Lernateliers – Formen einer zukünftigen Lernunterstützung

Lernen in Büchereien – wenn es institutionell gefördert werden soll stellt sich die Frage, welche äußeren Rahmenbedingungen hierfür geschaffen werden müssen und welche inhaltliche Ausgestaltung diese Lernorte erfahren sollen. Für diese Umgebungen neuer Lernsettings gibt es unterschiedliche Begrifflichkeiten, wie z.B. Lernlandschaft, Lernraum, Lernboutique, Lernsalon, Bildungszone... Auch wenn es auf den ersten Blick befremdlich sein mag, den Begriff des Lernens mit dem Begriff Atelier zusammenzubringen, steht dahinter eine für den Lernprozess konstruktive Vorstellung: „In Lernateliers stehen Printmedien neben elektronischen Medien – animierend und inspirierend präsentiert, verbunden mit Fachauskunftsdiensten, verknüpft mit Expertennetzen, persönlich und medial, mit multimedialen Lernplätzen für Einzelne und Gruppen." Das Lernatelier steht für die Vorstellung, in Räumen mit dem Charakter eines Ateliers Lernen zu ermöglichen und zu inszenieren. Lernen soll dabei aus dem passiven konsumierenden in das aktiv Handelnde überführt werden und zugleich mit dem Unerwarteten bereichert werden.

Lernateliers sind im Idealfall also eine Kombination aus Animation, Präsentation, Begegnungsflächen, Raum für praktische Erprobung, Servicebereich, Expertenauskunft, Beratung, sowie Lernbegleitung. Lernateliers konzentrieren ihr Angebot auf bestimmte Inhalte, sind jedoch offen für eine ganzheitliche Anregung und die Integration anderer Themenbereiche. Lernateliers bieten Lernmöglichkeiten, die sich an der Vielfalt der Besucher ausrichtet. Es stehen Medien zur Verfügung, welche die unterschiedlichen Lernstile berücksichtigen.

Diese idealtypische Ausrichtung kann in der Gesamtheit von einer einzelnen Institution nur begrenzt umgesetzt werden. Nur in der Gesamtheit einer lernenden Stadt mit unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Bildungsangeboten besteht die Möglichkeit, dieser Anforderung zu entsprechen. Aufgrund dieser Erkenntnis wurden im Rahmen des Projektes Einzelmaßnahmen durchgeführt, welche die Unterschiedlichkeit der Anforderung repräsentieren sollten, jedoch noch kein umfassendes Gesamtarrangement bieten können. Soweit möglich, wurden andere Träger in die Konzeptionen mit integriert. Bei der exemplarischen Durchführung der Lernarrangements im Bereich der Lernateliers innerhalb der Stadtbücherei wurde dabei einerseits auf die Ergebnisse der Nutzerbefragung, andererseits auf die vorher erwähnten Postulate aufgebaut. Die Umsetzungen erstreckten sich auf folgende Bereiche:

- Äußerer Charakter und Struktur der Medienpräsentation

- Optische Verlinkung artverwandter Themenbereiche über Lernateliers hinweg

- Lernbegleitende Beratung in Kooperation mit der VHS Stuttgart

- Pinwand als Kommunikationsfläche zwischen Nutzern

- Lesungen mit landestypischem Begleitarrangement in Zusammenarbeit mit der VHS Stuttgart

Diese Umsetzungen fanden im Lernatelier Sprachen der Stadtbücherei Stuttgart statt. Dieses Lernatelier befindet sich in einer Aufbauphase. Bisher waren nur sehr wenige Elemente eines umfassenden Lernateliers umgesetzt. Diese bezogen sich auf die Möglichkeit der Internetnutzung (ohne eigenes content providing) und auf die Nutzung eines Computers, an dem neben einigen Nachschlagewerken die Möglichkeit bestand, mittels einer installierten CD-ROM Deutsch zu lernen.

 

1. Äußerer Charakter und Struktur der Medienpräsentation

Die Medien sind in der Stadtbücherei in den jeweiligen Lernateliers thematisch sortiert. Dabei wurde vielfach die traditionelle Sortierung in Bibliotheken abgeschafft und durch eine lebensweltbezogene Zusammenführung ersetzt. Noch unterscheiden sich die einzelnen Lernateliers stark in der Ausprägung dieser neuen Sortierung. Nicht zuletzt die inkonsistente Umsetzung macht es – wie aus der Nutzerbefragung ersichtlich wurde –den Besuchern schwer, sich zurechtzufinden. Ein weiterer Grund für die Probleme beim Auffinden von Medien sind die ständigen Veränderungen der Stellflächen im Gebäude der Stadtbücherei. Oft befinden sich die Medien, welche einzelnen Lernateliers zugeordnet sein müssten zusätzlich in angrenzenden Lernateliers. Das Lernatelier Sprachen zum Beispiel, das von den Gegebenheiten räumlich eingeengt und nicht erweiterbar ist, beinhaltet zusätzlich auch Medien aus dem Bereich Design. Diese Kombination aus Enge, inkonsistenter Profilierung und Vermischung von Inhalten ließ dieses Lernatelier optisch unattraktiv erscheinen. Zusätzlich befanden sich in dem Raum verschiedene Arten von Regalen, die teilweise nicht dem Anspruch einer modernen Bibliothek genügten. Diese spezifische Situation, zusammen mit der Einschätzung, dass das Lernatelier Sprachen im Bereich des Lernens eine äußerst wichtige Funktion einnehmen muss, war der Grund für die Konzentration der Aktivitäten auf dieses Lernatelier. Als ein erster Schritt wurde versucht, identitätsstiftende Merkmale zu finden, um eine optisch ansprechende, anregend-motivierende und als Lernatelier erkennbare Umgebung zu schaffen. Zufällig ergab sich zeitgleich eine Ersetzung alter Regale durch neue. Im Zuge der Umstellungen wurden die ehemals eigens gruppierten fremdsprachigen Filme zu den jeweiligen Sprachen umgruppiert. Die Bezeichnungsschilder wurden durch ansprechende und besser sichtbare ersetzt. Die Übersichtlichkeit der einzelnen Unterbereiche wurde durch eine klarere und leichter zu erkennende Gliederung verbessert. Letztendlich wurden die Reiter innerhalb der Regale durch größere und modernere ersetzt.

Auch wenn sicherlich der erste Eindruck des Ateliers noch durch Flaggen unterschiedlicher Nationen, mehrsprachige Sinnsprüche, oder andere landestypische Merkmale deutlich verbessert werden könnte (im Moment scheitert dies an Personalknappheit), ist das Atelier nun in sich geschlossener und die auch in der Nutzerbefragung bemängelte Unübersichtlichkeit in den Lernateliers in diesem Fall zumindest weitestgehend entschärft.Im Hinblick auf die Gesamtinstitution der Bücherei ist besonders der Bereich der optischen Gliederung von großer Bedeutung. Sie erleichtert nicht nur das gezielte Auffinden von Inhaltsbereichen, sondern auch von Medienarten. Dennoch ist die Erstellung eines optischen Gesamtkonzeptes nicht mit der optischen Gleichschaltung der unterschiedlichen Lernateliers gleichzusetzen. Auf die spezifischen Charakteristika der Lernateliers, die sich vor allem aus den Inhalten und der Nutzerschicht ergeben, muss ganz besonders mittels der individuellen Gestaltung eingegangen werden. Es gibt zum Beispiel keinen Sinn, ein Lernatelier Sprachen optisch schlicht zu gliedern. Sprache lebt von der Kommunikation, von der Assoziation mit Urlaub, unterschiedlicher Lebensweise und Lebenslust. Diese Assoziationen müssen auch optisch aufgegriffen werden, um die Identifikationsmöglichkeit mit der Lernumgebung herzustellen. Ein Lernatelier muss auch Erlebnisraum sein. Erleben setzt dabei eine Art der Anregung voraus, die dem Kristallisationspunkt der individuellen Lernanstrengung möglichst entspricht.

2. Optische Verlinkung artverwandter Themenbereiche über Lernateliers hinweg

Dass optisches Arrangement, wie es von institutioneller Seite geplant ist nicht immer auch der Wahrnehmung der Nutzer entspricht, zeigt das zweite Beispiel:

Als Arrangement wurde ein rotes, ca. sechs Zentimeter breites Band gewählt, das zwischen den Lernateliers „Sprachen" und „Beruf, Karriere, Wirtschaft" (BKW) auf den Boden geklebt wurde. Dabei wurde das Lernatelier Sprachen in der Gesamtheit mit dem Band gekennzeichnet. Im Lernatelier BKW teilte sich das Band und führte zu drei verschiedenen Regalen, in denen eine gewisse Anzahl von Medien durch einen roten Kasten hervorgehoben wurde. Diese Medien hatten einen direkten Bezug zum Lernatelier Sprachen (z.B. Bewerben im Ausland...).

Grundlage für die Durchführung bildete einerseits der Versuch, Menschen auch auf

andere Themengebiete aufmerksam zu machen - sie durch ungewöhnliche Arrangements zu motivieren, Dinge wahrzunehmen, die möglicherweise, da sie außerhalb des Besuchsgrundes liegen, sonst nicht wahrgenommen worden wären. Andererseits lag der Grund im Problem der Zuordnung von Medien. Nicht immer lässt sich die von den Bibliothekarinnen vorgenommene Einsortierung in Themengruppen von Besuchern leicht nachvollziehen, was auch teilweise in der Nutzerbefragung von den Besuchern bemängelt wurde. Mit dem Arrangement sollte nun versucht werden, Menschen auf mögliche unterschiedliche Standorte von Medien aufmerksam zu machen. Bislang wurde dies mit Hinweisen innerhalb der Sachgebietsgruppen in den Regalen gemacht. Die Frage war, ob das Ziel mit einem auffälligeren Arrangement besser zu erreichen wäre.

Es sollte nun mittels eines Fragebogens versucht werden herauszufinden, ob das Arrangement die gewünschte Auswirkung auf den Besucher hätte. In insgesamt 22 Stunden wurden Besucher mit der Vorgabe beobachtet, diejenigen zu bitten, den Fragebogen auszufüllen, die dem Band erkennbar gefolgt waren. Das Ergebnis war ernüchternd: In der gesamten Zeit war dies nur eine einzige Person.

Auch wenn einige Besucher sehr positiv auf die Installation reagierten, nachdem sie darauf angesprochen wurden (die Ergebnisse wurden nicht systematisch erfasst), zeigt das Ergebnis, dass die meisten einen geradezu fokussierten Blick auf die Umgebung haben, die für sie nach der jeweiligen Logik die Medien, oder die Art von Informationen enthalten müsste, die benötigt werden. Dies erstaunt umso mehr, als – wie bereits dargestellt – in der Nutzerbefragung als Ergebnis festgestellt wurde, dass von den 75%, die bereits etwas entdeckt hatten, was die eigentlich nicht gesucht haben immerhin 65% als Grund unter anderem die Präsentation der Bücher in den Regalen angegeben hatten. Besucher möchten sich anregen lassen, lassen sich anregen und trotzdem nehmen sie scheinbar nicht immer Arrangements wahr, die außerhalb ihres erwarteten Anregungsschemas, oder des Anregungsraums liegen.

Auch wenn das Projekt nicht die nähere Untersuchung des Phänomens zulässt, kann als Ergebnis festgehalten werden, dass selbst eine scheinbare Offensichtlichkeit der Anregung möglicherweise nicht zu dem erwünschten Erfolg führt. Aufgrund dieser Feststellung ist es also nötig, neue Arrangements immer auf ihre Wirkung hin zu untersuchen, um nicht Dinge anzubieten, die entweder nicht wahrgenommen, oder gar nicht benötigt werden.

 

3. Lernbegleitende Beratung in Kooperation mit der VHS Stuttgart

 

Selbstlernprozesse erfordern eine Unterstützung im Bereich der Bildungs- und Medienberatung sowie bei Entscheidungen bezüglich des Lernwegs. Diese Hypothese sollte in einem weiteren Lernarrangements überprüft werden. In Kooperation mit der Volkshochschule Stuttgart wurde in den Räumlichkeiten der Stadtbücherei an drei aufeinanderfolgenden Dienstagen während zwei Stunden eine „Beratung Englisch" angeboten. Diese Beratung umfasste neben eines Einstufungstests die Bereiche Lernen in Kursen, Medien in der Stadtbücherei, Selbstlernprogramme und Karriereplanung. Für die Beratungstermine wurde ein Faltblatt erstellt, welches an diversen Orten in der Stadt auslag. Zusätzlich wurde die Veranstaltung durch Informationen an die Presse und den Stadtanzeiger beworben.
Für die Beratungstätigkeit wurden neben der Leiterin des Lernateliers zwei Fachbereichsleiter/innen aus der VHS gewonnen. Diese drei Berater/innen reichten sich die Interessenten je nach deren Informationsbedarf weiter, wobei die grundsätzliche Einschätzung der Sprachkenntnisse und des Informationsbedürfnisses immer am Anfang der Beratung stand.

Es wurde die Zeit , welche für eine Beratung benötigt wurde, möglichst nicht durch die Auskunftspersonen beeinflusst. Das bedeutet, dass die Beratung für eine Peron im Normalfall bei mindestens einer halben Stunde lag. Dementsprechend war die Anzahl der Personen, die beraten werden konnten mit 21 Beratungen relativ gering. Bereits im Vorfeld wurde dies berücksichtigt, indem die wissenschaftliche Begleitung nicht wie sonst mit Fragebogen, sondern qualitativ mittels Leitfaden stattfand. Diese wissenschaftliche Begleitung wurde, wie auch die fachliche Unterstützung bei der Gestaltung der Lernberatung vom DIE übernommen.

Ergebnisse:

Das auffälligste Ergebnis ist, dass vier Personen durch das Wahrnehmen des Beratungsangebots erstmalig in der Stadtbücherei waren. Acht Personen kommen mehrmals pro Monat, auch acht mehrmals pro Jahr, eine Person weniger als einmal pro Jahr. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Nutzerbefragung zeigt sich, dass die Nutzerschicht sich bei diesem Arrangement vom Durchschnitt der Besucher/innen stark unterscheidet. Mit dieser Art von Angeboten können scheinbar Bevölkerungsschichten in die Stadtbücherei gebracht werden, die sonst das Angebot nicht so häufig, oder noch gar nicht in Anspruch genommen haben. Häufige Nutzer der Stadtbücherei nahmen das Angebot dagegen nicht in dem Maße wahr.

Nutzerbefragung

Vergleich: Beratung Englisch Ergebnis Nutzerbefragung

Zusätzlich zu der hohen Anzahl an Erstnutzern sagten drei Personen aus, die nicht so häufig die Bibliothek besucht hatten, dass sie aufgrund des Beratungsangebots eine Veränderung in der Stadtbücherei bemerkt hätten, mit der Konsequenz, dass sie die Leistungen nun öfters in Anspruch nehmen werden.

Im Zusammenhang mit dem Nutzerprofil müssen auch die Ergebnisse des Alters und des Bildungsgrades betrachtet werden:

 

Vergleich: Beratung Englisch Ergebnis Nutzerbefragung

Während der Bildungsgrad sich nicht eindeutig von dem Durchschnitt der Nutzer abhebt, sieht die Situation beim Alter anders aus: Ca. 50% der Beratungsteilnehmer sind über 40 Jahre alt. Beim Gesamtdurchschnitt der Bibliotheksbenutzer sind dies gerade einmal 25%. Auch wenn natürlich die geringe Anzahl der Untersuchten während der Beratung keine direkte Vergleichsaussage zulässt, kann man durchaus festhalten, dass mit der Beratung besonders ältere Nutzerschichten in ihren Bedürfnissen angesprochen werden, die sonst das Angebot der Stadtbücherei nicht in dem Maße wahrnehmen.

Was waren nun die Gründe, die Beratungsleistung in Anspruch zu nehmen? Grundsätzliches Interesse am Thema hatten 11 Personen. Neugierde war der Grund für eine Person, für acht bestand ein Handlungsdruck, neun wollten ihre Kenntnisse auffrischen, vier ihre Kenntnisse speziellen Erfordernissen anpassen, für drei stand ein Auslandaufenthalt bevor. Vier Personen sind aufgrund der zukünftigen (Berufs)planung gekommen, drei Personen hatten negative Bildungserlebnisse, drei Sprachhemmungen, eine Person war aufgrund des Alters verunsichert, ob und wie sie lernen sollte, drei erwarteten sich Orientierung in der Bildungslandschaft, ebenso drei eine Orientierung im Lernprozess und eine Person Orientierung in der beruflichen Verwertbarkeit von Englischkenntnissen. Aus persönlichen und beruflichen Motiven nahmen neun Personen die Veranstaltung wahr, rein aus persönlichen vier und rein aus beruflichen Motiven acht Personen. Diese Streuung zeigt, dass die Motivationslagen der Teilnehmer sehr unterschiedlich sind. Oft gemeinsam ist das allgemeine Interesse und ein Handlungsdruck, die Kenntnisse aufzufrischen, oder anzupassen. Aber auch die negativen Bildungserlebnisse und die individuellen Lernprobleme sind von Bedeutung. Das heißt, dass auch auf Seiten der Berater eine sehr vielfältige Kompetenz vorhanden sein muss, die möglicherweise nur durch die Integration von mehreren Beratern gewährleistet werden kann. Besonders zeigt sich auch, dass die Probleme eine kommunikative Grundlage des Beratungsgespräch erfordert. Eine Umsetzung mit Hilfe elektronischer Medien ist somit nur in Teilbereichen möglich.

Der nächste Themenbereich, der abgefragt wurde war die Frage, was speziell an der englischen Sprache interessant ist. Mit den Antworten sollten Rückschlüsse gezogen werden können, welche Lernformen für die Interessenten notwendig sind. Hauptsächlich interessierte mit zehn Zustimmungen die Kommunikation. Ungefähr gleichbedeutend war im Anschluss die Kultur, die Literatur, die Fachsprache, sowie die zunehmende Bedeutung als Weltsprache. Von geringer Bedeutung war die Freude am Sprechen, die Sprachschönheit und die Kunst.

Von Bedeutung sind auch die Erwartungen, die an die Beratung gestellt wurden. Hier interessierten sich 19 Personen für institutsbezogene Informationen zu Weiterbildungen, drei für Informationen zur Kursorganisation und16 für inhaltsdifferenzierte Informationen zu Kursen. Für die Beurteilung des Kenntnisstandes und für eine Bewertung der Sprachlernangebote interessierten sich je neun, für eine Lernprozessberatung, wie für Selbstlernmedien je drei, für allgemeine englischsprachige Medien eine Person. Neben diesen Aussagen ist die Auswertung interessant, was zu den Erwartungen, die in fast allen Fällen auch erfüllt wurden, noch zusätzlich erfahren wurde. Also welche Informationen noch von Bedeutung waren, die eigentlich nicht der Anlass des Besuchs waren. Fünf Personen erfuhren zusätzlich zu ihren Erwartungen etwas über Selbstlernmedien, zwei über das Medienangebot der Stadtbücherei, eine wurde in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt, eine erfuhr etwas über den Kenntnisstand, zwei über die berufliche Verwertbarkeit der Kenntnisse.

Die positive Bedeutung der Beratung lässt sich am deutlichsten anhand der Schulnoten ablesen, die dem Beratungsangebot von den Nutzern gegeben wurde. Eine „1" vergaben zehn Personen, eine „2" ebenfalls zehn und eine „3" eine Person. Die Ergebnisse dieses lernbegleitenden Arrangements zeigen, dass das Beratungsangebot ein Grundbedürfnis im Bereich des Lernens darstellt. Auch wenn sich viele Fragen primär auf Kursangebote und damit das institutionelle Lernen bezogen, wurden besonders die Möglichkeiten im Bereich des Selbstlernen durch Selbstlernmedien und fremdsprachige Literatur durch das Gespräch erkennbar und interessant. Die berechtigte Frage stellt sich natürlich: In welchem Aufwand steht die Vorbereitung einer derartigen Beratung im Vergleich zu den wenigen Beratungen, die tatsächlich durchgeführt werden können. Tatsächlich ist dies ein praktisches Problem, das nicht nur durch viel Engagement der verschiedenen Seiten gelöst werden kann. Es zeigt sich besonders, dass die Notwendigkeit einer ausführlichen Beratung existiert, die bislang auch aus dem Grund der offenen Frage zur Finanzierung noch nicht befriedigt wird. Andere Länder haben die Bedeutung einer Lernberatung erkannt und bereits praktische Angebote geschaffen: In Helsinki wurde ein eigenes Beratungsbüro eingerichtet, das genau diese Schnittstellenfunktion für Bürger ausübt. Es besteht dort die Möglichkeit, sich für den individuellen Lernweg von kompetenter Seite beraten zu lassen. Diese Beratung ist mit einer vollen Stelle besetzt und wird vom Staat finanziert. Eine Übernahme derartiger Leistungen auch hier in Deutschland muss vorstellbar werden.

4. Pinwand als Kommunikationsfläche zwischen Nutzern

Ein weiteres lernbegleitendes Arrangement wurde aus dem Ergebnis heraus entwickelt, dass 57% der Nutzer der Stadtbücherei bereit wären, ihr eigenes Fachwissen anderen zur Verfügung zu stellen. Da zudem der Bedarf an Fachwissen für die Nutzer an erster Stelle steht, erschien es als logisch, Möglichkeiten anzubieten, mit deren Hilfe sich die Bedarfe und die Kenntnisse ergänzen würden. In einem ersten Schritt wurde die einfachste Lösung gewählt: Es wurde im Lernatelier Sprachen eine Magnettafel installiert, auf der die Besucher ihre Angebote, oder auch Gesuche festhalten können. Dieses Angebot wird rege genutzt. Obwohl sich die Hauptzahl der Angebote und Nachfragen auf den Bereich des traditionellen Lernvorgangs bezieht, gibt es auch Anfragen zum gegenseitigen informellen Austausch und zur Gründung von Lerngruppen. Als Konsequenz der Nutzung stehen in der Stadtbücherei Überlegungen an, wie die Nutzer der Kommunikationswand von institutioneller Seite noch besser unterstützt werden könnten. Die Planungen sollen in Zusammenarbeit mit den Benutzern entwickelt werden. Auch finden Überlegungen statt, wie und ob diese Möglichkeit zusätzlich im Internet zur Verfügung gestellt werden kann.

5. Lesungen mit landestypischem Begleitarrangement in Zusammenarbeit mit der VHS Stuttgart

In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Stuttgart bietet die Stadtbücherei Lesungen im Sprachbereich an. Dies sind entweder Lesungen in fremder Sprache, oder Lesungen in Deutsch zu Autoren aus anderen Ländern. Bei diesen Lesungen wird nun versucht, durch das ungewöhnliche Arrangement der Lesung die Kultur des Landes mit einfließen zu lassen. Konkret bedeutet dies, dass kulinarische Genüsse aus den jeweiligen Ländern angeboten werden. Auch gibt es zumeist eine passende musikalische Begleitung.

Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleituntersuchung wurden nun folgende Aussagen von Interesse:

- Wie unterscheidet sich das Publikum dieser Veranstaltung von den traditionellen Nutzern der Stadtbücherei?

- Hat das Ambiente eine Auswirkung auf das Verständnis von Kultur und Literatur?

- Wirkt die Veranstaltung anregend hinsichtlich der Beschäftigung mit Medien?

- Motiviert die Veranstaltung zum Lernen?

Es wurden drei Veranstaltungen untersucht. Eine Veranstaltung „Literatur am Samowar" (46 Teilnehmer an einer Veranstaltung) fand in russischer Sprache statt, die beiden anderen Veranstaltungen der Literaturreihe „Hispanoamerika und Spanien" (insgesamt 41 Teilnehmer) in deutscher Sprache.

Ergebnisse:

Die beiden Typen der Veranstaltung unterscheiden sich in einigen zentralen Punkten. Deshalb möchte ich zuerst auf die Besucher der Veranstaltung „Literatur am Samowar" eingehen. Die Veranstaltungsreihe lebt von dem Bekanntheitsgrad und der daraus folgenden Bewerbung durch Mundpropaganda, besonders unter den russisch muttersprachigen Teilnehmern. Die meisten haben von der Veranstaltung durch Bekannte erfahren. Durch die VHS (auch dort liegen die Leporellos aus) sind dagegen nur vier aufmerksam geworden. Knapp die Hälfte hat bereits an einer ähnlichen Veranstaltung in der Stadtbücherei teilgenommen. Die Besucher sind relativ häufige Benutzer der Stadtbibliothek. Sie nutzen diese in gleicher Anzahl entweder mehrmals pro Monat, oder mehrmals pro Jahr. Immerhin sieben Personen haben die Stadtbücherei erstmals aufgrund der Veranstaltung besucht. Nur etwas mehr als die Hälfte besitzt einen Leserausweis. Knapp die Hälfte entleihen in der Stadtbücherei Medien und besuchen Ausstellungen, etwas weniger nutzen Informationsdienstleistungen. Immerhin acht Personen nutzen keine weiteren Dienstleistungen. Sie sind rein aufgrund für Veranstaltung gekommen. Sprachen, Literatur und Kunst sind die Hauptinteressensgebiete.
39 der 46 Teilnehmer empfanden das Ambiente als hilfreich, die Kultur und die Literatur nachzuvollziehen.
Zentrales Interesse an der Veranstaltung ist das Land und das Thema, gefolgt von dem Wunsch, Neues zu erfahren. Weniger bedeutsam ist der Informationswert der Veranstaltung, die Kommunikation und die Entspannung. Die Frage, ob die Veranstaltung sie angeregt hätte, Medien auszuleihen, wurde 16 mal mit „ja", 13 mal mit „unsicher" und sechs mal mit „nein" beantwortet. Bezüglich des Motivationsgehaltes, die Sprache zu lernen antworteten 17 mit „ja", 5 mit „unsicher" und 15 mit „nein". Diese Aussagen belegen deutlich, wie motivierend diese Form der Veranstaltung für die weitere Beschäftigung mit dem Thema ist. Am ehesten wünschen sich die Besucher das Lernen in der VHS, gefolgt von einer Sprachreise. Das Sprachinstitut bevorzugte nur eine Person. Ein Sprachkurs im Ausland ist am ehesten gewünscht, dicht gefolgt von einem Sprachkurs im Inland, oder einem Individualkurs. Die Beschäftigung mit Kassetten oder CD-ROM erfreut sich keiner großen Beliebtheit. Wie sehen die Teilnehmer die Bibliothek und den Wert solcher Veranstaltungen? Fast alle sehen die Bibliothek als Ort der Literatur. Auch stimmen fast alle der Aussage zu, dass die Bibliothek noch mehr solcher Veranstaltungen auch aus anderen Ländern und Kulturen anbieten sollte, dabei aber nicht so sehr aus weniger bekannten Ländern. Die überwiegende Mehrheit wünscht sich die Veranstaltungen in der Originalsprache. Die Beschäftigung regt dabei für die meisten zum Lernen an. Auch stimmen die meisten der Aussage zu, dass außergewöhnliche Angebote die Aufmerksamkeit auf traditionelle Angebote erhöhen.

Die Teilnehmer sind zusätzlich zur Tatsache, dass sie eine treue Gruppe sind, auch in Hinsicht ihrer Bildung besonders. Die Mehrheit hat einen Universitätsabschluss (23), acht Personen haben das Abitur als letzten Bildungsabschluss. Zusammengenommen sind dies 85% der Besucher. Diese Besucherschicht stellt sogar die Ergebnisse aus der allgemeinen Nutzerbefragung in den Schatten. Auch hinsichtlich des Alters unterscheiden sich die Besucher vom Durchschnitt der Bibliotheksnutzer. Ganz im Gegensatz dominieren hier nämlich die älteren Nutzer. 15 Teilnehmer an der Veranstaltung sind über 60 Jahre, 11 zwischen 50 und 60, sieben zwischen 40 und 50 und nur 10 Besucher unter 40 Jahre alt.

Die Teilnehmer an der Literaturreihe „Hispanoamerika und Spanien" erfuhren von der Veranstaltung hauptsächlich durch die VHS. Von Bekannten erfuhren es nur fünf Personen. Über die Hälfte hat auch hier bereits an ähnlichen Veranstaltungen teilgenommen. Die Mehrzahl kommt mehrmals pro Jahr in die Stadtbücherei, zehn Besucher kamen erstmalig. Es besitzen weniger als die Hälfte eine Leserausweis. Als Leistungen der Stadtbücherei nehmen sie die Medienausleihe in Anspruch, gefolgt von den Ausstellungen und den Informationsangeboten. 15 Besucher nehmen keine weiteren Leistungen in Anspruch. Hauptinteressensgebiet ist bei fast allen die Literatur, gefolgt von der Sprache. Knapp die Hälfte interessiert sich für die Kunst, erst dann gleichermaßen gefolgt von Reisen und Geschichte. 38 der 41 Teilnehmer empfanden das Ambiente als hilfreich, die Kultur und die Literatur nachzuvollziehen.

Das Thema, sich zu informieren und das Erfahren von Neuem, sowie das Land wird als Besuchsgrund gleichermaßen wichtig beurteilt. Entspannung und der Kontakt zu anderen ist gleichermaßen unwichtig. Auch wenn bei den Besucher der Veranstaltung „Literatur am Samowar" die Kommunikation nicht vorrangig wichtig war, erstaunt hier die eindeutige Ablehnung.

Die Veranstaltung war noch extremer anregend, Bücher auszuleihen. Sie war auch weitaus motivierender, die Sprache zu lernen. Die überwiegende Mehrheit zieht als Lernort die VHS vor. Nur vier Jastimmen erhielten die Sprachenschule und die Sprachreise. Am liebsten würden sie einen Sprachkurs im Inland, oder auch im Ausland machen. Individualkurse werden von neun Personen gewünscht. Auch wenn das Lernen mittels Kassetten und CD-ROMs auch hier wenig Bedeutung hat, hat es eindeutig mehr, als in der vorher vorgestellten Veranstaltungsreihe.


Es empfindet die überwiegende Mehrheit die Bibliothek als Zentrum der Literatur. Ebenso wünschen sich die meisten weitere Veranstaltungen dieser Art, auch in weniger bekannten Sprachen. Zudem sollen die Veranstaltungen auch, aber nicht ausschließlich fremdsprachig sein. Zum lernen regt diese Art der Veranstaltung fast alle an. Es stimmen auch viele der Aussage zu, dass diese Veranstaltungen den Blick auf die gewöhnlichen Angebote der Stadtbücherei schärfen würden, jedoch ist die Zustimmung nicht sehr ausgeprägt.

Fünf Personen haben als letzten Bildungsabschluss die mittlere Reife, dreizehn das Abitur und 22 einen Universitätsabschluss. Bei den Veranstaltungen waren ausschließlich Frauen. Zehn Frauen sind jünger als 40 Jahre, sechs zwischen 40 und 50, zwölf zwischen 50 und sechzig und ebenso zwölf über 60 Jahre alt.

Die Ergebnisse zeigen, dass diese Form der Beschäftigung eine äußerst motivierende Form der Auseinandersetzung mit fremdsprachiger Literatur ist, die auch darüber hinaus anregende Wirkung auf die weiterführende Beschäftigung mit dem Thema und das Lernverhalten besitzt. Zudem ist diese Form durchaus geeignet, Menschen in die Stadtbücherei einzuführen, die sie bislang nicht genutzt haben. Besonders fällt hier die Zielgruppe der Älteren auf, die sonst die Leistungen der Stadtbücherei nicht, oder nur sehr wenig in Anspruch nehmen. Bezüglich des Bildungsstandes ist eindeutig, dass diese Art der Veranstaltung nur für bestimmte Zielgruppen geeignet ist. Sie hat scheinbar eine eher ausgrenzende Wirkung für niedrigere Bildungsschichten. Die Ergebnisse zeigen auch, wie bildungsaktiv ältere Menschen sein können und möchten. Der Wunsch nach Beschäftigung mit interessanten und neuen Themen ist auch für diese Zielgruppe ein wichtiges Beschäftigungsargument. Besonders wichtig ist diese Erkenntnis im Zusammenhang mit institutionsübergreifenden Konzeptionen. Diese Veranstaltungen zeigen, dass es durchaus die Möglichkeit gibt, in einer kooperativen Zusammenarbeit Menschen zu der aktiven Teilhabe am kulturellen Leben zu ermutigen, indem die Leistungen der Institutionen aufeinander abgestimmt werden.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse geben einen Einblick in einige völlig unterschiedliche Konzeptionen. Sie zeigen, dass bei Lernenden das Bedürfnis nach einer begleitenden Unterstützung besteht und dass Unterstützung zum Lernen motivieren kann. Es zeigt sich aber auch, dass nicht alle Unterstützungsarten den Erfolg haben, der auch erwünscht ist. Lernen hat für Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Lernmotivation eine jeweils andere Bedeutung. Konzeptionen müssen diese Tatsache berücksichtigen. Tatsächlich zeigt sich, dass sowohl konkrete Beratungstätigkeiten, als auch inspirierende Lernarrangements gleichermaßen erfolgreich sein können. Sie sprechen in ihrer Konzeption unterschiedliche Menschen an. Sowie sich die bevorzugte Lernform nicht gleichschalten lässt, liegt die Bedeutung der Lernarrangements darin, auf die Individualität der Lernenden einzugehen.Von der Umsetzung der Konzeption „Lernatelier" in möglichst vielen Kulturinstitutionen sind wir hier in Deutschland noch weit entfernt. Wenn es jedoch gelänge, die Idee, die hinter der Konzeption steckt in die Institutionen zu transportieren, gibt es eine Chance, die notwendige gemeinsame Anstrengung voranzutreiben.

Besonders die Angebote im Rahmen der Beratung und der Anregung, die an der Stadtbücherei Stuttgart durchgeführt wurden weisen den Weg zukünftiger Unterstützung. Menschen benötigen geeignete Supportstrukturen für ihren individuellen Lernprozess ebenso, wie anregende Formen, sich mit Inhalten zusammen mit anderen auseinander zu setzen. Dabei zeigt sich, dass die Kompetenzen und Betätigungsfelder der verschiedenen Kultur- und Bildungsinstitutionen sich meist hervorragend ergänzen.