daher stehen neben 6.000 qm Ausstellungsflächen auch großzügige Seminar- und Tagungsräume sowie Medienlabors für Gruppenarbeit zur Verfügung.

Auch dieses Museum lädt unter dem Stichwort "Zeitreise" zu selbstständigen und angeleiteten Erkundungen ein: Die eigentliche Ausstellung zeigt - in 5 Phasen gegliedert - die Entwicklungs- und Kulturgeschichte informationsverarbeitender Systeme und Maschinen von den frühesten mesopotamischen Schriftzeugnissen bis zu den Pionieren des Computerzeitalters; die Anwendungen der letzten Jahrzehnte und der Gegenwart nehmen ebenso breiten Raum ein. Geräte, Environments, exemplarische Arbeitsplätze laden zu Besichtigung und Erprobung ein; dabei stehen (je nach Gegenstand) mechanische Funktionsmodelle neben der Erprobung neuester Software, Vitrinen mit klassischen Sammlungen (z.B. von Schreibmaschinen) neben biographisch-thematischen Inszenierungen zu den Computerpionieren. Neben der hauseigenen Erstellung aufwendiger und teurer Stationen (bis zu 1 Mio. DM für eine Präsentation) finden sich zahlreiche Beispiele eines "zurückhaltenden", gleichwohl interaktiven Technikeinsatzes: Beim Thema "Handelskontor um 1500" findet sich beispielsweise ein Gemälde von Hans Holbein d. J., das als Touchscreen ausgestaltet ist und durch die Berührung von Gegenständen im Bild (Briefe, Gebrauchsgegenstände) ein Dutzend knapper akustischer Informationsbeiträge abrufbar macht. Auch Vorschläge für zukünftige IT-Gestaltungen werden hier zur Diskussion gestellt - so der Infrastrukturentwurf für ein "elektronisches Klassenzimmer".

Das Veranstaltungsangebot ist bemerkenswert differenziert und ausgefächert nach Formen und Zielgruppen: speziell angesprochen werden u.a. Kinder, Schul- und freie Jugendgruppen, Frauen, Senioren, Reisegruppen, Blinde. An Angebotsformen finden sich sog. "Publikumsveranstaltungen" (zu Einzelfragen neuer Technik und ihrer sozialen Wirkungen), "Aktionstage" als thematisch gebundene, ansonsten aber offene, "marktförmige" Veranstaltungen, sog "Inventorien" für Kinder von 4-10, die exemplarisch-spielerisch in Anwendungsbereiche wie z.B. "Pixelbilder" einführen, daneben eher systematisch angelegte Workshops für die Anwendungen in Textverarbeitung, Video, Internet, Musik sowie Fachtagungen vor allem zu Fragen der Informationstechniken und der Museumspädagogik und -gestaltung. Im Bereich der Führungen finden wir auch hier Tendenzen der Spezialisierung und Differenzierung: nach Themen, Altersgruppen und Spezialinteressen.

Bildungsangebote: "Publikumsveranstaltungen", Aktionstage, Rallyes, "Inventorien", Workshops, Seminare, Fachtagungen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: durchgängig interaktive Angebote, Environments, biographisch-thematische "Kabinette"

Ziele: "Orientierung und Bildung der Menschen in der modernen Industriegesellschaft", Folgen der Informationstechnologien aufzeigen und diskutieren

Andere Lernorte: -

Multimedia: interaktives Besucherleitsystem, Multimedia-Terminals, "elektronische Spielplätze", Medieninseln mit Satelliten-TV-Nachrichten etc., Audiostationen, exemplarische PC-Arbeitsplätze, digitale "Werkbänke", "Softwaretheater", Stereoskopie "virtuelle Fabrik"

Zielgruppen: alle Bevölkerungsgruppen (auch in gezielten Gruppenangeboten, s.o.), Technikinteressierte

Kooperationen/Vernetzung: Bildungseinrichtungen, Vereine, Fachverbände

 

"Synagogen in Deutschland" - eine virtuelle Rekonstruktion

Unter dem aktuellen Eindruck fremdenfeindlicher und antisemitischer Übergriffe (Lübeck 1994) entschloss sich eine Initiativgruppe von ArchitekturstudentInnen der TU Darmstadt, mit Hilfe von Computer Aided Design-Verfahren einige der (zumeist 1938) in Deutschland zerstörten Synagogen virtuell zu rekonstruieren. Auf dem Weg über eine weitgehend verschollene Architektur und am Beispiel von 14 Synagogen wollte die Gruppe den Verlust jüdisch-deutscher Kultur sichtbar machen. Die Bonner Bundeskunsthalle präsentierte - mit Unterstützung des Bundesbildungsministeriums - die Resultate von Mai bis Oktober 2000 - in einer minder elaborierten Form sind die Projektergebnisse im Internet zugänglich. Die Bonner Ausstellung ermöglichte "virtuelle Rundgänge" durch drei Synagogen und bot Video- und Diaprojektionen, Computerausdrucke, zeitgeschichtliche und architektonische Hintergrundinformationen, Zeitzeugeninterviews und einige vor den Zerstörungen bewahrte Originalobjekte. Zwei Computer-Arbeitsplätze, an denen während der Ausstellung die Rekonstruktion der Dortmunder Synagoge Hiltropwall entstand, demonstrierten die Darstellung als "work in progress"; "3sat" strahlte ein begleitendes Feature aus, und mehrere Konzerte boten lebendige Eindrücke von den Traditionen synagogaler Musik. Die Internetausstellung zeigt jeweils mehrere Außenansichten aus der Geschichte der Synagogen, Planskizzen und einen Einblick in die Stadien der Visualisierung von Modellen, Außen- und Innenbildern. Eine Verbindung des Forschungsprojekts mit Bildungsaktivitäten und lokalgeschichtlicher Forschungs- und Aufklärungsarbeit bietet sich an - uns liegen dazu aber noch keine Berichte vor.

Bildungsangebote: Demonstration durch Produktion vor Ort

Neue/ungewöhnliche Arrangements: CAD als Hilfsmittel der Architekturgeschichte und zeitgeschichtlicher Aufklärung

Ziele: Visualisierung von Synagogenbauten als Exempel deutsch-jüdischer Kultur und Thematisierung ihres Verlusts durch die nationalsozialistische Gewalt

Andere Lernorte: -

Multimedia: CAD-Simulationen, Internetarchiv

Zielgruppen: historisch-politisch und architekturgeschichtlich Interessierte

Kooperationen/Vernetzung: TU Darmstadt, Museen, Fernsehen

 

Das Buddenbrook-Haus in Lübeck

Im Juni 2000 ist das traditionsreiche Haus Mengstraße 4 in der Lübecker Altstadt, in dem die Großeltern Mann Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts wohnten, als eine "literarische Inszenierung" auf der Grundlage der Familiensaga Die Buddenbrooks eröffnet worden. Vom Flair eines Stadt- oder Heimatmuseums musste sich diese Einrichtung nicht erst emanzipieren; es hatte in Lübeck zwar eine Erinnerung an die Brüder Thomas und Heinrich Mann (und im Haus seit 1993 eine Gedenkstätte), aber keine museale Aufbereitung gegeben. Im Zentrum dieser neuen Einrichtung steht nun die Verbreitung von Literatur, offeriert als ein "exemplarisches Modell der Literaturvermittlung für das 21. Jahrhundert". An drei literarischen Stationen der Altstadt sind zu diesem Zweck Computerterminals aufgestellt worden: "So können Besucher bereits am Bahnhof auf dem Schirm verfolgen, wie Thomas Mann 1955 nach der Verleihung der Ehrenbürgerwürde aus dem Zug winkt" . Das Haus selbst beinhaltet im Erdgeschoss die Dauerausstellung "Die Manns – eine Schriftstellerfamilie", während der erste Stock mit nachgebauten Zimmern aus den Buddenbrooks als begehbarer Roman gestaltet ist. Auch hier stehen dem Publikum Computerarbeitsplätze zur Verfügung. Forschendes Lernen kann durch die Online-Verbindung zu Mann-Archiven in anderen Städten betrieben werden, Annäherung und Einfühlung eher durch "literarische Fahrradtouren" oder "literarische Spaziergänge", vielleicht auch durch ein Buddenbrook-Menü in einem Altstadtrestaurant.

Das Museum bietet nichtsdestoweniger das klassische Medium der Führung durch beide Ausstellungen an. Die Balance zwischen Unterhaltung und intellektueller Herausforderung, die Thomas Mann seiner schriftstellerischen Tätigkeit zugrunde legte, soll die Arbeit des neuen Hauses leiten. Auch Touristen, die kurz durch die Hansestadt schlendern und vielleicht nur den Namen "Thomas Mann" kennen, könnten, so die Erwartung der Veranstalter, durch die auf sinnliche Eindrücke setzende Inszenierung gewonnen werden.

Dass sich die Einrichtung nicht allein auf ein akademisch gebildetes Publikum beschränken möchte, zeigt die Animation im Internet, die sich allgemein an "lesende" BürgerInnen wendet. Darin heißt es: "Planen Sie einen Ausflug mit Ihrem Lesezirkel? Mit Freunden, mit Verwandten? Suchen Sie ein anspruchsvolles Programm für das nächste Familienfest? Stellen Sie Ihr Wunschprogramm für Gruppen ab 12 Personen im Buddenbrookhaus individuell zusammen. Wählen Sie aus den folgenden Programmpunkten" . Den Besuchern der Internetseite werden nun Führungen, Vorträge, Filme, Dias, Empfänge und Lesungen (Kosten DM 100 bis DM 500) angeboten. Auch ganze "Tagungspakete" lassen sich für weit höhere Beträge buchen. Die museumspädagogische Abteilung scheint darüber hinaus die Adressatengruppe 'Erwachsene‘ nicht eigens im Blick zu haben, während die Ankündigung "Programm für Schulklassen" die Internetpräsentation auffällig durchzieht.

Bildungangebote: Inhouse-Veranstaltungen, "Bildung auf Bestellung", Exkursionen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Annäherung an Literatur virtuell und real; Lesungen, szenische Darstellungen

Ziele: Kenntnisse über "die Manns" erwerben, kulturelle Aneignung im Museum und in der Stadt betreiben

Andere Lernorte: die Stadt Lübeck, Animation am Bahnhof und anderen Plätzen, Ostseebad Travemünde

Multimedia: PC-Präsentationsterminals ("literarische Stationen"), PC-Arbeitsplätze, Onlineverbindung zu Archiven, Datenbanken, Internet-Animation, virtuelle Ausstellung

Zielgruppen: SchülerInnen, sonst unspezifisch von Passanten bis zu Wissenschaftlern

Kooperation/Vernetzung: Archive, Bibliotheken, Tourismus, städtische Kultureinrichtungen

 

Das Neanderthal-Museum

Das Neanderthal-Museum ist - auch nach den Aussagen seines Leiters - ein "Erlebnismuseum", das in ganzheitlicher Weise die Geschichte der Humanevolution erzählt: "Der ganzheitliche Ansatz des Museums versucht, alle Disziplinen, die an der "conditio humana" beteiligt sind, zu Wort kommen zu lassen."

Die ausgezeichnete Museumsarchitektur wurde ein wenig dem New Yorker Guggenheim-Museum nachempfunden, ein oval-spiralförmiger Rundgang führt rampenartig nach oben, dies soll auch eine höhlenartige Atmosphäre erzeugen und den evolutionären Fortschritt der Menschheit symbolisieren.

Das auf 1.200 qm aufbereitete thematische Spektrum der Ausstellung reicht von der Zeit vor 100.000 Jahren bis in die Gegenwart, die Themenkreise lauten: Ein Tal und sein Geheimnis, Eine Reise durch die Zeit, Leben und Überleben, Werkzeug und Wissen, Mythos und Religion, Umwelt und Ernährung, Kommunikation und Medien. "Der legendäre Ort ist Veranlassung, über die Entwicklungsgeschichte der Menschheit zu reflektieren. Deshalb werden nicht nur die Neandertaler und ihre Zeit repräsentiert, sondern die gesamte Entwicklungsgeschichte - von den Anfängen in den afrikanischen Savannen bis in die Gegenwart. Dabei werden biologische und kulturelle Entwicklung zu einem gemeinsamen Erzählstrang verdichtet."

Es werden in der Ausstellung wenig Originale präsentiert, auch der Originalort galt bis vor kurzem als verschwunden, denn die Höhle, in der die Knochen des Neandertalers gefunden wurden, ist mit der gesamten Silhouette des Tals seit Mitte des letzten Jahrhunderts einem Steinbruch zum Opfer gefallen. (An der jüngst wiederentdeckten Fundstelle sind im Sommer 2000 neue Bruchstücke "des" Neandertalers geborgen worden.) Auch deshalb musste man mit modernen technischen, künstlerischen und inszenatorischen Mitteln die Zusammenhänge aufzeigen und erläutern.

Es gibt ein interessantes Besucher-Informationssystem, das auditiv ausgelegt ist, eine akustische Führung, die zu benutzen ist, indem man sich vor mit Wachsfiguren nachgeahmten Lebens- und Alltagssituationen der Steinzeit und anderen Stationen der Menschheitsgeschichte "einstöpselt" und über einen Kopfhörer die gewünschten Informationen erhält. Man kann das Thema also selber wählen und die Informationslänge nach Bedarf steuern. Touch-Screen-Terminals und Filme ergänzen die bisher genannten Darbietungsebenen, Installationen und Exponate.

Der verantwortliche Macher und Leiter des Neanderthal Museums, Gerd-C. Weniger, charakterisiert sein Haus infolgedessen als "ein didaktisches und interaktives Museum"; dies ist auch berechtigt, denn das Gesamtarrangement stellt die Besucher in den Mittelpunkt, ermöglicht selbstbestimmte Zeitrhythmen und fördert aktive Auseinandersetzung auf kurzweilige Art.

Das Neanderthal Museum ist für alle Altersgruppen und auch für alle Bildungsschichten geeignet und hat große Publikumserfolge erzielt, in den ersten 2,5 Jahren konnten 530.000 BesucherInnen erreicht werden . Es bietet ein breites und altersdifferenziertes Angebot an Begleitveranstaltungen, dazu gehören Workshops zur Erlebnis-Archäologie, Werkstätten, Mitmach-Veranstaltungen, Erlebnis-Geburtstage, Sommerfeste, Exkursionen, Wochenendseminare (die alle meistens sehr handlungs- und erlebnisorientiert ausgelegt sind), Ferienveranstaltungen, Vorträge und Vorführungen und natürlich die klassischen Führungen. Neben den musealen und pädagogischen Aufgaben übernimmt die Institution auch die eines wissenschaftlichen Forschungs- und Tagungszentrums.

Die Online-Präsentation bildet zunächst im wesentlichen den Museumsinhalt ab, informiert über die vielfältigen Begleitangebote, geht aber mit Lektürehinweisen, vielen Links zu anderen Museen, Institutionen und Projekten über den örtlichen Rahmen erheblich hinaus. Das Gesamtspektrum der Leistungen und Angebote ist sehr abgerundet. Als einzige Einschränkung muss gelten, dass das Besucherinformationssystem die Nutzungskapazitäten begrenzt.

Bildungsangebote: Führungen, Workshops, "Erlebnisgeburtstag", Ferienaktionen, Wochenendseminare und wissenschaftliche Tagungen

Neue/ungewöhnliche Lernarrangements: Sommerfeste, Werkstatt-Veranstaltungen, Kreativworkshops, Mitmachaktionen, multimediale und selbststeuerungsfähige Ausstellungspräsentation

Ziele: Vermittlung der Geschichte der Humanevolution

Andere Lernorte: -

Multimedia: auditives Besucherinformationssystem, touch-screen-terminals, selbstgesteuerte Lernrouten und Lernrhythmen, umfangreiche Internetpräsentation mit vielen Verknüpfungsangeboten

Zielgruppen: nach altersgerechten und inhaltsorientierten Gesichtspunkten ausgerichtete Ansprache von TeilnehmerInnen

Kooperation/Vernetzung: Vereine, Gruppen, andere Museen

 

Literatur- und Theaterprojekte

Theaterreisen

Das Theatertreffen der Duisburger Akzente hat in den letzten Jahren intensiv neue Aufführungsorte gesucht und ausprobiert, einige Beispiele sollen kurz vorgestellt werden.

Das Theatermarathon "Schlachten!" stellte die Rosenkriegsdramen Shakespeares in einer sehr aufwendigen neuen Aufführung vor, denn acht Stücke, 93 Szenen wurden gerafft, anders kombiniert und in einer Gesamtlänge von 12 Stunden - nur unterbrochen von Dinner-Pausen - dem Publikum gezeigt. Den Spielort bildete die Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord, eine als Industriedenkmal erhaltene ehemalige Hütte im Ortsteil Meiderich und "kongeniale Kulisse" für die Königsdramen, in denen es um Macht, Blut, Krieg, Liebe und Tod geht. Ort, Stück und Zuschauer entwickeln eine neue Wechselwirkung, kontextuieren jeweils den anderen Part in überraschend neuer Form und tragen somit zu einer veränderten Wahrnehmung bei. Während "Schlachten" eher ein Beispiel kultureller Extensivierung ist, demonstrieren andere Akzente-Projekte, die ebenfalls mit dem Ortswechsel spielen, die Möglichkeiten kleinerer Formen.

So wurde 1998 unter dem Titel "Linie 901" eine "literarisch-szenische Straßenbahnfahrt" in der real existierenden Straßenbahnlinie 901 inszeniert, die vom "Okzident in den Duisburger Orient", das heißt vom Zentrum in eins der besonders türkisch geprägten Viertel Duisburgs fährt. Die vorhandene kulturelle Vielfalt der Stadt wurde durchfahren, und so ergänzte und illustrierte man nicht nur die Geschichten und Szenen des Stückes, sondern schloss das Theater für die städtische Wirklichkeit auf.

Die historische Nachbarschaft von Niederrhein, Niederlande und Flandern wurde im Jahr 2000 in dem Projekt Theaterschiff thematisiert: Es ging im Hintergrund um Verbindendes und Trennendes in den Traditionen, um den gemeinsamen Besitz zum Beispiel von historischen Personen wie Mercator, Erasmus oder Rubens und das Verbindende der Häfen und Wasserwege von Duisburg, Rotterdam und Antwerpen und die unterschiedliche Interpretation einer gemeinsamen literarischen Figur wie der des Till Eulenspiegel, der in Flandern und den Niederlanden als Held der Befreiungskriege bekannt ist, während er in Deutschland eher nur als Narr konnotiert wird. Diese unterschiedlichen Rezeptionstraditionen in der gemeinsamen Figur waren den ZuschauerInnen in Deutschland, den Niederlanden und Belgien vorher kaum bekannt.

Das Theaterschiff befuhr mit der internationalen Schauspielergruppe Rhein, Maas und Schelde und bot vor Ort bis zu 99 Personen Platz, an einer Aufführung teilzunehmen. In der eher reduzierten und damit konzentrierteren Form des Erzähltheaters wurden Sequenzen von Charles de Costers Adaption des Ulenspiegel, der im Kontext der niederländischen Befreiungskriege als Geuse diese Region ebenfalls mit dem Schiff bereiste, an Anlegestellen der drei vorher genannten Hafenstädte in der jeweiligen Landessprache aufgeführt.

Das Theaterschiff versorgte das Publikum zum einen mit Abwechslung und etwas Neuem im eingefahrenen Betrieb und zog nach der Aussage des Verantwortlichen "vor allem das theatererfahrene ältere Publikum über 40 an, das bereit ist, sich auf Experimente einzulassen". Sicher war das Theaterschiff zugleich auch der Wahrnehmungsmagnet für die öffentliche Repräsentanz der Duisburger Akzente und damit zentrales Instrument des kulturellen Marketings. Der weitergehende Anspruch, einen "Kulturtransfer sozialer und gesellschaftlicher Erkenntnisse" zu bewirken, wird von den Machern des Projektes zwar nur als bedingt eingelöst betrachtet, bleibt aber für die Zukunft ein interessantes Betätigungsfeld, das vor dem Hintergrund der jetzt gemachten Erfahrungen in Zukunft durch ein breiteres Informations- und Begleitangebot, wie durch eine Beteiligung von Zuschauern an der Reise in breiterem Ausmaß auch als Bildungsprojekt bedient werden könnte.

Bildungsangebote: im klassischen Sinne der Erwachsenenbildung keine

Neue/ungewöhnliche Arrangements: neue Spielorte, grenzüberschreitende Darbietungen

Ziele: Theater und gesellschaftliche Wirklichkeit in Beziehung und historische Stoffe in den interkulturellen Vergleich bringen

andere Lernorte: Straßenbahn, Schiff, Industriearchitektur

Multimedia: Internetpräsentation

Zielgruppen: altes und neues Theaterpublikum

Kooperation/Vernetzung: mit anderen Festivals im "Theaterfestival Ruhr", Theater der beteiligten Länder

 

Blind dates

Ein blind date ist eine Theaterreise zu vorher den Teilnehmenden nicht bekannt gemachten Aufführungen. Das Konzept wurde im Kontext des Theaterfestival Ruhr, das wiederum sieben einzelne regionale Theatertreffen und Festivals im Ruhrgebiet koordiniert, entwickelt , um die einzelnen Projekte zu vernetzen und besser bekannt zu machen. Im Laufe eines Tages werden bis zu sieben Theaterproduktionen aufgesucht und in Ausschnitten oder auch zur Gänze angeschaut. Das kann natürlich nur mit einem Bus, der den ganzen Tag bis in den Abend hinein zur Verfügung steht, bewältigt werden. Den abendlichen Abschluss bildet ein gemeinsames Festmahl. Die Produktionen, die besucht werden, sind jeweils ausgesuchte und zugleich repräsentative Stücke eines der sieben Teilfestivals.

Umfänglicheres Hintergrundwissen über den Spielort, die Stadt und die Region wurden im Vorjahr durch Handzettel und das Begleitpersonal in den Bussen während der Fahrten vermittelt, im Jahr 2000 wollte man das Projekt aber nicht überfrachten und die Belastungen für die Teilnehmenden reduzieren, deshalb wurde auf diesen Informations-Input verzichtet.

Die Busse werden begleitet von den Festivalleitern und kompetenten Festivalmitarbeitern, Organisatoren wie Dramaturgen, diese stehen den Teilnehmenden für Gespräche und Hintergrundinformation während des ganzen Tages zur Verfügung. Auch Journalisten beteiligen sich, die berichten sollen, aber auf diese Weise einen Kontakt zum Publikum bekommen und damit Resonanzen ermitteln. Den Teilnehmenden wird des Weiteren als Begleitmaterial eine Sammelmappe zur Theaterreise überreicht, in der Informationen zu den Stücken enthalten sind.

Blind dates sollen in mehrfacher Weise wirksam sein: einerseits für die Teilnehmenden die ästhetische Erfahrung erweitern und ein neues Theatererlebnis ermöglichen, andererseits sind sie ein Integrations- und vor allem Marketinginstrument. Um allerdings eine ökonomische Schlagseite zu vermeiden, soll künftig das Künstlerische wieder stärker betont werden.

Das Projekt hat eine große Nachfrage erlebt und durch die eigentümliche Dichte und Intensität eine spezielle Faszination auf die Beteiligten ausüben können, denn es geht Schlag auf Schlag: Eine Atemlosigkeit und ein Erlebnissog befallen die TeilnehmerInnen und ZuschauerInnen ("Was kommt als Nächstes?"), die zu einer Steigerung der Wahrnehmung und der Empfindungen führen und erst mit dem Abschlussbankett zum langsamen Abklingen kommen.

Bildungsangebote: Einblick in Hintergründe und Rahmenbedingungen von Theaterproduktion

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Intensivierung und Verdichtung durch Erlebnisreise

Ziele: Überblick über die künstlerische Variationsbreite des Theaterfestivals Ruhr, Marketing, bessere Wahrnehmung der Kulturlandschaft Ruhrgebiet

Andere Lernorte: Industriearchitektur

Multimedia: Internetpräsentation

Zielgruppen: altes und neues Theaterpublikum

Kooperation/Vernetzung: Zusammenarbeit von 7 Theaterfestivals

 

Wege durch das Land - Literatur- und Musikfest in Ostwestfalen-Lippe

Neue Wahrnehmungsräume öffnen und "ungewöhnliche Kunsterlebnisse ermöglichen, indem es alte Plätze in anderer Weise erschließt", das wollte auch das vom Literaturbüro Ostwestfalen-Lippe initiierte Literaturprojekt Wege durch das Land : Historische Orte in der Region, vier Stunden gemischte Kultur am Abend oder am Tage und eine lange Stunde Pause dazwischen, in der spazieren gegangen, getrunken und gegessen wird. Und für diejenigen, die noch mehr Zeit investieren wollen, wird eine vorherige fachkundige Führung durch Haus und Garten angeboten: Gehen und Erfahren als aufeinander bezogene Tätigkeiten. Ein kulturelles Gesamtspielwerk, in dem die Authentizität gepflegt wird, gilt es hier kurz vorzustellen. Schlösser, Klöster, Güter, Industriedenkmäler, Fachwerkstädtchen, Bäder und Mühlen, Gärten und Parks, die zum Teil sonst der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, wurden zur literarischen und musikalischen Bühne. Diese - ländlich gelegenen - Orte sind Kern des Projektes und der Ausgangspunkt, die Verbindung zur Literatur ist aber nicht zufällig oder herbeizitiert, vielmehr geht es entweder um die Wiederentdeckung wirklicher alter Bindungen und Herkünfte: Hölderlin, Rilke, Annette von Droste-Hülshoff hielten sich, wenngleich nur eine kurze Spanne ihres Lebens, hier auf und schrieben, oder es werden neue, aber auf den Ort bezogene Texte gelesen. Die natürliche und architektonische Landschaft wird nun auch als literarische Landschaft erschlossen. Bekannte SchauspielerInnen (Otto Sander, Eva Matthes, Traugott Buhre, Hannelore Hoger) und Autoren (Volker Braun) lesen, Intellektuelle (Rudolf zur Lippe) tragen vor. Prosa und Poesie treten in eine weitere Wechselwirkung mit ausgesuchter Musik, sei es Klassik sei es der Jazz, Tanzaufführungen und Ausstellungen.

In den Zusammenhang von Ort und Werken wird zu Beginn der Veranstaltung eingeführt, Hintergründe werden erläutert, damit das Projekt durchsichtiger und verständlicher wird. Selbst das Essen ist bewusst gewählt, in der Alten Ziegelei, heute ein Teil des Westfälischen Industriemuseums, gibt es zum Beispiel passend Schmalzbrote und Kartoffelsuppe. Die Veranstaltungsbesucher können sich zweifach vorher über den Veranstaltungszusammenhang informieren: durch ein Buch, das die Orte photographisch und mit erläuternden Texten porträtiert und durch ein eingehend erläuterndes Programmheft, beides ausgesprochen anspruchsvoll gestaltet .

Wir finden hier ein vor allem künstlerisch geprägtes Vermittlungskonzept, das auf die Aura des Originals und das Authentische setzt und ein Zusammentreffen von "Avantgarde und Tradition" inszeniert: Ist es Gegenkonzept zum Multimedia-Zeitgeist oder Rückbezug und eventuell auch Rückzug auf Bewährtes? Jedenfalls haben wir es mit einer Vertiefung bisheriger Konzepte und einem Kontrapunkt zum sonstigen Trend der Mediatisierung und Virtualisierung der Kunsterfahrung zu tun. Das künstlerische, das kulturelle Anliegen steht für die OrganisatorInnen im Mittelpunkt. Es war kein Beitrag zur Event-Kultur gewollt, sondern einer zum kulturellen Landleben.

Das Literaturbüro resümiert: "Orte, Landschaft und Geschichte über die Literatur neu entdecken, gegen das mediale das originale Erleben am authentischen Ort setzen und: Literatur, im richtigen Kontext dargeboten, begeistert viele Menschen, schafft Verbindungen und Begegnungen. Wer die Veranstaltungen versäumt hat, kann die Orte lesend aufsuchen." Es mischen sich Bekanntes und Unbekanntes und in der Vielseitigkeit der Beschäftigung und Auseinandersetzung erschließen sich die teilnehmenden Besucher Landschaft, Ort, Texte, Musik und Personen in neuer Qualität.

Die Vielfalt der ästhetischen Genüsse war offenbar richtig komponiert, es wurde nicht zuviel an Wahrnehmungszumutung aufgeboten, wie vielleicht kritisch befürchtet werden könnte, das Konzept ist infolgedessen aufgegangen. Es gab für die insgesamt 12 geplanten Veranstaltungen von Juni bis Anfang August 2000 erheblich mehr Kartennachfrage, als bedient werden konnte, alle Veranstaltungen waren ausverkauft, einige mussten wiederholt werden, und es konnte ein neues Publikum über das traditionelle Lesepublikum hinaus interessiert werden.

Ein weiteres Ziel des Projektes scheint auch erreicht: das Bewusstsein regionaler Identität zu schaffen und zu stärken. Das ländliche Ostwestfalen wurde als Provinz nicht nur seinen interessierten BewohnerInnen neu erläutert und erschlossen, auch die überregionale Beachtung war im Medium des Besuches und der Berichterstattungen außerordentlich.

Für das Jahr 2001 ist eine neue Veranstaltungsfolge geplant, die grundsätzliche Idee, nämlich Landschaft, Architektur und Literatur aufeinander zu beziehen und durch Kunst Orte zu erschließen, wird aber noch in einem anderen Projekt weiterverfolgt: "Die poetische Landschaft". 13 SchriftstellerInnen aus aller Welt schreiben Gedichte, die von bestimmten Orten im Kreise Höxter/Ostwestfalen angeregt werden und dort "verbleiben und nur dort zu lesen sein werden." Der bekannte Schweizer Architekt Peter Zumthor soll an den von den Schriftstellern ausgewählten Orten Bauwerke errichten, "in denen die Gedichte in idealer Weise zu lesen sein werden". Außerdem werden diese Bauwerke ergänzt durch zwei weitere Häuser, das ‘Haus der Gedichte’ (ein "idealer Akustikraum für Lesungen und Musik") und die ‘Bibliothek der Landschaft’.

[siehe ergänzendes Material im Anhang!]

Bildungsangebote: Im Kern der Veranstaltung steht die Lesung, sie wird auch im Spektrum der Erwachsenenbildung angeboten.

Neue/ungewöhnliche Arrangements: intensive Kombination von Literatur mit Musik, Kunst und anderen kulturellen Sparten an authentischen Orten

Ziele: neue Wahrnehmung von Orten und Landschaften als auch künstlerisch-literarisch geprägte, regionale Identfikation

Andere Lernorte: historische Architektur und Parkanlagen

Multimedia: Internetpräsentation zu Werbezwecken und zur informierenden Rahmung

Zielgruppen: keine besonderen Zielgruppen

Kooperation/Vernetzung: historische Orte und Personen als Bestandteil regionaler Identität

 

Theater-Zeitreisen

In mehreren Städten der BRD - zumeist Mittelstädten - wurde in den letzten Jahren eine neue Form erprobt, Stadtjubiläen zu begehen. "TheaterZeitreisen" nennen sich diese in der Regel eintägigen Spektakel, die wichtige (und darstellbare) Ereignisse der jeweiligen Stadtgeschichte in unterhaltsamer Form zur Schau stellen; ihr Spezifikum ist eine neuartige Kombination von Ressourcen, die in einem mehrmonatigen Entwicklungsprozess Hunderte von BürgerInnen der feiernden Stadt zu Mitakteuren und Mitautoren macht und kommunale Kulturinstitutionen, Vereine und lokale Laientheatergruppen mit Profischauspielern zusammenführt.

Die Federführung liegt zumeist bei einer privatwirtschaftlichen Kulturagentur, die Regisseur und SchauspielerInnen beisteuert und den örtlichen Vorbereitungsprozess koordiniert: Die Entwicklung der Themen und Szenen geschieht gemeinsam mit Stadtarchiven und Lokalhistorikern, die Rekrutierung der Mitwirkenden über örtliche Presse, Vereinslandschaft und Schulen; die örtliche Kulturverwaltung pflegt die Ressourcen (wie ein Planungsbüro, Probenräumlichkeiten, die Gewinnung von Materialspenden) beizutragen. Das ehrenamtliche Engagement der Mitspielenden erstreckt sich auf die Produktion von Kostümen, Kulissen, sonstiger Infrastruktur und der Spielszenen.

Das Konzept wurde u.a. in den nordrhein-westfälischen Kommunen Kempen und Plettenberg erprobt. Zuletzt wurde es beim 800 Jahr-Fest der Stadt Warendorf (Münsterland) im Juni 2000 realisiert. Hier wirkten in einer neunstündigen Freiluft-Performance etwa 300 Laiendarsteller und 30 SchauspielerInnen mit. An zehn Orten der Altstadt präsentierten sie 17 Szenen der Ortsgeschichte (die meisten mehrfach und zeitversetzt) mit einem Schwerpunkt auf Mittelalter, Neuzeit und zeitgeschichtlichen Ereignissen: Neben pittoresken Darstellungen und Moritaten von Pest, Dreißigjährigem Krieg und Bauernleben gelangten dabei auch "sperrigere" Themenakzente wie lokale Aspekte der Hexenverfolgung oder Vertreibung und Ermordung der Juden zur Aufführung. Dabei wurde bewusst auch mit den Stilmitteln sehr verschiedener Theaterepochen gespielt - was u.a. die Einbeziehung von Tanz, Gesang, Prozessionen, Feuerwerk zur Folge hatte. Die Veranstaltungen lockten zwischen 15.000 und 25.000 ZuschauerInnen an; ihre Durchführung war in allen Fällen auf die Kofinanzierung örtlicher Firmen angewiesen.

Ein vergleichbares Setting hat im Jahre 1997 die Ostfriesland Stiftung im Verbund mit einer Vielzahl kultureller Institutionen realisiert: Im Rahmen der Verbund-Ausstellung "Als Friesen Preußen wurden", die an ca. 20 Orten Ostfrieslands unterschiedliche Aspekte preußischer Herrschaft in dieser Region zwischen 1744 und 1806 darbot, wurde ein reisendes Theaterspektakel "Die Inspektion" organisiert, die einen Schauspieler als Friedrich II. mit Gefolge in Anlehnung an zwei historisch verbürgte Inspektionsreisen "erneut" die Region inspizieren ließ. Geboten wurden Szenarien, die Klischees und Enttypisierung gleichermaßen zuließen: Gespräche mit lokalen Amtsträgern und "Untertanen" am Straßenrand, Besichtigung öffentlicher Räume usf. Die soziokulturelle Animation, die von diesen jeweils knapp zweistündigen Massen-Rollenspielen ausging, wird als deutlich spürbar in Museen, regionalgeschichtlicher Publikationsnachfrage und Tourismus bewertet.

Bildungsangebote: monatelanger informeller Experimentierprozess in Vereinen, Initiativen, Schulen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: kollektive "Zeitreise" mit Theaterszenen, szenischen Lesungen, lokal- und regionalhistorisch bedeutsame Situationen als Inhalt eines festlichen und touristisch motivierten Massenspektakels

Ziele: neues Publikum für Theater mobilisieren, Aneignung historischer Entwicklungsschritte und Brüche, Erprobung schauspielerischer und anderer theaterrelevanter Kompetenzen

Andere Lernorte: Plätze, Straßen, Kirchen u.a. Baudenkmäler, Privathäuser (und im Vorfeld: Vereine, freie Gruppen, Schulen)

Multimedia: -

Zielgruppen: EinwohnerInnen der betreffenden Kommune, Regionaltourismus

Kooperationen/Vernetzung: Museen und andere lokale Kulturinstitutionen, Vereine, Schulen, Theatergruppen, Agentur

 

Arbeits- und Angebotsformen

HCO-Internetprojekt "Zwangsarbeit"

Das Historische Centrum in Hagen/Westfalen, ein Verbund von Stadtarchiv, Stadtmuseum und stadtgeschichtlicher Arbeitsstelle, arbeitet seit geraumer Zeit an neuen, das bisherige Image von Archiven überwindenden Präsentationen und Lernhilfen. Zu verschiedenen Ausstellungsthemen der städtischen Museen wird vom "Historischen Centrum Online" (HCO) ein Archiv an Textquellen, Bildern und Links bereitgestellt, z.T. auch virtuelle Ausstellungsrundgänge; außerdem wurde damit begonnen, kommunale Archivalien (etwa städtische Bauakten) online zugänglich zu machen.

Aus Anlass der seit Ende 1998 intensivierten Debatte über NS-ZwangsarbeiterInnen und ihre Entschädigung entwickelte das HC ein umfangreiches Themenportal über "Zwangsarbeit in Hagen 1939-1945", das sich als Ausgangspunkt individueller Recherchen und als Hilfsmittel für akademischen und schulischen Unterricht versteht. In deutscher und englischer Sprache finden sich dort umfängliche Informationen zum Einsatz von ausländischen ZivilarbeiterInnen, ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen. Angeboten werden: eine Datenbank mit Suchmaschine, eine Liste von Firmen, Behörden und Unternehmen, Firmenporträts, detaillierte Informationen zu Lagern und Haftstätten, Listen und Statistiken zu Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen, kommunale und regionale Verordnungen im faksimilierten Original, Übersichten zur Herrschafts- und Verwaltungsstruktur der NS-Zeit, Vorträge und Web-Links zu anderen dem Thema gewidmeten Websites und Online-Dokumentationen sowie weiteren zeitgeschichtlichen Netzressourcen (Nachrichtendiensten, Virtual Library Museen ...). Durch Verknüpfungen zu anderen, allgemeineren Internetquellen ist dieses Arbeitsmittel auch für Interessierte aus anderen Regionen von Bedeutung.

Bildungsangebote: Vortragsveranstaltungen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Online-Themenarchiv zu einer aktuellen politischen Kontroverse

Ziele: Erweiterung des Zugangs zu lokalen Originalquellen

Andere Lernorte: -

Multimedia: Dokumente, Fotos, umfassende Linkliste im Internet

Zielgruppen: historisch interessierte SchülerInnen, LehrerInnen, SelbstlernerInnen

Kooperationen/Vernetzung: Universitäten, ICOM, Virtual Libraries zu zeitgeschichtlichen Themen

 

Offene Denkmale und andere "Orte"-Konzepte

Der internationale Tag des offenen Denkmals wird seit 1993 jährlich im September in Westeuropa propagiert und von den BesucherInnen schon so angenommen, als hätte gerade dieses Angebot im Sortiment der kulturellen Aktivitäten gefehlt. Mehr als 20 Mio. Menschen haben diesen Tag des Lernens und des Amüsements bisher genutzt, in Deutschland allein 3,2 Mio. Es handelt sich dabei um die Öffnung ansonsten meist unzugänglicher oder 'vergessener' Häuser, Einrichtungen und Relikte durch architektonisch, historisch, künstlerisch oder auch handwerklich Kundige. Der Vorher-Nachher-Effekt dieses Lernsettings liegt auf der Hand: alle Beteiligten erfahren auf anschauliche Weise etwas über die Geschichte, die Nutzung oder Umwidmung eines Ortes oder Erinnerungszeichens; sie sind dann meist selbst in der Lage, anderen das Gesehene und Gehörte weiterzugeben.

"Denkmalpfade" und "Landmarkenrouten" durchziehen zunehmend die kulturelle wie reale Landschaft, ohne dass diese "Arrangements" in pädagogischen Zusammenhängen diskutiert würden. Liegt es an der Unbestimmtheit der Ziele, der Unübersichtlichkeit der Nutzerinteressen?

Die Oberhausener Galerie Ludwig wendet sich mit einem Faltblatt direkt an ein interessiertes Publikum, die "verehrten Freunde der Kunst und Industriekultur", das Exkursionen zu Landmarken auf einem angehängten Blatt unmittelbar buchen kann, z.B. zum Förderturm Consolidation in Gelsenkirchen oder zum "Garten der Erinnerung" in Duisburg. Für die Teilnahme wird kein Kostenbeitrag erhoben, die Aktivität der Anreise liegt beim Besucher und der Besucherin. Für die vor- oder nachbereitende Beschäftigung mit Orten und Landmarken ist ein Besucherzentrum eingerichtet worden, darin "wird Ihnen die von der IBA entwickelte Vision einer neuen von der Industriekultur geprägten Stadtlandschaft vorgestellt als 'work in progress' (...). Mit einer Ausstellung, Multivision, Videoporträts der Tag- und Nachtgestalt der neuen Landmarken und Großaufnahmen herausragender Photographen erhalten Sie eine anschauliche Einführung zu den geführten Reisen, die Sie im Besucherzentrum buchen können" .

Ein anderes ungewöhnliches Orte-Konzept präsentiert eine Einrichtung in Mecklenburg-Vorpommern: Der Verein Politische Memoriale macht Mahnmale und Erinnerungszeichen in der (vom Tourismus besonders erschlossenen) Landschaft sichtbar, indem er sie gemeinsam mit örtlichen Initiativen vor dem Verfall rettet und bewahrt. Den InitiatorInnen geht es "um die Frage des Umgangs mit der 'Landschaft der gesellschaftlichen Erinnerung'" und damit auch um direkte Lernanlässe für die Auseinandersetzung mit den zumeist zwiespältigen deutschen Vergangenheiten der letzten 200 Jahre. Das Spektrum reicht von Kriegerdenkmälern über Friedhöfe und kleine Gedenksteine bis hin zu Kulturhäusern aus der DDR-Zeit. Die Formen, in denen Bildungsarbeit geschieht, umfassen zum einen das Repertoire der Erwachsenenbildung: Exkursionen, Erkundungen, Gesprächskreise und Erzählcafés - "Orte"-Konzepte lassen sich schlüssig mit biographischem Arbeiten verbinden - , zum anderen wird mit Kunstprojekten und archäologischen Methoden experimentiert.

Bildungsangebote: in unterschiedlicher Ausprägung von allgemeiner Besucheransprache bis zu organisiertem Lernen in der Tradition der Erwachsenenbildung

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Verbindung von Tourismus und Lernen, künstlerische Arrangements, Exkursionen mit ExpertInnen, häufig Ein-Tages-Veranstaltungen

Ziele: reichen von touristisch-lustvoller Aneignung bis zu kognitiver oder auch emotionaler Auseinandersetzung mit dem, wofür die Orte und Erinnerungszeichen stehen

Andere Lernorte: Die Nutzung der Aura und Anmutung der Orte kann unter den Lernarrangements als "neu" gelten.

Multimedia: unterstützend, aber nicht im Zentrum

Zielgruppen: historisch Interessierte, SchülerInnen, Zeitzeugen, Touristen

Kooperation/Vernetzung: insbesondere mit dem regionalen Tourismus, sowohl im Ruhrgebiet als auch in Mecklenburg-Vorpommern

 

Route der Industriekultur

Die Route der Industriekultur wurde 1999 eröffnet und verbindet im Raum zwischen den Flüssen Lippe, Emscher, Ruhr und Rhein die bedeutenden Orte und Bauwerke der Industriekultur des Ruhrgebietes. Sie ist zugleich ein Teilprojekt der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA 99), die das alte industrielle Kernland rund um die Emscher und zugleich die Problemzone des Ruhrgebiets neu präsentieren und ihr wirtschaftliche, soziale, ökologische und kulturelle Impulse geben wollte. Als Gesamtträger der Route fungiert der Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR), es handelt sich hier aber um ein Vernetzungsprojekt, das auf einem Rundkurs von 400 Kilometern nicht nur viele Sehenswürdigkeiten, sondern auch viele eigenständige Kulturinstitutionen in einen Zusammenhang bringt.

Das Hauptanliegen, nämlich das Ruhrgebiet neu sehen zu lernen, speist sich aus einem Motivbündel: Eine altindustrialisierte und mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen behaftete Region öffentlich zu vermarkten und ihr überregionales Image zu verbessern, ist das eine zunächst wohl vorherrschende Motiv der Politik gewesen. Ein anderer Antrieb aber ist es, die besonderen Eigenschaften und Vorzüge dieser Region, das industriekulturelle Erbe nämlich, neu zu entdecken und zu pflegen, und über die lokale Beschränkung hinaus ein historisches und kulturelles Regionalbewusstsein zu entwickeln. "Liebe auf den zweiten Blick" nannte es einer der Hauptinitiatoren, der Geschäftsführer der IBA Karl Ganser. Die Aneignung dieses "Nationalparks der Industriekultur" soll in einem doppelten Sinne stattfinden, als "Zeugen der Kulturgeschichte des Industriezeitalters" wie auch als "Zeugen des Wandels", in denen "Neues produziert wird: museale Erinnerungen, Kreativität, Kunst und Kultur".

Es ist unmöglich alle potenziellen Stationen und Einblickachsen der Route aufzuzählen, hier können nur die Struktur und einzelne Projekte exemplarisch erläutert werden.

Von überregionaler Bedeutung sind drei Ankerpunkte mit Besucherzentren, in denen sich die Besucher informieren und mit Begleitmaterialien versorgen können. Diese Besucherzentren zählen zugleich zu den hervorragenden Beispielen der Industriekultur: die Zeche Zollverein in Essen (Bauhaus-Stil, heute umgenutzt unter anderem als Design- und Ausstellungszentrum), die Zeche Zollern II/IV in Dortmund (Jugendstil, bzw. im Stil des Historismus, heute Museum des Bergbaus und Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum) und der Landschaftspark Duisburg-Nord (ehemaliges Stahlwerk, das jetzt für vielfältige Kultur- und Freizeitzwecke gebraucht wird). Daneben gibt es 19 Ankerpunkte, das sind in der Regel unter Denkmalschutz stehende Industriebauwerke und andere bedeutende Architekturen der Region, Themenmuseen von (über)regionaler Bedeutung, so der Aquarius Wasserturm (siehe die Skizze über dieses Haus), das alte Schiffshebewerk Henrichenburg/Waltrop, das Rheinische Industriemuseum - ein Museum der Schwerindustrie - und der Gasometer in Oberhausen, der Chemiepark Marl sowie Landschaftsparks auf altindustriellem Grund.

Mehrere thematisch gebundene Nebenrouten führen in weitere Aspekte der regionalen Entwicklung und Geschichte ein: z. B. die Route der Industrienatur, die von den Wiedereroberungserfolgen der Natur über die industriellen Hinterlassenschaften berichtet. Oder die Panoramen der Industrielandschaft: hier werden die in der Regel naturierten Halden besucht, die allerdings nicht nur Rundblicke bieten, sondern oft auch durch sogenannte Landmarken einen künstlerischen Akzent erhalten haben. Die großen überregional bedeutsamen Museen der Region (Ruhrlandmuseum Essen, Bergbau-Museum Bochum, Westfälisches Freilichtmuseum Hagen u.a.m.), die fast allesamt Geschichtsthemen inszenieren und nicht zu den vorher genannten Ankerpunkten zu rechnen sind, bilden ebenso eine eigenständige Wegeliste wie die zwölf für bedeutsam gehaltenen Siedlungen, die von Alltag und (vergehender) Arbeiterkultur zeugen. Schließlich aber sind noch 25 Themenrouten mit eigenen Ankerpunkten aufgeboten, die den Einstieg in lokale Beobachtungsräume und verschiedene technik- und industriegeschichtliche Subthemen ermöglichen.

Wie navigieren sich die neugierig interessierten Besucher und Besuchergruppen durch dieses umfassende Angebot einer "den endogenen Parochialismus der Geschichtsgruppen" überwindenden "Ruhrgebietspanoramik" ? Die kaum noch zu überblickende Fülle an Karten, einzelnen Routenführern, Erläuterungsprospekten, Veranstaltungskalendern , Broschüren, Museumsflyern, Zeitschriften und Büchern soll ebenso dazu beitragen, den Weg zu lenken und zu finden, wie etwa auch eine CD-Rom, eine umfassende Internetpräsentation und vor allem die Ausschilderung im Straßennetz des Ruhrgebiets. Mit dem eigenen Auto, dem Wohnmobil, dem Motorrad, dem Fahrrad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie zum Teil auch mit dem Boot können die Routen angefahren und Ziele angesteuert werden, wobei einschränkend erwähnt werden muss, dass der Ortsunkundige nicht immer eindeutig und sicher durch die Beschilderung zum Ziel geführt wird. Neben verschiedenen Pauschalreiseangeboten (eintägig oder mehrtägig), die alles komplett organisiert zur Verfügung stellen, kann auch individuell "Bed and Breakfast" beim Bergmann in der Arbeitersiedlung gebucht werden.

Zu den Anbietern von Führungen zählen sowohl kommerzielle Unternehmen wie auch Museen, Volkshochschulen und Heimvolkshochschulen, die die Route der Industriekultur als methodisches wie inhaltliches Geländer für Bildungsurlaubswochen und Veranstaltungen einer ebenso kulturell wie historisch-politisch dimensionierten Erwachsenenbildung nehmen.

Die Route der Industriekultur kann also auf mehrfache Weise erschlossen werden, im Rahmen organisierten Erwachsenen-Lernens, im Kontext kommerziell-touristischer Angebote und auf selbstorganisierte Weise. Sie ist ein ‘aufgeschlagenes Buch der Geschichte’, eine Materialsammlung und infrastrukturelle Grundlage für ein großes unabschließbares "Seminar", durch das sich die Besucher von draußen wie die Bewohner der Region bewegen können.

In vielen Informationsbroschüren und Prospekten werden "Entdecken und Erleben", "Fun" und das "Abenteuer Industriekultur" versprochen. Ganz sicher ermöglicht die Route der Industriekultur ein schweifendes wie konzentriertes, ein erlebnisorientiertes wie auch ein in die Logik des Gegenstandes eindringendes Lernen. Als stützender Hintergrund ist für Wissensaneignung besonders die umfangreiche Internetpräsentation hilfreich , weil ein umfassender schriftlicher Führer auch noch fehlt.

Dennoch überwiegt in der bisherigen Projektlogik die materiale Seite, die sicher Überraschendes und Großartiges zu bieten hat, von der aber zu oft angenommen wird, dass sie sich selbst erklärt, weil sie sich zeigt. An manchen Stellen der Route, z. B. den Aussichtspunkten und Landmarken auf den Halden, werden die Besucher allein gelassen. Andererseits existiert in der Region eine reichhaltige Laienexpertenschaft (z.B. Gruppen ehemaliger Belegschaftsmitglieder, die die Erinnerung an ihre Zeche in vielfältiger Weise pflegen), die sich an vielen Orten Betätigung verschafft und bei der Erschließung hilft. Die andragogischen Möglichkeiten der Stützung, Begleitung und Verbindung scheinen noch lange nicht ausgeschöpft. Nach einem Jahr Existenz ist es vielleicht noch zu früh, gesicherte Anworten über Besucherstrukturen und Aneignungsformen, über zweifellose Erfolge und Defizite zu erwarten.

Ein Problem mögen aber die oft überzogenen Erwartungen an die Veränderung des öffentlichen Images des Ruhrgebiets und der daraus zu erzielenden Besserung in der wirtschaftlichen Wettbewerbsposition sein. Es besteht auch die Gefahr der ästhetischen Überhöhung und gegenwartskulturellen Überholung einer an sozialer Not und politischen Kämpfen reichen Industrievergangenheit: "Aus der Stätte industrieller Arbeit werden imposante Kunstwerke. Der Schmutz und Lärm der vergangenen Arbeitswelt der werktätigen Bevölkerung hat sich verflüchtigt, und die Arbeitsstätten haben sich zu monumentalen Standbildern einer beeindruckenden Industriekultur gewandelt". Deshalb müssen verschiedene Kontrapunkte gesetzt werden, die einer monothetischen Auslegung widersprechen, Chancen nichtfunktionaler kultureller Betätigung und lustbetonter Aneignung offenlegen und "einem demokratischem Verständnis von Geschichtskultur" Vorschub leisten.

Bildungsangebote: Besichtigungen, Führungen, Ausstellungen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Erschließung der Region durch Beschilderungen und Begleitinformationen, entdeckendes Reisen und Lernen in Gruppen, aber auch selbstorganisiert und selbstbestimmt

Ziele: eine alte, industriell wie kulturell geprägte Region und Landschaft neu sehen lernen

Andere Lernorte: alte Industriearchitektur und Orte in der Landschaft

Multimedia: umfassende multimediale Präsentation und Begleitung im Internet mit vielen Informationen, Querverweisen und weiteren Ermöglichungen

Zielgruppen: wendet sich an alle, Begleitangebote zum Teil nach Alters- und Berufsgruppen spezifiziert

Kooperation/Vernetzung: Vernetzung vielfältigster Initiativen, mannigfacher Kulturinstitutionen in der Region unter einem neuen Label

 

Geschichtspfade und "sprechende Straßen"

"Das traditionelle Buch muss in alle Richtungen geworfen, verhundertfacht werden, alle Farben tragen und in Form von Plakaten in den Straßen ausgestellt werden." (El Lissitzky ) Die Installation zeitgeschichtlicher Erläuterungstafeln im Stadtbild hat bereits eine mehr als 10jährige Tradition und entstand zumeist dort, wo die lokalgeschichtliche Aufmerksamkeit sich auf "vergessene" und "unterdrückte" Themen richtete (z.B. im Kontext antifaschistischer Stadtrundgänge. So hat die Stadt Essen bereits 1989 26 Text- und Bildtafeln über Orte, Opfer, Täter und Nutznießer der NS-Geschichte errichtet, die sich als Anlässe eines selbstgesteuerten und beiläufigen Lernens anbieten.

Die Ubipräsenz von Schrift im öffentlichen Raum und der Mangel an kulturellen Zeichen und "Schildern" wird immer wieder zum Ausgangspunkt für neue Versuche. Im Oberhausener Stadtteil Eisenheim - seit Anfang der 70er Jahre bekannt für seine kämpferischen Quartiererhaltungsmaßnahmen und heute wegen seiner Gartenstadtarchitektur Bestandteil der Route der Industriekultur - erklären seit 1996 70 "sprechende Tafeln" in alltagsnaher Sprache die Geschichte der Siedlung und ihrer BewohnerInnen. Solche Settings können mit themen- oder zielgruppenorientierten Führungen und Rundfahrten verbunden werden, die wiederum andere Medien (Tondokumente, Fotos, Schriftquellen, Biographie-Bruchstücke) in die Darstellung vergangener Lebensverhältnisse einbeziehen.

In jüngster Zeit wird aber hier und da auch systematischer und umfassender versucht, anstelle traditioneller Medien oder diese begleitend Gesamtsichten auf Stadtgeschichte zu vermitteln. So hat die Stadt Moers im Sommer 2000 anlässlich ihres Stadtjubiläums 50 "Geschichtsstationen" errichtet, die in Texten, Photographien und Zeichnungen an Ereignisse der "Stadtbiographie" im Kontext europäischer Geschichte erinnert wird. Deren Bogen reicht von eisenzeitlichen Funden, der Stadtwerdung 1300 über Spuren des Adels und der Kirche, ausländischer Besatzung, von Großbrand 1605 und Pest im 17 . Jahrhundert, Konfessionskonflikten und Bürgerrechten, Infrastrukturmomenten wie Post, Nahverkehr, Bildungswesen und Gerichtsbarkeit, wichtigen Vereinen und Unternehmen, Themen wie Wohnungs- und Siedlungsbau, Juden in Moers, antinazistischem Widerstand und Neuaufbau nach 1945 bis zu den Einwanderungswellen der 60er und nachfolgenden Jahre. Die Stationen werden entweder als eine Gesamttour durch die Stadtgeschichte oder partiell und zufällig-alltäglich rezipiert.

Bildungsangebote: Führungen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: "verteiltes Stadtmuseum": Schilder mit stadthistorischen Erläuterungen an Orten des lokalen Geschehens - z.T. während einer Führung in Kombination mit Photographien, Quellen, biographischen Skizzen

Ziele: beiläufige Vermittlung geschichtlichen Ereignis- und Kontextwissens, "öffentliche Handhabung des kulturellen Gedächtnisses"

Andere Lernorte: Stadtraum

Multimedia: bisher nicht eingesetzt

Zielgruppen: Passanten, Stadtbewohner wie Kulturtouristen

Kooperationen/Vernetzung: in die "Route der Industriekultur" eingebettet, Bildungsinstitutionen

 

Erzählcafés

Kultureinrichtungen bedienen sich in ihrer Vermittlungsarbeit seit Mitte der 80er Jahre mehr und mehr subjektorientierter Methoden. Dem biographischen Ansatz folgend hat sich in diesem Kontext auch das didaktisch anspruchsvolle Konzept "Erzählcafé" oder "Erzählwerkstatt" etablieren können. Mit Ankündigungen wie "Ich hab’s erlebt: Die 20er Jahre" geht es um das Erschließen von Themenfeldern aus der Sicht derer, die Geschichte "gemacht" und erlitten haben, anders gesagt: um die (Re-)Konstruktion ihrer Lebenswelten und Lebensläufe. Der pädagogische Sinn liegt darin, das Erzählte der allgemeinen Kommunikation zugänglich zu machen, es in größere Zusammenhänge zu stellen und vergleichend zu reflektieren. Im Begleitprogramm der Frankfurter Ausstellung "Kinderleben um 1900" beispielsweise machte eine betagte Zeitzeugin ihre Kindheit lebendig, indem sie unter anderem von Hausmädchen, Waschfrauen, Küchenhilfen und Kinderfräulein erzählte und so nicht nur mit Gleichaltrigen, sondern auch mit jüngeren Erwachsenen und Jugendlichen ins Gespräch kam . Gemeinsam mit dem Ruhrlandmuseum Essen hat das Bildungswerk der Humanistischen Union NRW zwischen 1985 und 1989 begleitend zur Dauerausstellung und zur Wechselausstellung "Über Leben im Krieg" mehrere "Erzählcafés" angeboten und diese Erfahrungen anschließend in Veröffentlichungen zur Diskussion gestellt.

Die Form des Erzählens spricht in erster Linie lebenserfahrene, zumeist ältere Menschen an, kann aber auch ein besonderes Medium für Verständigungsversuche zwischen den Generationen genutzt werden. Ein Begegnungzentrum in Bernau (Brandenburg) beispielsweise hat in den 90er Jahren diesen Weg erfolgreich beschritten und dem "Erzählcafé" damit eine – auf die DDR bezogen - 'nachholende' Dimension gegeben: "Die Idee war simpel, im Westen schon erfunden, aber im Osten nur in Insiderkreisen bekannt: Geschichte gegen den Strich bürsten, Zeitzeugen als ernsthafte historische Quelle entdecken, mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammenarbeiten, neue Medien nutzen und so das 'Feld' der Geschichte eigenständig 'bestellen'" . Außer Museen und soziokulturellen Zentren sind es auch Archive, die dieses Lernarrangement als (naheliegenden) Zugang zu Adressaten und "Quellen" wählen .

Bildungsangebote: Seminare, Gesprächsrunden, Exkursionen

Neue/ungewöhnliche Arangements: Verbindung von Medien wie Schallplatten, Fotos und Erinnerungsstücken mit narrativen Ansätzen

Ziele: Aktivieren und Nutzen der Alltagsexpertenschaft

Andere Lernorte: Cafés, 'Salons', Ausstellungen als anregendes Environment

Multimedia: wird als Anregung einbezogen

Zielgruppen: meist Ältere und gemischte Generationen

Kooperation/Vernetzung: Museen, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Gedenkstätten, Altenheime

 

Lange Abende und Museumsnächte

Die Bemühungen um die Gewinnung neuer Besucherschichten haben der Institution Museum u.a. die Veränderung und Ausweitung der Öffnungszeiten abverlangt; eine schon seit einigen Jahren bundesweit erfolgreiche Angebotsform stellt der sogenannte "Lange Abend" dar, in dem sich Museen und Ausstellungen als mehrdimensionale Anregungs- und Unterhaltungsumgebungen darstellen. An einem (möglichst regelmäßig angesetzten) Termin öffnet sich das Museum bis tief in die Nacht (teilweise bis 6 Uhr morgens) und unterbreitet Möglichkeiten der Führung, des Theaters, der Belehrung, literarische Lesungen, Kleinkunst und Filme, klassische, Jazz- und Popmusik, Gastronomie und Spiel, die sich in der Rezeption zu einem "Gesamtkunstwerk" verbinden. In einigen Städten (z. B. Berlin, Karlsruhe, Kassel, Münster, Dresden, Amsterdam, Wien, Basel und Zürich, aber auch kleineren Kommunen) schließen sich die vorhandenen Museen ein- bis zweimal jährlich zu einem stadtweiten Angebot zusammen, in dem die Interessenten zu Fuß oder mit Hilfe von Shuttlebussen hin und her "browsen" können. Die Museumsnächte entwickeln sich damit zum Instrument und Vorzeigeprojekt lokaler Kulturvernetzung - über die engere Museumsszene hinaus. In der 2. Kasseler Museumsnacht im September 2000 kooperieren 31 Häuser mit derzeit 50 Ausstellungen sowie eine Vielzahl weiterer Kultureinrichtungen aus Zentrum und Peripherie der Stadt: städtische und Landesmuseen für Kunst, Technik und Geschichte, private Galerien, documenta, kirchliche Ausstellungen, alternative Kulturzentren, Planetarium. Zum Teil werden die Angebote auch von Privatfirmen unterstützt.

Solche Veranstaltungen stehen häufig unter einem (weiten) thematischen Motto wie "Sommernacht" oder "Brücke", können in engerem Rahmen auch einen Bezug zu aktuellen Ausstellungen aufweisen, wie es im Essener Ruhrlandmuseum anlässlich der "Transit"-Ausstellung 1997 oder der Ausstellung "Agatha Christie und der Orient" (Frühjahr 2000) der Fall war. Im Fall einer stadtweiten Vernetzung werden in der Regel "Routen" oder "Parcours" angeboten, die unterschiedlichste Institutionen, Präsentationsformen und Dimensionen miteinander komponieren, unterwegs aber auch Zentren eines kommunikativen Angebots oder der Rezeption anbieten. "Nacht" steht bei diesen Ereignissen unübersehbar auch als Metapher und Programmatik für jenes Überraschende, das uns auch in anderen Arrangements ("blind dates") als neuer Faktor der Attraktivität begegnete.

In Berlin boten sich im August 2000 13 verschiedene Routen an; diese konnten z.B. (bei mehr als 90 beteiligten Institutionen) folgende (hier nur unzureichend benannte) Stationen umfassen: Klavierimprovisationen - Berliner Liederrevue - Jazzkonzert - Vorstellung eines Buchs über Heinrich Zille - Sonderausstellung "Wohnen im Wandel" - Spezialitäten aus der Berliner Küche - Ausstellung "Schaut auf diese Stadt". Ein anderes Beispiel: Musikinstrumente-Ausstellung - Klangprojekt "Europäische Klangwelten" - Musikbeispiele (archaische Rhythmen, Klezmer, orientalischer Tanz) - Vortrag über Restauration von Instrumenten - Über zwei Hitler-Porträts des Malers K. Richter - "Brennende Bilder", begleitet von afrikanischen Trommeln, europäisches Buffet. Ein Kinderangebot (nachmittags beginnend): Märchenerzählung, Puppenspiel, Puppenbasteln - Ausstellungsführung - Grimmige Märchen - Figurentheater - Orientalische Liebesmärchen - Der Himmel heute abend - "Astronomische Meisterwerke" aus Musik und Dichtung - Lesungen und Pantomime - Ausstellungen junger Berliner und amerikanischer KünstlerInnen im "Allianz"-Hochhaus.

Das Beispiel der Stadt Münster ("Münster bleibt auf" vom 2. bis 16.9.2000) demonstriert die Verbindung kultureller Impulse mit strukturpolitischen Ambitionen: Hier werden Kulturprogramme und die "Nacht der Musee und Galerien" auch als Bestandteil einer Politik verstanden und eingesetzt, die im Verbund mit Unternehmen und Einzelhandel zur (Wieder-)Belebung der Innenstädte beiträgt.

Die Resonanz war in der Regel überwältigend: Das Öffnungsangebot wurde von Publikum und Presse ("Musentempel als Wundertüten") begrüßt; Berlin nennt z.B. für die (nasskalte) Museumsnacht im Januar 2000 eine TeilnehmerInnenzahl von 45.000; im August 2000 nahmen etwa 200.000 Menschen teil. Insgesamt werden die animierenden und neue Besucherschichten mobilisierenden Effekte betont.

Bildungsangebote: Führungen, Gespräche, Lesungen

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Kombination von Ausstellungen, Konzerten, Musik, Flanieren, Gastronomie usw., Bewegung/Routen durch unterschiedliche Kultureinrichtungen

Ziele: Marketing, Gewinnung neuer Besucherschichten

Andere Lernorte: reale (zeitliche und räumliche) Verbindungen zwischen unterschiedlichsten Institutionen, Privatfirmen, Orten, Milieus und Genussdimensionen

Multimedia: (Werbung im Internet)

Zielgruppen: "Museumsungewohnte"

Kooperationen/Vernetzung: Museen und andere Kultureinrichtungen/-initiativen, Verkehrsunternehmen, Wirtschaftsunternehmen als Sponsoren und Veranstaltungsorte

 

Gesellungen

Unbeachtet von pädagogisch-andragogischer Metabetrachtung hat sich im Umfeld von Kultureinrichtungen ein Netz von organisierten und informellen Gesellungen gebildet, für das eine differenzierende Begrifflichkeit (noch) nicht vorhanden ist. Der traditionelle Museumsverein als Zusammenschluss von verbindlich Interessierten, Mäzenen und kulturpolitisch Aktiven, so könnte man sagen, hat eine Demokratisierung erfahren: Im Kontext von zu Museen oder Denkmalsanlagen umgerüsteten ehemaligen Industrieanlagen, die mehr und mehr zum kulturellen Kapital einer Stadt oder Region werden, haben sich ehemalige Beschäftigte, teils in Eigeninitative, teils von professionellen Museums- und AusstellungsmacherInnen aufgefordert, als Experten und Förderer eingefunden. Sie übernehmen Gruppenführungen, treten in Seminaren auf, illustrieren bestimmte Arbeitsabläufe und Handgriffe. Die Stiftung Zollverein in Essen-Katernberg beispielsweise kooperiert mit einer großen Zahl ehemaliger Mitarbeiter als 'Begleiter', ebenso die Deutsche Arbeitsschutzausstellung und das neu eröffnete Industriemuseum Henrichshütte in Hattingen; nur sie stehen noch für einen authentischen Einblick in frühere Arbeitswelten und sind das (didaktisch unverzichtbare) Bindeglied zwischen den steinernen bzw. eisenern Zeugen der Vergangenheit und dem Alltag auf der Zeche oder in der Kokerei.

Eine andere Art von Gesellung erlebt das Kreismuseum Büren-Wewelsburg (aber vermutlich auch andere Museen). In der Dokumentation "Wewelsburg in der NS-Zeit" haben ältere Erwachsene ein spezifisches Bildungsbedürfnis artikuliert, indem sie einige Stunden ihres Geburtstages mit Gästen in der Dauerausstellung verbringen. Dem Modell "Kindergeburtstag im Museum" entlehnt, buchen sie eine Führung. Es geht ihnen dabei aber nicht um eine Vermittlungssituation alter Art, sondern um einen selbstinitiierten "Dialog der Generationen". Die Jubilare suchen das Gespräch über die NS-Vergangenheit und die Jahre nach 1945 mit den meist jüngeren, gut ausgebildeten Führungskräften und ihren altersgemischten Gästen. Da sie noch Zeitzeugen sind, scheint es ihnen um eine interpretierende Zusammenführung von abstrakten und konkret-subjektiven Sichtweisen zu gehen. Der Anlass Geburtstag wäre dann auch die Garantie dafür, dass keinerlei "Umerziehung" stattfindet, sondern ein freigewähltes, lockeres Gespräch über doch bedrückende, teilweise unverarbeitete Erlebnisse.

Bildungsangebote: weniger von der Institution angebotene Lerngelegenheiten. sondern Initiativen von AlltagsexpertInnen, die auf unterschiedliche Weise von Institutionen genutzt werden

Neue/ungewöhnliche Arrangements: Bindung informeller Gruppen an Kulturinstitutionen, Nutzung für das Profil der Institution, "Übersetzungarbeit" gegenüber dem Publikum

Ziele: Verknüpfung von Orten, Themen, biographischen Erfahrungen

Andere Lernorte: häufig mit der Industriekultur verbundene Orte, Denkmäler, Landmarken.....

Multimedia: -

Zielgruppen: "Alltagsexperten" im weitesten Sinn

Kooperation/Vernetzung: zwischen freien Gesellungen und Institutionen

 

III. Neue Lernchancen und ihre Voraussetzungen

Angebote, Formen, Netze

"Neue" Lernsettings in Kultureinrichtungen vorzustellen und zu analysieren – wie es der Expertiseauftrag formuliert -, kann von "alten" nicht absehen. Erstens, weil wir häufig ein Nebeneinander verschiedener Veranstaltungsformen in einer Institution angetroffen haben, zweitens, weil sich das Alte mit dem Neuen auf bemerkenswerte Weise mischen kann und drittens, weil auch die Kategorien alt und neu möglicherweise zu revidieren sind. "Alte" Formen finden sich am ehesten in der Gestalt von referentenzentrierten Vortragsveranstaltungen, Seminaren, Gesprächsrunden und nicht zuletzt den traditionellen "Führungen" in Museen und Gedenkstätten. Dennoch hat sich auch hier ein Wandel vollzogen. Zum einen wird dem Dialogischen mehr Raum gegeben und damit die Autonomie und Vorerfahrung des Besuchers/Nutzers anerkannt, zum anderen werden "Mixturen" aus Wort- bzw. Diskussionsbeiträgen und neuen Informations- und Kommunikationstechnologien offeriert: Angeleitetes und selbstorganisiertes Lernen gehen undogmatische Verbindungen ein. Kultureinrichtungen zeigen in dieser Hinsicht eine unerwartete (für die Theorie wie die Praxis der Erwachsenenbildung bedeutsame) Offenheit.

Experimente

Als "neu" lässt sich die Veranstaltungsform Zeitreise bezeichnen; sie zeigt sich vielgestaltig und ist weiter entwicklungsfähig. Inhaltlich arbeiten so unterschiedliche Institutionen wie das Neanderthal-Museum, das Haus der Geschichte, das Heinz Nixdorf-MuseumsForum und lokale Zusammenschlüsse von Kulturträgern in strenger oder offener Weise damit. Es kann beispielsweise das Einbeziehen eines Großteils der Stadtbevölkerung in ein Jubiläumsspektakel sein, das eine Zeitreise präsentiert, es kann als chronologisches Prinzip durch eine Ausstellung führen oder ist das gezielte Aktivieren der Zeitzeugenschaft oder Anknüpfen an die Biographizität von BesucherInnen, die über Medien und Relikte in die eigene gelebte Zeit eintauchen. Zeitreisen überschneiden sich teilweise mit zwei anderen in Abschnitt II dargestellten Veranstaltungsformen: mit multimedial angeleiteten Erkundungen im Museum, wie sie Kindern angeboten werden, bzw. den "Mach mit"-Programmen für Erwachsene im Haus der Geschichte in Bonn. Schließlich gibt es auch Parallelen zu Erzählcafés, die von Erzählenden und Zuhörenden eine thematische Reise in die Vergangenheit erwarten.

Bezogen auf das Lernfeld Museum haben Führungen alter Art an pädagogischer Bedeutung verloren. Die Veranstaltungsform der "dialogischen Führung" hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr durchgesetzt, teils durch ein verändertes Berufsverständnis der MuseumspädagogInnen, teils durch die kommunikativen Bedürfnisse der Besucherinnen und Besucher. Der Kommunikation wie auch der Lust an der Zerstreuung kommen auch die "langen Abende" in bundesdeutschen Museen entgegen. Darüber hinaus werden Erwachsenen regelmäßig weitere Angebote gemacht – insbesondere Workshops, Feste, Exkursionen - , die sich (in der Begrifflichkeit der Erwachsenenbildung) von handlungsorientierten, partizipativen Konzepten leiten lassen und ohne kulturkritische Skrupel auch Erlebnis- und Lustaspekte gleichrangig einbeziehen. Dass nicht nur ein Besuch in einem Museum möglich ist, sondern ein "aktives" Museum auch mobile, ambulante Formen entwirft, belegen die zahlreichen "Museumskoffer", die weniger der individuellen Bildung als der organisierten, sozialen Form dienen, indem thematische Aspekte von Dauerausstellungen zu einem Ensemble von Objekten und didaktischen Materialien zusammengestellt und in Gruppen bearbeitet werden können.

Neue Veranstaltungsformen sind dadurch charakterisiert,

dass sie zunehmende Selbsttätigkeit des Teilnehmers/der Teilnehmerin unterstellen oder fördern. Dabei gibt es keine Entweder-Oder-Entscheidungen, sondern meist steht neben der erwünschten individuellen Aneignung ein Spektrum auch angeleiteten Lernens als Angebot bereit,

dass sie ein Medienrepertoire bis hin zu avancierten Informationstechniken einbeziehen und dies häufig mit traditionellen methodischen Ansätze und Lernformen mixen,

dass diese als offene, diskursive Angebote verstanden werden,

dass "Lernen en passant" nicht nur hingenommen, sondern bejaht wird,

dass sich der Habitus des Pädagogen/der Pädagogin zur Moderation, zur Begleitung und Ermöglichung hin entwickelt.

Lernangebote

Unsere Eindrücke bestätigen die These, dass sich Lerngelegenheiten in Kulturinstitutionen erweitert haben, die Offenheit ihrer Arrangements vermehrt die Zugangsoptionen und -wege, erlaubt die Aktualisierung unterschiedlicher Anspruchsniveaus und Interessenrichtungen und lädt auch zur Meta-Reflexion von Grundfragen der Präsentation, der Forschung, des Lebensweltbezugs ein. Wie aber präsentieren sich diese Angebote? Soweit Stichworte wie "Lernen" eine Rolle spielen, geht es vor allem um die Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen: Schulen, Volkshochschulen, staatlich anerkannten Weiterbildungsträgern und Vereinen. Die Kategorien, unter denen sie vor Ort und in gedruckter wie Netz-Ausschreibung daherkommen, lauten: "Veranstaltungen", "Führungen", "Museumspädagogik" und "Pädagogische Programme". Die von uns und den wenigen empirischen Befunden beobachtete Freizeitrolle des Museumsbesuches wird hier nur ausnahmsweise anerkannt - so unterscheidet die Kunsthalle Bremen unter ihren Veranstaltungen ausdrücklich die Abteilungen "Schule und Museum" und "Freizeit im Museum". Auf diesem Gebiet ist eine Verstetigung und Ausdifferenzierung der Aktivitäten eindeutig festzustellen; sie stehen aber lediglich bei einem Teil der untersuchten Einrichtungen (den Gedenkstätten z.B.) im Vordergrund des Profils. Nur in Ausnahmefällen greifen die Internet-Homepages zu originelleren Einladungen: beim Museum der Arbeit (Hamburg) etwa, das mit dem Button "Nicht berühren!" zu Eigenaktivitäten an historischen Maschinen des Metall- und Druckgewerbes auffordert, oder dem neugegründeten Dokumentationszentrum Obersalzberg, das mit dem Stichwort "Lesezimmer" in seine virtuelle Bibliothek bittet.

"Vernetzung"

Nicht nur der bereits zur Metapher gewordene "Link" erweist, dass Kulturinstitutionen sich stärker als in der Vergangenheit füreinander und für andere Lebensbereiche öffnen. Die Klischees vom Archivstaub oder des in seine Exponate und ihre Bedeutung vernarrten, ansonsten nahezu autistischen Museumskurators prägten nicht ganz zu Unrecht das Image der Institutionen bis in die 70er Jahre; dies haben Generationen- und professionelle Paradigmenwechsel sowie Rationalisierung und Ökonomisierung der Einrichtungen gründlich geändert. Museen, Gedenkstätten, Kulturzentren, Archive, Kulturprojekte und Bildungseinrichtungen haben seither - nicht nur in Großstädten - ein Geflecht von Kooperationen und "Verweisen" entwickelt, in dem nicht nur vielfältige und zahlreiche, sondern auch "entlegenere" Lernwünsche zum Zuge kommen können. Mit der seit mehr als 20 Jahren manifesten Krise öffentlicher Haushalte ist auch die Zusammenarbeit mit der gewerblichen Wirtschaft selbstverständlich geworden: keine große Kunstausstellung ohne Sponsor, kaum ein Multimediaprojekt ohne die Hilfestellung von EDV-Firmen .... Relativ neu ist noch die Einbeziehung der Privatwirtschaft in Veranstaltergemeinschaften (s. Museumsnächte) und die ausdrückliche Verknüpfung kulturell-bildender Angebote mit dem Regionaltourismus.

Die Hoffnung auf eine Infrastrukturen und Arbeitsmarkt belebende Kulturwirtschaft ist nachgerade zum Hauptmotor neuer kulturpolitischer Initiativen (und Finanzierungsströme) geworden. Betont sei außerdem noch einmal, dass die von uns benannten Chancen modernisierter und ökonomisierter Kulturinstitutionen mit Risiken einhergehen, die noch nicht abzuschätzen sind: Inwieweit Bildungsintentionen gegenüber Marketing- und Quantitätsgesichtspunkten aufrechtzuerhalten sind, inwieweit die Gefahr einer kritiklosen Anbiederung an das Publikum, seine freizeitkulturellen Lebensstile und steigenden Ansprüche an "Reizintensität" weiterhin auf professionelle Gegensteuerung trifft, bleibt abzuwarten.

Eine gänzlich neue Qualität der Vernetzung bahnt sich mit den neuen Informationstechnologien an: Was an einem Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht real präsent, aber aus irgendeinem assoziativen Grund heraus erwartet wird, ist durch einen Link ins Internet möglicherweise sofort "heranzuholen". Die Explosion von Speicherkapazitäten erlaubt "Transport" und "Aufbewahrung" von Kulturgütern und -ereignissen in ungekanntem Ausmaß (Theaterfestivals, Datenbanken, Archivalien und Kunstausstellungen im Onlinezugang oder auf CD-ROM), und die Präsenz der Kultureinrichtungen in den virtuellen Welten wird zunehmend als selbstverständliche Dienstleitung erwartet. Dass diese Art der Vernetzung zu massenhafter einsamer Rezeption am heimischen Bildschirm überleitet, scheint uns wegen der Kommunikationsinteressen, die in Museen und anderswo immer mehr artikuliert und bewusst zugelassen werden, unwahrscheinlich.

Die Form hängt (auch) vom Ort des Geschehens ab

Nicht nur die Trennung zwischen Tradition und Moderne verschwimmt, sondern auch die zwischen Veranstaltungsformen und Lernorten, denn in vielen Fällen generiert der Ort erst die Art der Veranstaltung. Eine "literarisch-szenische Straßenbahnfahrt", wie sie aus Duisburg vorgestellt wurde, sperrt sich ebenso wie das zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden verkehrende Theaterschiff gegen das Raster geläufiger Bildungsveranstaltungen. Die im Rahmen des Theaterfestivals Ruhr mit dem Publikum vereinbarten "blind dates" oder profaner: Busfahrten ins Blaue leben geradezu vom unvorhergesehenen Wechsel der Orte. Die Form scheint also in diesen und einigen anderen in Teil II vorgestellten Beispielen mit dem Lernort eine unauflösliche, ‚dialektische‘ Verbindung einzugehen. Verbindend ist die Mobilität als quasi didaktische Dimension, die der alten Veranstaltungsform Exkursion abgeguckt ist. Die Wege durch das Land in Ostwestfalen wiederum 'spielen' mit der Mobilität, finden aber real jeweils an einem ausgesuchten Ort – im Schloss, auf einem Gut, in einem Garten -, mit kompakten literarisch-künstlerischen und frugalen Darbietungen statt. Das Lernangebot mischt Vertrautes mit Neuem und bietet dem (großenteils selbsttätig agierenden) Besucher "Landschaft, Ort, Texte, Musik und Personen in neuer Qualität". Nach Auskunft der Initiatoren treffen sich in dieser Veranstaltungsform "Avantgarde und Tradition". Avantgarde ist jedoch nicht gleichzusetzen mit technischer Innovation, sondern meint – vielleicht im Gegenteil – ein Innehalten in der Atemlosigkeit der multimedialen Welt und propagiert damit auch ein Elitekonzept, das sich seines Kulturbegriffs noch sicher und den Volten der informationstechnologischen Entwicklung nicht blindlings zu folgen bereit ist.

 

Alte und neue "Lernorte"

Dass Orte in ihrer jeweilig natürlichen, z.B. landschaftlichen oder künstlichen, also architektonischen Eigenart auf Lernabläufe und Lernhaltungen nachhaltig wirken, mag zwar selbstverständlich klingen, ist aber trotz dieser noch nicht genügend gewürdigt und in den Wirkmechanismen kaum systematisch untersucht. Für die Erwachsenenbildung kann man eine signifikant anschwellende Bedeutung der Orte bzw. des Ortswechsels ( bis hin zum Reisen) und ein allerdings nur allmählich entsprechendes theoretisches Aufmerksamkeitswachstum konstatieren. . Gleichwohl geht diese Entwicklung oft auch einher mit aus Marketingzwecken sich ergebenden Reduktionen der Perspektive auf die Ausstattung von Seminarhäusern oder auf Freizeitangebote in Tagungsstätten.

In unseren Porträts haben wir in den Kulturinstitutionen eine große Bereitschaft gefunden, mit dem Ort der Darbietungen und des Lernens in verschiedener Hinsicht zu experimentieren, aus der Zeit herauszutreten in den Raum und seine Dimensionen für neue offenere Lernarrangements zu nutzen. Es lassen sich dabei aus institutioneller Sicht verschiedene Assimilations- und Akkommodationsvorgänge identifizieren:

Das Herausgehen: Den gewohnten Rahmen, die eigenen "heiligen Hallen" zu verlassen, ist besonders bei den Literatur- und Theaterprojekten beliebt, aber auch viele Themenmuseen nutzen die Möglichkeiten neuer Lernorte außerhalb der engeren Mauern.

Das Neuentdecken und Umfunktionieren: Hier handelt es sich einerseits, wie bei "Wege durch das Land", um ansonsten bekannte historische Orte, die in ihrer kulturellen Bedeutung neu aufgeschlossen werden oder z. B. um aufgegebene Industriestandorte, die plötzlich als Schätze der Industriekultur und entsprechendes kulturelles Erbe neue Achtung und Nutzung erfahren.

Das Sichbewegen und ständige Wechseln: Verschiedene Örtlichkeiten in einer Stadt oder Region werden konzeptionell aufeinander bezogen und durch individuelles oder gemeinsames Reisen erschlossen; als programmatische Beispiele können lokale Geschichtspfade oder die Route der Industriekultur gelten.

Das Hereinholen und Einbeziehen: klassische Verbindungswege sind nicht ausgeschlossen, aber hier beginnt schon die Wirkungsmächtigkeit der Medien, denn durch Fernübertragungen können reale Orte in die Institution geholt werden, wie die Projekte des Nussbaum-Museums in Osnabrück zeigen.

Die rein virtuelle Erweiterung: Museen können auch virtuell besucht werden oder bieten - als eine Steigerung - virtuelle Exkursionen zu anderen oder nicht mehr existierenden Orten an. So präsentiert die virtuelle Synagogenausstellung nicht mehr existente Architekturen und Zeitschichten, die dennoch "begangen" werden können. Und eine CD-Rom, die eine Exposition birgt, ist ein Museum, das man nach Hause tragen kann.

Das Verbinden und Vernetzen von Orten und Inhalten: Wenn der Grad der Vernetzung und räumlichen Verbindung eine bestimmte Qualität und didaktische Sicherung erreicht hat, dann generiert die Addition und die räumliche Erschließung von Orten einen Gesamtort neuer Qualität und damit einen anderen Projektstatus.

In der traditionellen räumlichen Anordnung manifestieren sich festgefügte kulturelle und pädagogische Ordnungsvorstellungen. Die hier zu konstatierenden Öffnungen und die Räume der Darbietungen schaffen entsprechend neue subjektive Ermöglichungen, in der Beziehung zwischen Raum und Aneignungstätigkeit lassen sich verschiedene Attraktionen für die Teilnehmenden und entsprechende Funktionen identifizieren. Die materielle Grundlage ist dabei die sinnlich-ästhetische Qualität der Orte.

Als das Nächstliegende findet sich das Erlebnis eines Ortes oder Raumes, der Anregungskontext von alter Architektur, aber auch wohlüberlegter neuer Raumgestaltung überschreitet die Routinen eines herkömmlichen Museums, eines Theaters oder Seminarraums, schließlich kann sich sogar das neu entdeckte Raumerleben zur Sensation ausbauen.

Besonders ästhetisch gestaltete Räume steigern das Wohlbefinden und grundieren das Kunst-, Kultur- und Lernerlebnis positiv. Ebenso kann ein schöner Ort in der Natur Stimmungen lockern und Aufnahmebereitschaft präparieren.

Orte haben oftmals eine unverwechselbare Qualität, das Authentische verbürgt vor allem die jeweilige Historizität und Einzigartigkeit und affiziert auch das Lernen und die Teilnehmenden mit einem Gefühl des Besonderen. Gegen die Vervielfachung des virtuellen und medialen Raumes setzt der im vorher beschriebenen Sinn authentische Raum einen Kontrapunkt.

Die Exkursion an einen authentischen Ort trägt außerdem zur Veranschaulichung und Beglaubigung von Wissen und Erfahrungen bei. Anschaulichkeit, das heißt sinnliche Primärerfahrung, ist immer noch die Grundlage von Urteil und Erkenntnis.

Andere und neue Kontexte wirken auf die Wahrnehmung des hergebrachten Kulturstoffes zurück. Die Königsdramen von Shakespeare zum Beispiel erfahren, dargeboten in einer monumentalen Industriearchitektur, nämlich einer Abstichhalle am Hochofen, neue Bedeutung und Aktualität.

Wenn Bekanntes in eine neue ungewohnte Umgebung verpflanzt wird, können die damit verbundenen Verfremdungseffekte bisherige Sichtweisen kultureller Produkte entgrenzen und stereotype Betrachtungen aufbrechen helfen - der Verfremdungseffekt ist Geburtshelfer für veränderte Sichtweisen auf Relikte, Kunstwerke, andere Darstellungen.

Eine Steigerung des Verfremdungseffektes bedeutet es schließlich, wenn Orte und deren Zusammenhänge völlig neu zu sehen gelernt werden, dies gilt, wieder beispielsweise, für die Industriearchitektur, die vorher nur als Ort der Plackerei und Wertschaffung betrachtet wurde und deren nun zu Bewusstsein gekommener Bauhaus-Stil dazu beiträgt, sie als architektonisches Welterbe und neuen Veranstaltungsort zu schätzen.

Neue Räume und Ortswechsel fordern zu einem Habituswechsel im Lernen auf: vom Habitus des eher rezipierenden zur Haltung des forschenden Lernens. Es handelt sich um eine investigative Haltung, die Nähen zeigt zu den Verhaltensweisen einer Expedition ins Unbekannte, die die räumliche Umgebung immer wieder neu prüfen und zur Grundlage von Entscheidungen und Interpretationen machen muss. Orte ermuntern aber auch zum Abschweifen und zu Umwegen, die sachliche Intentionalität des kulturellen Kernprogramms wird durch die sinnliche Dimensionalität des Raumes gebrochen.

Diese authentische Dimension von Orten wiederum erfährt eine Steigerung der Wertschätzung gerade durch die Möglichkeiten ihrer medialen Vervielfältigung und Ausweitung. Die gesellschaftlich verlangte Steigerung von Mobilität und Flexibilität kann zugleich das Bedürfnis verstärken, einzelne Orte in ihrer Bedeutung intensiver zu erschließen. Hier liegt also kein Gegensatz begründet, sondern eine sich gegenseitig in ihrer Berechtigung stärkende Komplementarität.

Orte enthalten also ein reiches und in vielerlei Hinsichten noch nicht ausgeschöpftes Anregungspotential für kulturelle und andragogische Arrangements. Es ist bemerkenswert, dass in Begriffen wie dem der Lernarchitektur die Äußerlichkeiten natürlicher und gestalteter Orte Nähen anklingen lassen zu erwachsenbildnerischen Kategorien wie der der Passung oder der von der Kultur ausgeliehenen Benennung der Inszenierung. Hier verschmelzen langsam die Perspektiven zu einer neuen Gesamtsicht. Infolgedessen forderte kürzlich der Erwachsenenbildner Wolfgang Seitter zu Recht "die Erweiterung professioneller Kompetenzen in Richtung auf eine Pädagogik des Raumes" .

Verschwiegen seien trotzdem nicht Gefahren und Probleme einer Überwältigung des Bildungs-, Kunst- und Kulturangebots durch den Ort, die Kulisse dominiert in diesem Fall über den Inhalt. In "Wege durch das Land" wurde sorgfältig nach Entsprechungen und Zusammenhängen gesucht, oder sie wurden verantwortlich neu inszeniert, wo ein sachlicher Zusammenhang hergestellt werden konnte. Der Reiz der Industriekultur wird aber mitunter vorwiegend als Mittel des Marketings und der Zuschauerattraktion benutzt. Die Inszenierungen an erstklassigen Orten haben manchmal zweitklassigen Wert, monieren Kritiker. Die sogenannte Event-Kultur droht mit den überhohen Erwartungen an lokale und regionale Imageverbesserungen, Wirtschaftsförderung und "Einschaltquoten" nicht nur qualitative Standards beiseite zu schieben, sondern auch auf Dauer sich selbst zu unterlaufen, weil der nächste Höhepunkt den letzten und vorletzten Beitrag entwertet und somit auch der Ort des Geschehens schnell wieder ins Vergessen geraten könnte.

 

Ressourcen und Medien

Unsere Stichproben erlauben keine systematische Darstellung der Ressourcen, die für neue Lernsettings aufzuwenden sind - nur einige Hypothesen sind möglich.

 

Neue (und alte) Medien

Was macht die Medienentwicklung aus dem skizzierten Bild von Kultureinrichtungen? Zunächst wirken die neuen technischen Möglichkeiten sich heute in allen Arbeitsbereichen von Museen, Gedenkstätten und ähnlichen Einrichtungen aus: in der Außenpräsentation, in der Veränderung der Führungspraxis, in der medialen Erweiterung der Präsentationen, in Zusatzangeboten am Rande der Institutionen und nicht zuletzt in Versuchen, die Museen etc. in eine neue Beziehung zu anderen Orten, Institutionen und Sammlungen zu setzen. Die unvermeidlichen Warnungen vor "technological fix" und zuviel Medienspielerei sind ausgesprochen, die ersten und weitere Erfahrungen mit den Möglichkeiten und Kosten der neuen Medien gemacht, und eine gewisse Selbstverständlichkeit ist eingekehrt gegenüber dieser "Chance, einfach ein bißchen besser Kontext zu vermitteln" . Ob ein "guter Medieneinsatz" nun mit den oder gegen die neuen Sehgewohnheiten einer neuen Generation realisierbar ist, ob Verlangsamung oder Beschleunigung das Ziel ist, wird nunmehr weniger im Prinzip als im jeweiligen Anwendungsfall debattiert . Dass es aufgrund der Medienentwicklung z.T. enorm erweiterte und fruchtbare Möglichkeiten gibt, "originalbezogene Erkundungen" zu organisieren, ist nicht mehr zu bestreiten: Wenn ein Literaturmuseum die "Bringschuld" des Besuchers reduzieren kann, indem es Texte, Bilder, Musik, Filme, Graphiken und andere Materialien als interaktive Zugangskanäle zu einem literarischen Werk anbietet , so erhöht dies den Informations- und Erlebniswert des Besuchs so deutlich, dass auch die Wahrscheinlichkeit von Lernzuwächsen steigt. Auditive Besucherinformationssysteme erlauben auf dem heutige Stand der Technik ein weitgehend individualisiertes Navigieren durch Ausstellungen, und die gesichteten Beispiele zeigen nicht nur aufwendigste Möglichkeiten, sondern auch überschaubare Projekte wie etwa die Präsentation eines Gemäldes als Touchscreen mit Links zu einigen Audio-Hintergrundinformationen.

Im Unterschied zu durchschnittlichen Medienerfahrungen, nämlich solchen der passiven Rezeption und unilinearer Botschaften, könnten Museen in aller curricularen und didaktischen Freiheit und Vielfalt offene Vermittlungsprozesse organisieren und ermöglichen, in denen die Chance des Gegenteils, der Erweiterung von Autonomie und selbstgesteuerter kognitiver wie sinnlicher Such- und Lernbewegungen besteht.

Damit sei aber der Abwertung "alter", z.T. nicht einmal als Medien begriffener Medien nicht das Wort geredet: gedruckte Informationsblätter zu Einzelthemen und die schon lange selbstverständlichen audiovisuellen Ausstellungselemente werden auch dann notwendige Bestandteile der Informationsaneignung, Orientierung und "Einfühlung" sein, wenn sie nicht systematisch verknüpft sind mit neuen Speichermedien und all ihren Präsentationsmöglichkeiten. Auch altmodisch anmutende Kabinette, Dioramas, szenische Inszenierungen und "Vorführungen" behalten ihre Attraktivität, wenn sie Spezifisches (z.B. Sinneseindrücke, emotionale Impulse) vermitteln, das in anderen Medien "untergehen" würde. Gerade in einem Nebeneinander all dieser Angebote liegt nach Auffassung der museumspädagogischen Zunft die Chance eines Zugangs für alle. "Die Vorstellung von Interaktivität ist heute durch die neuen Medien besetzt. Sie kann jedoch ebenso in klassischen Medien erfolgen. Die individuelle Betrachtung eines Objekts, die Lektüre eines Texts sind nicht grundsätzlich passive Vorgänge. Sobald sie Assoziationen auslösen und eine Übertragung auf andere Zusammenhänge erlauben, hat ein Austausch mit den Objekten eingesetzt. Jede Ausstellung, die nicht einen einzigen linearen Durchgang vorschreibt, läßt sich als Hypertext lesen mit der Möglichkeit, Bezüge nach vorn und rückwärts herzustellen."

Auch die Erfahrungen anderer Medien - von Rundfunk und Fernsehen etwa - sprechen für die Annahme, dass die Verwendung neuer und neuester Medien nicht zu Lasten "alter" Nutzungen gehen muss - die im medialen Zusatzangebot verfügbaren Informationen können den "konventionellen" Gebrauch intensivieren und zu einer gezielteren funktionalen Nutzung beitragen.

Die schlichte Formel von der Möglichkeit, "mehr Kontext zu vermitteln", wird zum Understatement überall dort, wo neue virtuelle Verknüpfungen Institutionen und Ausstellungen nahezu vollständig "entgrenzen": Durch Verbindungen zwischen Institutionen und Orten verschiedenster Art (s. das Virtuelle Museum des Osnabrücker Nussbaum-Hauses), zwischen diesen Museen, Gedenkstätten etc. und technischen Wissensreservoirs (vgl. die Datenbankprojekte der Gedenkstätten) sowie zwischen verschiedenen Dimensionen des Begreifens, durch das Surfen von Link zu Link entstehen für die Nutzenden ortlose Settings, deren Lernwirkungen und (Über-) Komplexität noch kaum beschrieben, geschweige denn beurteilbar sind.

Die Intensität, mit der Museen und vergleichbare Institutionen das Internet nutzen, läßt sich - in Anlehnung an vorhandene Typologisierungsversuche (und an Printmedien) - in drei Stufen beschreiben:

die Minimalnutzung als Besucher-Information: eine "Visitenkarte" der Institution mit Anschrift(en), Lagebeschreibung, Öffnungszeiten;

ein erweitertes Grundangebot, das die Daten der vorgenannten Kategorie erweitert um Kurzbeschreibungen von Sammlungen und Wechselausstellungen sowie weitere Service-Informationen (z.B. Preise, AnsprechpartnerInnen für bestimmte Fragen, Hinweise auf museumspädagogische Angebote, Veranstaltungskalender) ("Kurz-Katalog");

virtuelle Museen im eigentlichen Sinne: diese enthalten umfangreiche Darstellungen der lokalen Ausstellungen und interaktive Lernmöglichkeiten. Dazu zählt nach dem gegenwärtigen Stand z.B. , dass mindestens Teile der Sammlungen und Ausstellungen online zugänglich gemacht werden, dass eine einladende Gestaltung zum Verweilen und zum realen Museumsbesuch motiviert, und dass im Netz Lernaktivitäten ermöglicht werden für verschiedene Gruppen, Interessenrichtungen und Lernstile.

Aber nicht allein die Übertragung (und Erweiterung) traditioneller Sammlungen in digitalisierte Form und interaktive Angebote sind unter dem Kriterium der Besucherzentrierung und der Lernchancen von Belang. Wenn mitbedacht wird, dass "Zugang" zu Informationen nicht eine bloß technische Frage, sondern ebenso eine solche der Orientierung, Kontextualisierung und Reflexion ist, sind gerade die Verbindungen und Verbünde zwischen den virtuellen "Räumen" und örtlichen, kommunikativen Settings möglicherweise noch eher geeignet, selbstgesteuerte und nachhaltige Lernprozesse, kognitiven und sozialen Kompetenzerwerb in Gang zu setzen.

Eine begrenzte Verwendung von Medien liegt aber nicht nur aus den genannten prinzipiellen Gründen nahe - auch technisch-praktische Aspekte wirken sich hemmend aus: Wie die bereits mehrfach zitierte Enquête des Instituts für Museumskunde von 1998 erweist, setzten 1998 erst ca. 39 % der Museen überhaupt Computer ein - davon die allerwenigsten außerhalb von Verwaltung, Publikations- und Archivwesen, so z.B. in den technisch fortgeschrittensten Arbeitsbereichen wie der Bildspeicherung. Die Nutzung des Internets (damals weniger als die Hälfte) dürfte sich seither intensiviert haben, aber auch unsere eigenen Besuche und ExpertInnengespräche zeigen die "Mühen der Ebene" auf, die mit neuer und anfälliger Technik, unzureichenden Betriebsmittel- und Reparaturkostenetats, immer schneller veraltenden Ausrüstungen u.ä. einhergehen.

"Ermöglicher" und andere

Die rasante Erweiterung medientechnischer "Zusatzangebote" wird zumeist begeistert aufgenommen, schafft aber auch neue Bedürfnisse der Orientierung und Reflexion. Dies lässt sich nicht nur abstrakt feststellen - auch unsere Blicke in Kultureinrichtungen zeigen eine Zunahme (nicht von "Planstellen", sondern) von Rollenmodellen der Lernbegleitung und -stimulation.

Die institutionsinterne Position der museumspädagogischen Abteilungen als "Übersetzer" zwischen Institution und Öffentlichkeiten hat sich gefestigt, aber daneben sind wir einem ganzen Bündel von Tätigkeiten begegnet, die unter Rückgriff auf die in der Einleitung geschilderten Kategorien "Ermöglicher" genannt werden kann. "Ermöglichung" schleicht sich in andere Berufsbilder z.B. dann ein und verändert diese, wenn Museumskuratoren am Bildtelefon Berliner und anderen Passanten Auskunft über Leben und Werk des Künstlers Nussbaum geben, wenn wie in der Dortmunder DASA pädagogische Überlegungen die gesamte Ausstellungskonzeption mitprägen oder MuseumsführerInnen mit Besuchergruppen über Machart und Tricks von Ausstellungsgestaltungen diskutieren. Sie wird zum neuen Berufsfeld, wo Internetdesigner virtuelle Lernräume konzipieren, wo "Vorführer" historische und aktuelle Technik begreifbar machen oder wo Vernetzungskünstler ein theatralisches Großereignis aus Orten, Einzelakteuren, Schulklassen, Vereinen, örtlichen Kaufmannschaften und gar Kommunalverwaltungen komponieren.

Die Bedeutung von Tutoren, LernberaterInnen und ähnlichen Funktionen wird dort noch zunehmen, wo sich die Aufmerksamkeit auf die Gefahr neuartiger sozialer Spaltungen richtet: Selbstlernkontexte, wenig strukturierte Lernsituationene sowie die indirekten, impliziten Lernpotentiale kultureller Settings auch für Lernungewohnte zu erschließen, wird mit der Vervielfältigung von Lernoptionen und -wegen noch dringlicher. Die neu und zusätzlich erschlossenen Wissensbestände allen AnwenderInnen zugänglich zu machen, ist bildungspolitisch erwünscht und sinnvoll, und solche Ansprüche können wohl nicht ohne nüchternen Rückbezug auf pädagogische und lernpsychologische Kompetenzen erfüllt werden.

Aber auch andere Imperative sprechen dafür, die Dimension personaler Vermittlung weiterhin ernst zu nehmen: Die Gefahr allzu eindimensionaler und insofern gerade der Selbststeuerung entgegenstehenden Arrangements besteht auch und gerade in medialen Lernumgebungen angesichts technischer, professioneller und finanzieller Defizite fort ; steigende Ansprüche an die Diskussion und Reflexion des in den Institutionen Gebotenen und die Diversifizierung der Interessen erfordern es, immer häufiger Experten verschiedener Themen und Formen hinzuziehen; und schließlich bieten möglicherweise informelle Gesellungen, Alltagsexperten für "entlegene" Themen und kompetente Vorruheständler eines der wenigen noch problemlos erschließbaren Personalpotentiale, um die Qualität der Kultureinrichtungen zu steigern.

Die Frage, was neue Lernsetttings in Kultureinrichtungen konstituiert,, konnte - gesättigt durch Beispiele und die Zusammenführung einiger spezifischer Diskussionsstränge - mit aller Vorsicht beantwortet werden. Wenn das Augenmerk noch einmal auf die teils vorhandenen, teils erwarteten Vermittlungskompetenzen der "Ermöglicher" gerichtet wird, dann auch in der Absicht, einen Fortbildungsbedarf auf diesem Feld zumindest anzudeuten., Für die neuen Lernarrangements gibt es noch keinen Ausbildungszuschnitt; die arbeitsfeldspezifische Komposition fachwissenschaftlicher, didaktischer, künstlerischer, technischer, animatorischer usf. Kompetenzen ist noch weitgehend der Improvisation überlassen, blickt man über das engere Feld der Museumspädagogik hinaus.

 

Lernarrangements: Wirkungen und Probleme

Kulturerlebnisse und Bildungserlebnisse

Ein in den untersuchten Projekten und Institutionen immer wiederkehrendes, in Ankündigungen von Veranstaltungen wie im Reflexionsgeschäft stets präsentes Zauberwort ist das des "Erlebnisses", in diesem Begriff kreuzen sich Perspektiven und findet sich offenbar Unterschiedliches zusammen: Soziologische Zeitdiagnosen, pädagogisch-methodische Ambitionen, kulturelle Animationen und Marketingstrategien sowie soziokulturelle Öffnungsversuche. Kultur als Erlebnis, das scheint den einen ein ebenso selbstverständlich einleuchtendes Motto und Versprechen zu sein wie den anderen eine Parole des künstlerischen Verfalls. Es besteht allerdings die Gefahr, dass das Erlebnisversprechen und die Erlebniserwartung zum universellen Tauschmittel einer Kulturindustrie degenerieren.

Was das Erlebnis eigentlich darstellt und worin es subjektiv besteht, das ist heute - trotz des zu konstatierenden Trends - eigentümlicherweise in der Erwachsenenbildung wie Museums- und Kulturpädagogik relativ wenig untersucht und bestimmt. Dass dieser Begriff auf ein Intensitätsverhältnis des Subjekts zu einem Aneignungsgegenstand verweist, ist naheliegend. In einem klassischen Sinne markiert das Erlebnis eine innerliche Ergriffenheit des Menschen von einem Gegenstand oder Vorgang; in seinem materiellen Weltbezug kann das ein Verhältnis sowohl zu Kunstgegenständen, Bildungsgütern, religiösen Objekten, Alltagsabläufen oder Wertvorstellungen sein. Bildung und Kultur als Erlebnis, das wurde besonders in der Romantik als Qualität des Fühlens und der Leidenschaft identifiziert . Die Jugendbewegung und die Reformpädagogik der Jahrhundertwende und der 20er Jahre legten dem Bildungserlebnis ähnliche Erwartungsdimensionen zugrunde, betonten aber noch einmal besonders die Lebendigkeit, die Anschaulichkeit und die Ganzheitlichkeit. Auch das Moment der Begegnung und der Freundschaft im Medium des kulturellen Ereignisses wurde nicht vergessen.

Man bedient sich also schon seit langem des Erlebens als eines pädagogischen Mittels, obzwar man sich in anderen Zeitphasen insbesondere von den Überdehnungsformen, dem Rausch-, Erregungs- und Hingebungscharakter des (Bildungs-)Erlebnisses distanzierte und Aneignungsvorgänge erheblich nüchterner und instrumenteller beschrieb. '‘Echte Erlebnisse" kann man nach den alten Auffassungen nicht am Fließband organisieren, sie sind vielmehr Okkasionen und Geschenke.

Unscharf blieb und bleibt auch in mancher Hinsicht das Verhältnis von Erlebnis und Wissen, hier wird oft ein Zusammenhang postuliert, ohne ihn weiter zu explizieren. Vor den skizzierten Hintergründen muß die Renaissance des Erlebnisses in den kulturellen Arrangements der Gegenwart nicht überraschen, sie sollte aber auch nicht überbewertet werden. Sehr wahrscheinlich entfalten die heutigen Erlebnisappelle der Kulturinstitutionen ein eigenes Szenarium und besitzen nur eine begrenzte Übereinstimmung mit den alten Auffassungen.

 

Die Zeit als Intensivierungsmoment

Da wir nur begrenzt Besucheruntersuchungen vorstellen können, galt unser Blick vornehmlich den Erlebnisarrangements der Anbieter. Neben den schon diskutierten Erlebnisqualität bietenden Orten fällt als Intensivierungsebene die zeitliche Dimension besonders auf. Es geht nicht nur um Überraschendes im historischen Gewande, sondern um zeitliche Verdichtungen und Beschleunigungen. Hier fielen die blind dates auf, die eine Art Atemlosigkeit und einen Erlebnissog unter den Teilnehmenden zu wecken imstande waren. Aber auch das Surfen im Internet lässt möglicherweise eine schnelle Rhythmik, einen Erfahrungshunger und eine subjektive Steigerung der Erfahrungsintensität entstehen. Die Beschleunigung erzeugt eine Stimmung ständig steigender Aufmerksamkeit und Neugierde, eine anschwellende Faszination, die dann plötzlich abbricht und später in anderen Kontexten nachgearbeitet werden sollte.

Das Gegenteil der Beschleunigung, die Verlangsamung, kann den gleichen Zweck der Motivierung und Lernintensivierung erfüllen: Das Exemplarische und Besondere in einer gewissen ‘Reinheit’, die Gelassenheit und die Anlehnung an (vermeintlich?) natürliche Rhythmen markieren diese andere Seite der Lernkultur. Die Forderung nach Langsamkeit begleitet schon immer die Debatten um Lernen und Lernzeiten , und ihre Protagonisten sind nicht immer immun gegen kultur- und zivilisationskritische Verflachungen. Die künstliche Verlangsamung bzw. die Berücksichtigung natürlicher Zeitrhythmen bietet dennoch zweifelsohne wichtige Chancen.

Ein weiteres Differenzierungsmoment bedeutet der subjektive Zeitrhythmus, der als ein qualitativer, selbstbestimmter Zeitrhythmus begriffen werden kann, in dem die eigenen Aneignungsweisen im Anschluss an die persönlichen Gewohnheiten zur Geltung kommen können. Ein solcher selbstgesteuerter Zeitverbrauch wird heute durch die handlungsorientierten Angebotsarrangements von Museen und ihre mediengestützte Informationsbegleitung verstärkt ermöglicht.

Die bewusste Gestaltung der Zeitdimension ist also in mehrerlei Hinsicht von großer Bedeutung für die kulturelle Betätigung und das Lernen Erwachsener. Es zeigt sich aber auch, dass die richtige Wahl von Zeitrhythmen einerseits gegenstands- und kontextabhängig ist, anderseits auch von den Besuchern und Teilnehmern mit- oder selbstbestimmt sein muss.

Handlungsorientierung

Unter Handlungsorientierung versteht man heute vornehmlich die Berücksichtigung praktisch erprobender Möglichkeiten im methodischen Repertoire der Pädagogik. Die Besucher und Teilnehmenden sollen aktiv werden, spielen, ausprobieren, entdecken, Rollen übernehmen, Ersatzhandlungen vornehmen, in Als-Ob-Situationen etwas einüben und sich einfühlen. Sinnlich-haptische Elemente werden eingebaut und Erkundungsvorgänge inszeniert, um alle Sinne und Erlebensdimensionen anzusprechen und auf diese Weise zu motivieren und Lernressourcen zu mobilisieren. Die Qualitäten besonderer Lernorte und die Atmosphären neuer Lernumgebungen werden zur Entfaltung gebracht. Auch hier wird also etwas mehr Kontext angeboten und den Teilnehmenden aktives Verhalten in den verschiedenen Dimensionen des Kognitiven, des Emotionalen und der Körperlichkeit abverlangt.

Viele dieser Elemente konnten wir in den Angeboten und Arrangements der untersuchten Kulturinstitutionen wiedererkennen. Sie bewegen die Besucher und Teilnehmenden zu einer investigativen Haltung und zur Selbsttätigkeit. Sicher waren die alten Formen der Kulturaneignung nicht nur passiv und sind einfache Entgegensetzungen von Rezeption und Aktivität schief, dennoch bieten diese neuen Möglichkeiten ein erweitertes Spektrum an selbstgesteuerter Aktivierung und Aneignungsmöglichkeiten.

Lebensstile, Lebenswelten, Erlebnisroutinen

Dass zwischen dem Bildungserleben der Romantik und einem heutigen Museumsfest, das Rummel und Spektakel bietet, ein qualitativer Unterschied besteht, leuchtet ein. Dennoch indizieren diese beiden Pole auch heute gegenwärtige Kulturstile und soziale Differenzierungen. Das Projekt "Wege durch das Land" dürfte eher ein klassisches bildungsbürgerliches Publikum interessieren, eine Ausstellung wie die der DASA einen repräsentativen Durchschnitt der Bevölkerung anziehen, während im Kontext langer Museumsnächte auch ein breiteres am Erlebnismarkt orientiertes Publikum angesprochen wird.

In seiner sozialen Funktion zielte der frühere Gebrauch von Kunst, Kultur und Bildung auf soziale Distinktion, Gruppen- und Gemeindebildung, die Entwicklung des Geschmacks und eines bildungsbürgerlicher Gestus zum Zwecke der eigenen Überhöhung. Die ‘Sozialisierung der Kultur’ durch den Erlebnismarkt bricht das alte Besucherspektrum auf und führt zu einer Verbreiterung solcher Verhaltensweisen und Verständnisse. Diese verweisen auf ein zwar innenorientiertes aber eher hedonistisches Verhalten, nämlich etwas erleben und für sich haben zu wollen. Erlebnisrational gehandelt wird nach Schulze, wenn "Situationen zu Erlebniszwecken instrumentalisiert" werden. Es ist das Subjekt selber, das diesen Prozess betreibt.

Schulze differenziert in den empirischen Untersuchungen seiner Kultursoziologie verschiedene Milieus und Erlebnisroutinen aus, auf die hier nur pauschal verwiesen werden kann, die aber bei ihm im Hinblick auf kulturelle Praxen und auch in verschiedenen empirisch orientierten Anschlussuntersuchungen, z. B. bei Schuck-Wersig und Wersig , produktiv gemacht worden sind. Diese Untersuchungen bedienen vornehmlich ein soziologisches Interesse, die Erkenntnisabsichten zielen auf soziale Strukturen und abstrahieren deshalb ein Stück von der individuellen Aneignungstätigkeit. Was wissen wir aber darüber hinaus, als dass Erlebnisse und Erlebnisangebote an Alltagsroutinen und Lebenslagen anschließen und Motive für kulturelle Praxis und Bildung abgeben? Im Kern des Verhältnisses von Erlebnis und Aneignung herrscht immer noch viel Nichtwissen und relativ große theoretische Leere. Die konstruktivistische Übersetzung von Erlebnisrationalität hieße möglicherweise Viabilität, auch diese Kategorie verweist pragmatisch auf eine Relation und eine formale Korrespondenz von Angebot und Nachfrage. Trotz der Kritik an naiven Lehr-Lern-Annahmen umkreist auch der Konstruktivismus in seinen theoretischen Näherungsversuchen möglicherweise nur eine black box.

Schulze unterlegt dem Erlebnis lakonisch eine "psychophysische Wirkung", ohne sie weiter charakterisieren zu können, die ‘Qualitätskontrolle’ liegt also beim Besucher selbst. Allenfalls kann in dieser Perspektive die Wirkung über die quantitative Nachfrage als qualitativ bedeutsam identifiziert werden. Es ist doch etwas überraschend, dass eine auf die soziale Gesamtheit zielende Kultursoziologie, die auf der Erlebniskategorie ruht, die Wirkweisen des Erlebnisses im Subjekt nur so lapidar erläutert.

Kultursoziologische Betrachtungen können jedenfalls nur in Grenzen Hinweise auf Aneignungsweisen geben und vermögen wenig Aussagen über die Bedeutung von Inhalten machen. In den Betrachtungen und Analysen rücken Begriffe wie Erlebniserwartung, Teilnehmer, Besucher und Kunde immer näher zusammen.Die unkritische Handhabung dieser Übersetzungsleiste "Erlebnisorientierung - Besucherorientierung - Kundenorientierung" gebiert aus kulturpädagogischer wie andragogischer Sicht Gefahren, unter anderem die der Vernachlässigung der Inhalte.

 

Die Kultureinrichtungen und ihr Publikum

Veranstaltungen und Teilnahmemotive

Die vorgestellten Veranstaltungsformen setzen auf vielerlei Motive bei den TeilnehmerInnen bzw. BesucherInnen. In den hier stark im Vordergrund stehenden Museen fällt auf, dass es neben Bildungs- bzw. Lernambitionen im klassischen Sinn, auch das Bedürfnis nach Unterhaltung, Genuss und Zerstreuung gibt, auf das die Einrichtungen schon seit mehr als einem Jahrzehnt Rücksicht nehmen. Es gibt in unseren Beispielen so gut wie keine Hierarchie in der Bewertung der Motive, im Gegenteil: Die neuen wie alten Veranstaltungsformen changieren in dieser Hinsicht sehr bewusst und eröffnen damit dem Nutzer einen Zugang seiner Wahl. Jede Veranstaltung darf und kann ein Erlebnis der einen und/oder anderen Art werden.

In Archiven mag noch am ehesten – verstärkt durch den vorherrschenden Schulbezug - die Vermittlung im Zentrum der Arbeit mit dem Publikum stehen, aber auch hier hat sich von beiden Seiten eine Veränderung hin zu "weichen" Formen des Lernens und Aneignens durchgesetzt. Insbesondere die "Offenen Archive" knüpfen an emotionale Potenziale ihrer Nutzer an. Mit dem Einsatz von Computern sind auch Elemente des Spiels hinzugekommen, die von (meist jugendlichen) Besuchern, abhängig von ihrer Medienkompetenz, teils dort erst "erlernt", teils ganz selbstverständlich abgerufen werden.

Gedenkstätten beklagen zunehmend, über ihr Publikum zu wenig informiert zu sein. Das Motivbündel, von dem sich BesucherInnen vermutlich leiten lassen, setzt sich trotz einiger Überschneidungen anders zusammen als in Museen: Jüngere und ältere Erwachsene suchen, wenn sie freiwillig dorthin kommen, weniger "Zerstreuung" als vielmehr die Konfrontation mit einer vergangenen Zeit und ihren Ereignissen. Sie möchten sich informieren, auseinandersetzen, vielleicht auch trauern. Als Stätten bundesdeutscher Geschichts- und Erinnerungskultur sind sie auch Foren der Aufarbeitung. Die Entwicklung, dem Einzelnen keine engumrissenen "Lehren" mehr vermitteln zu wollen, wird seit einigen Jahren durch die Nutzung von Multimedia möglicherweise verstärkt. Zum einen ist mit der Technisierung eine Versachlichung eingetreten, die vor emotionaler Überwältigung schützt, zum anderen wirkt dieser Lernprozess auch als Selbstbestimmung in andragogischer Sicht: Was BesucherInnen "mit nach Haus" nehmen möchten, ob und wie sie an Fragen weiterarbeiten, bleibt ihnen überlassen. Für Beratungen stehen ExpertInnen dennoch bereit, und vielerlei vertiefende Veranstaltungen bieten in dieser Hinsicht (auch organisierte) Anschlussmöglichkeiten.

Das Prinzip der Selbsttätigkeit oder der Selbstbestimmung, das das Verhältnis der Institution zum Publikum mehr und mehr bestimmt, lässt sich mit der Tradition des erwachsenendidaktischen Prinzips der Teilnehmerorientierung zusammenführen. In der Definition der Teilnehmerorientierung von Tietgens sei, so de Cuvry u.a., die selbsttätige und selbstständige Wissenserschließung bereits enthalten . Anders verhält es sich mit dem erwachsenendidaktischen Problem der Passung, also der intendierten Balance zwischen "objektiven Lernanforderungen und subjektiven Lernvoraussetzungen"; es ist angesichts der entgrenzten "Publikumsmodelle" in den Institutionen und der vielschichtigen Motivbündel der Besucher weder auf die Lernarrangements noch auf die Beziehung zwischen "Anbieter" und "Nutzer" begrifflich und situativ anwendbar. "Objektive Lernanforderungen" sind den hier vorgestellten Lernarrangements selten zugrunde gelegt worden, dagegen spielten die subjektiven Lernvoraussetzungen eine große Rolle. Wie eine Didaktik des Lernens in Kultureinrichtungen zu skizzieren sei und ob das Prinzip "Passung" darin weiter Gültigkeit hat, bedarf wohl einer die Erfahrungen und Diskussionen der Museumspädagogik wie der Gedenkstättenarbeit einbeziehenden Reflexion.

BesucherInnen, unbekannte Wesen

Nach einer Erhebung des Berliner Instituts für Museumskunde arbeitet die große Zahl der Museen mit Bildungseinrichtungen und Vereinen regelmäßig zusammen. Die am häufigsten vertreten Zielgruppen waren darin Touristen, Schulklassen, Kinder und Jugendliche sowie Behinderte und Migranten . In einer wichtigen museumspädagogischen Publikation, so fasst Kohn noch 1997 zusammen, finde sich kein didaktisches Konzept, "das die Zielgruppe Erwachsene genauer analysieren würde, beispielsweise nach Lebensphasen, beruflichen Belastungen, politischer Ausrichtung, Geschlecht oder Familienstand". Für solche Konzepte müsste das Publikum besser gekannt werden. Hier liegt aber, ähnlich wie in der organisierten Erwachsenenbildung, ein Defizit – ein Umstand, der von den Professionellen auch auf die methodischen Schwierigkeiten solcher Erhebungen zurückgeführt wird.

Der an sich nützliche Zustand, dass viele Kultureinrichtungen Besucherbücher führen, ermuntert eigenartigerweise bis heute trotzdem nur wenige Institutionen, diese in qualitativer Weise und gerade im Hinblick auf Besucherinteressen und Rezeptionsweisen auszuwerten; hier liegt ein Potential brach. .

Allerdings scheint der Blick auf Zielgruppen mit der Etablierung pädagogischer Sichtweisen genauer zu werden: Angebote für unterschiedliche Altersgruppen, solche für Berufsgruppen, Auszubildende, Frauen, eingewanderte Jugendliche und Erwachsene nehmen im Spektrum der Kultureinrichtungen zu . Das Bildungsbürgertum droht dagegen als fest umrissene Zielgruppe mehr und mehr zu schwinden . In diesem Zusammenhang ist die Kooperation mit Bildungseinrichtungen enger geworden: Nach einer Erhebung des Berliner Instituts für Museumskunde wirken die meisten Museen mit mehreren Institutionen regelmäßig zusammen – 51% der Museen mit Schulen, 39,2% mit Vereinen und Kirchen, 25,2% mit Volkshochschulen, 34,4% mit Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen .

Ein Vielzahl von Anhaltspunkten spricht dafür, dass allgemeinere lebensweltliche Orientierungsbedürfnisse im Zentrum der Besucherinteressen stehen und insofern auch heimatkundliche Traditionen angesichts gesellschaftlicher Beschleunigungstendenzen einen erstaunlichen Stellenwert behalten. Einzelne empirische Untersuchungen sprechen für die These, dass eine gewisse Spaltung zwischen dem Publikum von "konventionellen" und demjenigen von modern inszenierten Ausstellungen entstanden ist – letztere werden stärker von jüngeren und formal besser gebildeten BesucherInnen wahrgenommen.

 

Museen und Internet - eine empirische Stichprobe

Eine repräsentative FORSA-Umfrage von 1999 und ihre Auswertung durch Berliner Kommunikationswissenschaftler unterstreicht diese Gefahr einer Publikums-Spaltung und die Notwendigkeit eines anhaltenden "Spagats" zwischen sehr unterschiedlichen Gruppen nachhaltig: Die Hälfte der Museums-Klientel hat noch keinen Anschluss an die technologischen Innovationen gefunden, ihre Zögerlichkeit muss berücksichtigt werden; da die Mehrheit der Nichtbesucher ebenfalls "technikinnovationszögerlich" sein dürfte, wird auch auf deren stärkere Gewinnung zu achten sein - im Interesse der Museen, aber auch als deren Beitrag zum Abbau von "knowledge gaps" und zur Einübung von "Wissenskommunikation".

Diese soeben veröffentlichte, im Dezember 1999 durchgeführte Repräsentativbefragung gibt erstmals verlässliche Auskunft zu den Überschneidungen von Museums- und Internet-Interessen, zur Bedeutung der Museumspräsenz im Netz und zur Nutzung von Museen und Netz in verschiedenen sozialen Milieus. Einige Resultate seien knapp referiert: 1999 nutzten 11,2 Mio. Menschen in Deutschland das Internet, das sind 17 % der Bevölkerung über 14 Jahre. (Im 2. Quartal 2000 waren es bereits 18,3 Mio. Bundesdeutsche, mithin 28,6 % .) Mittelfristig ist mit einer Nutzer-Quote von 40-45 % zu rechnen. 52 % der Internetnutzer haben in den letzten 12 Monaten ein Museum oder mehrere besucht; ca. 20% der MuseumsbesucherInnen frequentieren regelmäßig das Internet. Zwei Drittel der MuseumsbesucherInnen gehen 1-3 mal jährlich ins Museum, ein Viertel tut dies 4-10 mal im Jahr; unter den Oft-BesucherInnen sind Höhergebildete, Frauen und die Altersgruppe der 30-59jährigen überrepräsentiert. Fast 70 % der Internetnutzer gehen gelegentlich in Museen - Museumsbesucher, die das Internet nutzen, sind eher männlich, jung, großstädtisch, ungebunden und berufstätig. Unter milieusoziologischen Gesichtspunkten betrachtet, neigen vor allem "postmoderne" und "liberal-intellektuelle" Gruppierungen zum Museumsbesuch, in zweiter Linie und eher durchschnittlich das konservativ-technokratische, das aufstiegsorientierte. das hedonistische, das traditionelle und das moderne Arbeitermilieu.

Die Studie gibt neue Hinweise auf die Zusammensetzung der BesucherInnen und noch zu erschließende Potentiale: Offenbar rekrutieren sich die bekannten und recht hohen Besuchszahlen nicht nur aus Stammbesuchern ("immer wiederkehrenden treuen Anhängern des Hauses"). "Die große Mehrzahl der Museumsbesucher sind (sehr) gelegentliche Besucher, die sich an den übrigen 49 bis 51 Wochenenden im Jahr für andere Freizeitaktivitäten und -angebote entscheiden." Die starke Resonanz unter"postmodernen" Gruppen lässt vermuten, dass Museen hier offenbar als "Erlebnisorte" wahrgenommen werden; eine intensivere und häufigere Nutzung ist in dem von G. Schulze so genannten "Niveaumilieu" nachweisbar. Unter den heutigen NutzerInnen von PC, CD-ROM und Internet - ca. 40 % der Bevölkerung - sind zwei Drittel MuseumsbesucherInnen, so dass die Präsenz von Museen in virtuellen Welten unverzichtbar wird, soll diese "Innovatoren"-Gruppen gehalten werden; dies gilt nicht nur für die Außenrepräsentanz der Institutionen, sondern auch für die "normale" ortsverhaftete Arbeit.

Tourismus

Kultureinrichtungen und Tourismus hatten stets eine enge Verbindung. In den Einrichtungen lässt sich aber eine neue, bemerkenswerte Tendenz erkennen: Der Tourist wird in Museen stärker als potentiell lernender Besucher wahrgenommen und angesprochen. Das flanierende "Nippen" an einem Angebot gilt als legitim und erwünscht in der Hoffnung, mehrmalig zu einem Besuch animieren oder für vertiefende Formen und Lernarrangements gewinnen zu können. Für Gedenkstätten gelten ähnliche Entwicklungen. Hinzu kommt aber eine spezifische Bildungsintention oder auch ein neues Tourismuskonzept: die Einrichtungen bemühen sich darum, den TouristInnen eine Landschaft oder Region nahezubringen, die problematische Phasen und Orte jenseits der Sehenswürdigkeiten nicht verschweigt, sondern die "ganze Geschichte" erzählt. Als eines von vielen Beispielen kann das Expo-Projekt "Wege der Erinnerung" gelten: Die OstwestfalenLippe Marketing GmbH betreibt darin - wie sie es nennt - regionale und überregionale Imagearbeit durch die Thematisierung und Visualisierung der Jahre zwischen 1933 und 1945 und stellt Bezüge her zu universellen Dimensionen von Erinnerungskultur.

 

Kommunikation und Interaktion

Eine im Porträt zum Haus der Geschichte in Bonn zitierte Umfrage hat Begrenzungen musealer Lernarrangements aufgezeigt: Das Wissen werde bei denjenigen Besuchern nicht erweitert, die sich über ihre Erlebnisse und Erfahrungen nicht auszutauschen vermögen. Kommunikation und Interaktion werden zwar auch in anderen Kultureinrichtungen als relevant angesehen, treten aber, so scheint es, gegenüber der aktuellen Wertschätzung der Informations- und Kommunikationstechniken und den damit verbundenen Erwartungen zurück. Mit der Möglichkeit, Sachpräsentationen und Informationen direkt via Terminal zu kommentieren oder weitergehend mit der Einrichtung von Chat rooms können Kommunikationsbedürfnisse zumindest in schriftlicher Form artikuliert werden. Informations- und Kommunikationstechniken würden, so Richard Stang, zu "wichtigen Werkzeugen, sich Wissen anzueignen"; es bedürfe veränderter Bildungskonzepte, "deren integraler Bestandteil die Vermittlung von Medienkompetenz ist" . Ob kommunikative Kompetenz in Medienkompetenz "aufgeht", und sich damit neue, weitergehende Lernprozesse andeuten, die weniger sprachlich-mimisch-gestischen Austausch benötigen, und ob sich dabei Generationenspezifika zeigen, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu beantworten.

Generell ist jedoch davor zu warnen, interaktive Leistungen technischer Arrangements mit der Lernprozesse begleitenden sozialen Interaktion ineinszusetzen, was die Wirkungen angeht. Die Frage, welche Lernanstöße und Lernleistungen durch (multi)mediale Stimuli bewirkt werden könne, ist noch weitgehend unbeantwortet; einstweilen überdeckt die neue Zauberformel von der "Interaktivität" manche konkrete Unsicherheit und Frage. Als Kriterien für interaktive, aktivierende Settings werden angeboten:

BesucherInnen können Experimente machen.

Sie können ihre eigenen Fragen an Ausstellung und sonstige Institution stellen.

Kognitive Fortschritte ("intelligente Reaktionen" - und sei es in der Gestalt neuer Fragen) werden angestoßen.

Der soziale Vorgang des Museumsbesuches kann also durch technische Arrangements neue Reize wie Gefahr, Überraschung, Spannung, Handlungsdruck hinzugewinnen - ob aber lernförderlich oder lernbehindernd, die "Botschaften" und Aussagen anderer Exponate unterstützend oder störend, emtscheidet sich im Einzelfall der Planung, Realisierung und Rezeption.

Heterogenes Publikum - interdisziplinäres Setting

Eine augenfällige Tendenz wagen wir jedoch festzustellen: Die Kulturinstitutionen finden sich konfrontiert mit einer Heterogenität ihrer Besucherstruktur, die schon länger Realität ist, aber zunehmend ins Bewusstsein der Professionellen gerückt ist - nicht nur soziale, milieuspezifische und bildungsbedingte, sondern auch generationelle, regionale, subkulturelle Diversifizierungen der Besuchenden. Eine "Passung" zwischen den Settings der Museen, Gedenkstätten etc. und den Voraussetzungen der BesucherInnen herzustellen wird immer stärker den Letzteren abverlangt. Die Anschlussfähigkeit der präsentierten Kulturgüter und "Botschaften" an unterschiedliche Lebenswelten ist damit Erfolgskriterium für breitgestreute Resonanzen, und unsere Eingangshypothese, dass Kulturinstitute zunehmend biographische Referenzen und Verknüpfungen anbieten, hat sich in einer Vielzahl der untersuchten Projekte bestätigt (z.B. Nussbaum-Haus, Bonner Haus der Geschichte, Gedenkstätten, DASA, Erzählcafés und "Gesellungen"); dabei gehen Ausstellungen (wie auch die biographische Forschung) über bloß illustrative Ansätze hinaus und entfalten auf diesem Wege Assoziationsräume für ein komplexeres Verständnis der "Gegenstände" - der Bilder Nussbaums etwa, der individuell höchst unterschiedlichen Wege durch die "große Geschichte" oder der psychischen Abgründe, die mit Pflegeberufen verbunden sein können (DASA). Die Vermittlungstätigkeit der Musee und anderen Kultureinrichtungen ist zunehmend nicht mehr als asymmetrische Kommunikation vom Typus des Massenmediums zu begreifen, wie von Treinen typisierend angenommen ; individualiserte Aneignungen schieben sich in den Vordergrund.

Diese Notwendigkeit führt übrigens fast alle von uns betrachteten Projekte auf interdisziplinäre Pfade: "Literatur" bricht ein in Technikmuseen, immer mehr NS-Gedenkstätten veranstalten Kunstausstellungen und kreative Workshops, das Eisenacher Bachhaus bietet eine sozialgeschichtliche Tagestour "Auf den Spuren Bachs", Theatermethoden verbinden sich mit Geschichtsaufklärung, kreatives Schreiben mit Kunstbetrachtung, Architekturgeschichte mit Lebensgeschichten, und die "wilden Mischungen" der geschilderten Museumsnächte sind nur ein Höhepunkt dieser Tendenz.

Informalisierung

Die von uns und in der neueren Diskussion so stark betonten informellen Settings sind in der Regel nicht als "pädagogische" deklariert, sondern als solche "moderner Information" und "intelligenter Unterhaltung". Damit stellen sich auch in diesem Bereich Indizien dafür ein, dass Grenzen zwischen "Schwerem" und "Leichtem", zwischen "Bildung" und "Freizeitgestaltung", zwischen Lernen und Kultur verschwimmen. Der "pädagogische Blick" ist vielerorts in das Gesamtsetting, in andere Professionen und Sparten eingewandert (und sei es in der Form der "Kundenorientierung"). Und der übliche Preis einer solchen Informalisierung und Veralltäglichung ist auch hier zu zahlen: Was die Ziele, Effekte und Lernhürden dieser neuen, weichen, individualisierten Arrangements sind, ist schwer zu überblicken und entzieht sich weitgehend didaktischen Begrifflichkeiten. Angesichts der Komplexität kognitiver und künstlerischer, lokaler und virtueller Angebote ist aber von einem steigenden Orientierungs- und "Lern"beratungsbedarf auszugehen, will man nicht eine sich verfestigende Spaltung zwischen souveränen und peripheren NutzerInnen riskieren.

Bildungsbürgerliche Attitüden und technokratische Verständnisse von Lernen führen immer noch weithin zur Abwehr der These, Museen und Ausstellungen seien Orte des Lernens. Unsere Erkundungen konnten zeigen, dass es sich (selbst dort noch, wo diese Gelegenheit gemeinhin stärker zugestanden wird, etwa in Gedenkstätten) um unterschätzte Lernorte handelt. "Weil Museum keine programmierten Lernsequenzen verabreicht, nicht mit geplanter und kontrollierter Gleichförmigkeit in Pensum und Ziel, ist es einer der zukunftsträchtigsten Bildungsorte - weil man dort ein anderes Lernen lernen könnte, weil dort Erfahrung an möglichst attraktiven Gegenständen und Tätigkeiten auch ohne didaktische Filter und mit offenen Ausgängen, mit Chancen zum Bildungserlebnis, das innovativ, für jedes Subjekt anders, denkbar, machbar ist."

Die Bildungs- und Lernziele derartig offener Arrangements sind abstraktere als in anderen Kontexten: Ein unübersichtliches und individuell höchst unterschiedlich realisiertes Bündel von Schau- und Experimentierlust, Wissen und Zerstreuung, lebenspraktischen und ästhetischen Motiven kann zur Mobilisierung und Aktualisierung der Schlüsselqualifikationen beitragen, die für gesellschaftliche, individuelle und berufliche Orientierungsprozesse an Stellenwert gewonnen haben: zu kommunikativer Kompetenz und metakognitiver Reflexivität, zur Einübung von Empathie und Umgang mit gebrochenen Identitäten, interdisziplinärem Denken und assoziativen Arbeitstechniken, zur Auseinandersetzung mit Fremdem und zur Verfremdung des Bekannten.

 

Thesen

· Museen und andere Kultureinrichtungen haben die für vergangene Jahrzehnte konstatierte fachwissenschaftliche Selbstreferentialität überwunden zugunsten einer alle professionellen Arbeitsfelder leitenden Nutzer- und Dienstleistungsorientierung.

· Museen, Gedenkstätten, Theater etc. bauen auf multiperspektivische Aneignungsprozesse und bieten daher immer häufiger zusätzliche Stationen, Medien, Wege und Richtungen für kognitive, sinnlich-ästhetische Rezeptionen und Experimentierprozesse.

· Die Dimensionen von Erlebnis, Genuss, Ereignis und Vergnügen werden immer bewusster und selbstverständlicher in die Arrangements der Kulturinstitutionen und ihre "Lernplanung" einbezogen.

· Die Besucher werden auf kreative Weisen aktiviert, die Aneignung von Kulturgütern bzw. das Lernen wird praktisch, spielerisch und investigativ angelegt.

· Besucherinnen und Besuchern bieten sich enorm erweiterte Möglichkeiten, zwischen "Modulen" und Zugangsweisen unterschiedlicher Dimension zu wählen und ein selbstgesteuertes Arrangement von kognitiven, sinnlichen, handlungs- und lustorientierten, lokalen und virtuellen Formen zu nutzen.

· Auratische Originale verlieren durch mediale Präsentationen ihre Bedeutung nicht, die Ansprüche an Kontextuierung und mehrdimensionale Rahmung steigen aber rapide an.

· Der Anregungscharakter von Orten und (auch realen) Ortswechseln ist aus den meisten musealen und kulturpädagogischen Settings nicht mehr wegzudenken.

· Biographien werden didaktisch zu selbstverständlichen Ausgangspunkten in vielfältigen Lernarrangements, und umgekehrt rufen Orte und "Stationen", mit denen musische, arbeitsbezogene oder zeitgeschichtliche Erfahrungen assoziiert werden, subjektiv-biographische Lernschichten ab.

· Alte und neue Formen des Lernens stehen sich nicht feindlich und ausschließend gegenüber, ihre speziellen Möglichkeiten entfalten sie vielmehr im Verbund, der ihre jeweiligen Vorzüge erst fruchtbar macht.

· Medien erweitern Informations- und künstlerische Anregungspotentiale innerhalb der Einrichtungen, überwinden aber auch immer stärker die Grenzen zwischen diesen sowie zwischen Kultursektor und übriger Gesellschaft.

· Medieneinsatz wird die Ebene personaler Vermittlung und Kommunikation nicht verdrängen, aber verändern: Bloße Informationstransfers können weitgehend technisch substituiert werden, kaum aber die Einübung von Wissenskommunikation und die Unterstützung zielgruppengerechter bzw. weitgehend individualisierter Aneignungs- und Reflexionsprozesse.

· Die Heterogenität des Publikums wird in neuem Ausmaß produktiv gemacht für spezifische Angebote: an unterschiedliche Altersgruppen, Bildungseinrichtungen jeder Art, Vereine und freie Gesellungen, Berufsgruppen ...

· Flanierende Touristen werden von Kultureinrichtungen zunehmend als potentielle Lernende wahrgenommen, und Tourismuskonzepte bemühen sich in Verbindung mit Museen und Gedenkstätten um eine komplexe Sicht auf Orte, Regionen, Landschaften.

· Die demonstrative Offenheit der neuen Settings kann folgenlose, ja soziale Spaltungen verschärfende Gebärde bleiben, wenn Kultureinrichtungen sich neben dem Werben um die souveränen Mediennutzer nicht explizit um "Innovationszögerliche" und den Abbau sozialer Schwellen bemühen.

· Interaktivität wird in kulturellen Settings nicht notwendigerweise in sozialen Kontexten abgerufen: Trotz der neuen Chancen, recherchierend auch eigene Fragen, Positionen, Kommentare zum Ausdruck zu bringen, machen "einsame Bildungserlebnisse" es erforderlich, dass die Verknüpfung und jeweilige Gewichtung von Multimedia und face-to-face-Komunikation bewusst gestaltet und moderiert wird.

· PädagogInnen, Moderatoren oder auch "Ermöglicher" übernehmen in Lernsettings mehr denn je eine "Brückenfunktion"; sie drängen sich mit ihren Inhalten nicht auf, sondern beraten, vermitteln, stiften Beziehungen und machen Bildungserfahrungen im weitesten Sinn möglich.

· Das selbstgesteuerte, autonome Lernen bewegt sich im Paradoxen, es verheißt einerseits "Freiheit von Institutionen" (P. Faulstich) und ist andererseits gezwungen, sich neuen, von Bildungsinstitutionen und kommerziellen Anbietern bereitgestellten Nutzungsstrukturen anzupassen.

· Kultureinrichtungen arbeiten nicht mehr ausschließlich im Spannungsverhältnis von institutionellen Ansprüchen und Erwartungen der BesucherInnen und Nutzer: sie werden zunehmend Teil der Kulturwirtschaft, die mit pädagogischen und inhaltsbezogenen Logiken nur partiell korrespondiert.

 

Anhang

Internetadressen der dargestellten Kulturinstitutionen bzw. -projekte

Aquarius (Mülheim): www.rww.de

Buddenbrook-Haus (Lübeck): www.buddenbrookhaus.de

Deutsche Arbeitsschutz-Ausstellung DASA (Dortmund): www.dasa-dortmund.de

Felix Nussbaum-Haus (Osnabrück): www.virtuelles-museum.de

Haus der Geschichte der Bundesrepublik (Bonn): www.hdg.de

Heinz Nixdorf Forum (Paderborn): www.hnf.de

Historisches Centrum Online (Hagen): www.hco.hagen.de/zwangsarbeit/

Kreismuseum Büren-Wewelsburg: www.ns-gedenkstaetten.de/nrw/de/wewelsburg/

Lebendiges Virtuelles Museum Online (LeMO): www.dhm.de/lemo

Museum Ostwall (Dortmund): www.museendortmund.de/museumamostwall

Museumsnächte: www.museumsnacht.de (Kassel) bzw. www.lange-nacht-der-museen.de (Berlin); weitere Hinweise: http://WebMuseen.de

Neanderthal-Museum (Mettmann): www.neanderthal.de

Politische Memoriale: home.t-online.de/home/PolMem.MV

Route der Industriekultur: www.route-industriekultur.de

S. Sigurdsson im Karl Ernst Osthaus-Museum (Hagen): www.keom.de/denkmal

Skulpturen-Projekt (Münster): www.artthing.de/artthing.de

Topographie des Terrors (Berlin):  www.topographie.de

Villa ten Hompel (Münster): www.muenster.de/stadt/villa-ten-hompel

Virtuelle Synagogen-Ausstellung: www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/synagogen.0.htm und www.cad.architektur.tu-darmstadt.de/synagogen/

Wege durch das Land: www.wege-durch-das-land.de

ZKM (Karlsruhe): www.zkm.de

Materialien zu ausgewählten Projekten

 

A) Haus der Geschichte der Bundesrepublik/Bonn und LeMO

Internet-Startseite, nach: "www.hdg.de"

Arbeitsvorschlag zu einem Schulwandbild, aus: Haus der Geschichte ..., Männer- und Frauengeschichte, Bonn 1997, S. 9

Ausstellungseinheit "Historische Verantwortung", aus: Materialien zur Vorbereitung von Unterricht im Museum, Heft 1: Gegenwärtige Vergangenheit, Bonn o.J., S. 34

Plakat "Braunes Haus", ebd. S. 38

Internet-Startseite von "LeMO", nach: " www.dhm.de/lemo/"

 

B) Villa ten Hompel/Münster

Internet-Startseite, nach: "www.muenster.de/stadt/villa-ten-hompel/ "

Skizze "Projektarchitektur" der Villa ten Hompel (unveröff.), Münster 2000

 

C) Sigrid Sigurdssons Arbeiten

Gedenkstätte Schillstraße (Braunschweig), aus: GedenkstättenRundbrief, hg. von der Stiftung Topographie des Terrors, Nr. 88 (4/1999), S.7

Kassetten des "Offenen Archivs" der Gedenkstätte Schillstraße, nach: "www.braunschweig.de/d/kultur/sonstige/schill/ns_gedenkstaette.html"

Raum "Vor der Stille" im Karl Ernst-Osthaus-Museum, Hagen, nach: "www.keom.de/denkmal/texte/fehr.html"

Übersichtskarte des Projekts "Deutschland - ein Denkmal - ein Forschungsauftrag", nach: "www.keom.de/denkmal/karte/hauptseite_chronologie.html"

Datensatz "Arbeitserziehungslager Kiel-Hassee" aus der Datenbank des Projekts "Deutschland - ein Denkmal - ein Forschungsauftrag", nach: "www.keom.de/denkmal/datenbank"

 

D) DASA (Deutsche Arbeitsschutzausstellung)/Dortmund

Auszug aus dem Werbefaltblatt "Besucherprogramme"

Auszug aus dem Werbefaltblatt "Besucherprogramme"

Übersichtspläne, aus: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.): Führer durch die Ausstellung, Dortmund 1999, S. 5

Besucherorientierende Symbole und Rollkarteien, aus: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.): Führer durch die Ausstellung, Dortmund 1999, S. 8/9

Erläuterung zur Museumsdidaktik, aus: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.): Mensch, Arbeit, Technik. Einblicke in die Deutsche Arbeitsschutzausstellung, Dortmund 2000, S. 36

Erläuterung zur Museumsdidaktik, aus: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.): Mensch, Arbeit, Technik. Einblicke in die Deutsche Arbeitsschutzausstellung, Dortmund 2000, S. 19

Auszug aus: Kilger, Gerhard: Mediengestütztes Lernen in der deutschen Arbeitsschutzausstellung, in: Kirsten Fast (Hg.), Handbuch der museumspädagogischen Ansätze, Opladen 1995, S.363 - 373, hier: 368-370

 

E) Literaturbüro Ostwestfalen-Lippe in Detmold - Wege durch das Land

Beispiel aus dem Veranstaltungsprogramm

Beispiel aus dem Veranstaltungsprogramm

Beispiel aus dem Veranstaltungsprogramm

Auszug aus: Labs-Ehlert, Brigitte/Tiedau-zur Lippe, Julia: Führ ihn nah an den Garten heran, Detmold 2000, S.50-53

 

F) Route der Industriekultur

Route Industriekultur - Entdeckerpass "Kreuz und quer durchs Ruhrgebiet", Umschlag-Innenseite

Route Industriekultur - Entdeckerpass "Kreuz und quer durchs Ruhrgebiet", S. 4-5

Route der Industriekultur - Unterrichtstafeln an der Autobahn, aus: Höber, Andrea/Ganser Karl (Hg.): IndustrieKultur. Mythos und Moderne im Ruhrgebiet, Essen 1999, S. 63

Angebote für Kinder und Familien, aus: Ruhrgebiet Tourismus GmbH (Hg.): Abenteuer Industriekultur, Dortmund o.J., S. 42/43

Foto von der Kokerei Zeche Zollverein (nun Ausstellungsgebäude), aus: IBA Emscher Park (Hg.): IBA’99 Finale. Internationale Bauausstellung Emscher Park. Das Programm, Gelsenkirchen 1998, S. 44