Susanne
Offenbartl
Dezember 1999
Globalisierung der Vermittlungsmedien?
Vortrag auf der Jahrestagung des Arbeitskreis universitäre Erwachsenenbildung (AUE), 23.- 24. September 1999
Entgrenzung
durch das Internet und gesellschaftliche Entwicklungen
Zwei gesellschaftliche Entwicklungen erfordern ein Vermittlungsmedium, das in hohem Maße unabhängig und flexibel ist:
- Die Wissensgesellschaft lässt Wissensbestände immer schneller altern. Sie bedarf eines Mediums, das jederzeit den aktuellen Wissensbestand widerspiegeln kann - unabhängig davon, wo die letzten Änderungen entstanden sind, und wo sie abgefragt werden.
- Die Individualisierung schreitet voran. Sie bedarf eines Mediums, das den immer individuelleren Informations- und Kommunikationswünschen gerecht werden kann. Die Individuen sind hier nicht nur als KonsumentInnen zu verstehen, sondern auch als AnbieterInnen von Information und Kommunikation.
Das Vermittlungsmedium Internet ermöglicht diese Beschleunigung des Wissens-Upgrade und die Individualisierung der Informations- und Kommunikationswünsche.
Jedes Angebot im Internet ist potenziell in seiner Entstehung und seiner Nutzung unabhängig von Zeit und Ort - es ist potenziell global verfügbar. Die Gesellschaftsmitglieder müssen nicht mehr mobil sein. Ihre Informations- und Kommunikationsbedürfnisse können frei Haus befriedigt werden.
Diese technischen Möglichkeiten des Internet erfahren jedoch eine Relativierung, wenn Angebote und Nutzung näher betrachtet werden.
Nicht die technische Möglichkeit und auch nicht der Anspruch der AnbieterInnen, sondern die Nutzung eines Internet-Angebotes entscheidet über den Grad der Globalisierung. Ein Internet-Angebot wäre erst dann global, wenn es auch global genutzt würde, nicht schon, wenn es global zugänglich ist.
Internet-Service
am DIE e.V. – Eine Lernoberfläche zur Weiterbildung der
WeiterbildnerInnen im Internet
Ein potenziell global verfügbares Angebot im Internet ist der Internet-Service am DIE e.V.
Der Internet-Service bietet unabhängig von Zeit und Ort der Nutzung ForscherInnen und PraktikerInnen der Erwachsenenbildung die Möglichkeit,
- sich und ihre Einrichtung, ihr Institut o.ä. bekannt zu machen (Verweise per Link),
- ihre Arbeitsergebnisse, Thesen, Fragestellungen o.ä. zu veröffentlichen,
- zielgerichtet Kontakte zu knüpfen (offenes Forum Erwachsenenbildung, Praktikumsbörse, Kleinforschungsbörse),
- über ihre Arbeitsergebnissse mit einzelnen per E-Mail oder mit vielen über Diskussionsforen zu diskutieren.
Der Internet-Service wendet sich an:
- MitarbeiterInnen der Leitung und der pädagogischen Planung und Durchführung an Weiterbildungseinrichtungen
- ForscherInnen der Erwachsenenbildung und Nachbarwissenschaften an Hochschulen und Forschungsinstituten
Diese Definition der Zielgruppen des Internet-Service folgt dem Kriterium der Tätigkeit von Personen. Sie geht von einem Verwertungszusammenhang aus, für den ein Angebot im Internet aufgebaut wird, ist jedoch unabhängig von Zeit und Ort der Verwertung.
Angebote des Internet-Service basieren in unterschiedlichem Maße auf der gestaltenden Mitwirkung der NutzerInnen. Auch hier handelt es sich um ausschließlich inhaltliche Kategorien. Ort und Zeit spielen keine Rolle, bzw. sind von den NutzerInnen frei zu wählen.
Internet-Service ESPRID
Bereitstellung der inhaltlichen und der Recherchestruktur
Anpassung Aktualisierung
AufbereitungModeration
SteuerungAktualisierung
SteuerungAktualisierung ? Integration des
FeedbacksKatalog Dokumente Diskussionsforen Kontaktbörsen Internetanbindung ? individuelle Kontakte konstruktives Kritisieren Bereitstellen
Kommentiereninhaltliches Gestalten inhaltliches Füllen Ergänzen
Kommentieren? knüpfen Konsum
Forschung/Praxis der Erwachsenenbildung
Globale
Nutzung des Internet-Service
Gibt es Hinweise auf die globale Nutzung des Internet-Service? Die Auswertung des Traffic und die aktiven Kontaktaufnahmen mit dem Internet-Service durch seine NutzerInnen ergeben folgende Aspekte globaler Nutzung:
- Die Traffic-Analyse verzeichnet Besuche aus der ganzen Welt, meist einmalige Besuche, die teilweise die ganze Homepage auf ihren Rechner laden.
- Das Online-Seminar "Gesellschaftliche Auswirkungen der Online-Weiterbildung" findet Interessenten in Finnland, Südkorea, Indonesien, Holland und der Schweiz (vermittelt durch den job-newsletter der ZEIT)
- Die Interessierten, die aktiv über den Internet-Service informiert werden möchten (per Newsletter), kommen fast ausschließlich aus Deutschland, vereinzelt aus Österreich und der Schweiz.
- Der Internet-Service wird fast ausschließlich über deutschsprachige Suchmaschinen und Links aus deutschsprachigen Nachbarstrukturen erreicht.
Die Sprache spielt bei der Nutzung des Internet-Service über die deutschsprachigen Grenzen hinaus eine große Rolle. Die Websites des potenziell global zugänglichen Internet-Service werden ausschließlich in deutscher Sprache angeboten. Wer also nicht deutsch kann, ist aus der Nutzung ausgeschlossen.
Dennoch gibt es Zugriffe aus der ganzen Welt. Die Sprache ist bei diesen BesucherInnen offenbar kein Hindernis. Und es gibt punktuell großes Interesse an dem Angebot, denn das Downloaden der ganzen Homepage ist kein Ergebnis des unverbindlichen Surfens. Das Angebot der Internet-Service trifft also auf eine sehr kleine globale Nachfrage, nach Forschung und Praxis der Erwachsenenbildung in Deutschland. Denn auch inhaltlich beschränkt sich die Homepage wesentlich auf die Diskussion in Deutschland.
Neben der Sprache und der Interessenlage der NutzerInnen hängt die globale Erreichbarkeit auch noch von den Aktivitäten der AnbieterInnen ab. Der Internet-Service wurde bisher nicht in internationalen Suchmaschinen angemeldet. Daher können ihn nur diejenigen Interessierten finden, die sich deutschsprachiger Suchmaschinen bedienen. Auch dies spricht für eine gezielt Nutzung des Internet-Service durch wenige außerhalb des deutschen Sprachraumes.
Von einem globalen Angebot des Internet-Service zu sprechen wäre daher vermessen. Die Nachfrage ist sehr partikular, wenn auch nicht an Ort und Zeit gebunden.
Traffic-Analyse:
DIE-Homepage
Zur Verdeutlichung: ein Ausschnitt aus der Traffic-Analyse des gesamten DIE e.V. (der Internet-Service ist eine echte Teilmenge der DIE-Homepage). Der Analyse-Zeitraum geht von Anfang Januar 1999 bis November 1999. Die Analyse ist so weit wie möglich um technisch bedingte Verzerrungen bereinigt. Sie wurde mit dem Programm WebSuccess durchgeführt.
Traffic-Analyse:
AUE-Homepage
Zum Vergleich: ein Ausschnitt aus der Traffic-Analyse des AUE. Der Analyse-Zeitraum geht von Anfang Mai 1998 bis September 1999. Die Analyse ist so weit wie möglich um technisch bedingte Verzerrungen bereinigt. Sie wurde mit dem Programm WebSuccess durchgeführt.
- Globale Nutzung der AUE-Homepage
- Basisdaten der Traffic-Analyse des AUE
Traffic-Analyse:
DIPF-Homepage
Im Vergleich zu diesen am deutschsprachigen Kulturkreis orientierten Angeboten ist der Traffic einer international orientierten Institution interessant. Melanie Hartlaub hat mir freundlicherweise Traffic-Zahlen des Deutschen Instituts für Internationale pädagogische Forschung (DIPF) zur Verfügung gestellt.
Die DIPF-Homepage ist dreisprachig (deutsch, englisch, französisch) und bietet eine umfangreiche internationale Verweisstruktur zu interessanten Homepages im Bereich der pädagogischen Forschung vor allem in Europa. Punktuelle aber nicht systematisch wurde die Homepage des DIPF auch in internationalen Suchmaschinen angemeldet.
Der Traffic wurde mit dem Programm Webtrend analysiert. Ich habe die Auswertung der Anwendersitzungen von Januar bis August 1999 in folgender Tabelle zusammengefasst. Die Tabelle beschränkt sich auf die zehn Länder mit dem stärksten Traffic zum DIPF im Beobachtungszeitraum.
Nr. |
Land |
Anwendersitzungen |
Anwendersitzungen/ |
1 |
Deutschland |
23.509 |
2.939 |
2 |
Vereinigte Staaten |
16.526 |
2.066 |
3 |
Österreich |
1.248 |
156 |
4 |
Schweiz |
700 |
88 |
5 |
Frankreich |
269 |
34 |
6 |
Großbritannien |
266 |
33 |
7 |
Niederlande |
202 |
25 |
8 |
Italien |
170 |
21 |
9 |
Dänemark |
93 |
12 |
10 |
Japan |
96 |
12 |
Der gesamte nichtdeutsche Traffic ist nahezu so groß wie der von deutschen Domains (.de). Das bedeutet immer noch ein großes Übergewicht des deutschen Traffic (Deutschland stellt lediglich ca. 5% der weltweiten Internet-NutzerInnen). Aber auch im Vergleich zu Internet-Service, DIE e.V. und AUE eine viel stärker ausgeprägte globale Nachfrage der Websites des DIPF. Nach ca. 15 Ländern, aus denen auf die DIPF-Homepage zugegriffen wird, bleibt es allerdings auch hier bei vereinzelten Zugriffen, vergleichbar mit dem Traffic der obengenannten Beispiele.
Nach den drei genannten Kriterien ist das Angebot des DIPF in viel stärkerem Maße als global zu bezeichnen.
- Die DIPF-Homepage ist dreisprachig.
- Die Verweisstruktur reicht weit über die deutschen Grenzen hinaus, umfasst vor allem ganz Europa.
- Die Aktivitäten der Anbieter gehen auch über die nationalen Grenzen hinaus. Das DIPF ist auch über internationale Suchmaschinen erreichbar (wenn auch nur über einige)
Globalisierung
als virtuelle Regionalisierung
Die Beispiele zeigen, dass durch das Internet keineswegs alles allen zugänglich ist. Der Zugang und die Nutzung ist an Bedingungen geknüpft. Entlang dieser Bedingungen bilden sich virtuelle Regionen, in denen sich die treffen, die die Bedingungen erfüllen. Auf drei dieser Bedingung bin ich hier näher eingegangen:
- geteilte Sprache
- geteilte Interessen
- globale Aktivitäten der AnbieterInnen
Drei weitere Bedingungen für Websites, die über Zeit und Ort der AnbieterInnen hinaus genutzt werden können, seien hier lediglich genannt.
- technischer Zugang zum Internet. Das Internet ist bisher weitgehend ein Medium der entwickelten Industrienationen.
- geteilte Medienkompetenzen, die über die rein technische Verfügbarkeit hinaus vorhanden sein müssen.
- geteilte Vorkenntnisse, Erfahrungen und Normen. Ohne ein Minimum an gemeinsamer Kommunikationskultur können auch im Internet Angebot und Nachfrage nicht vermittelt werden.
Vor allem die letztgenannte Bedingung eines ausreichend großen gemeinsamen lebensweltlichen Hintergrundes bedürfte noch einer näheren Betrachtung.
Die Grenzen der Kommunikation, die wir aus der face-to-face-Kommunikation kennen, bleiben weiter bestehen. Sie sind lediglich nicht mehr über nationale Grenzen fassbar sondern inhaltlich zu definieren.
Die technische Globalisierung der Vermittlungsmedien führt zu virtuellen Regionen, die sich als Schnittmengen geteilter Voraussetzungen bilden und noch weitgehend mit den nationalen Grenzen der Kommunikationskulturen der einzelnen Sprachen übereinstimmen. In den virtuellen Regionen treffen sich die, die die Angebote auch verstehen und verwerten können und wollen, und denen die Informationen durch internationales Engagement der AnbieterInnen auch aktiv nahegelegt wird. Die anderen verlassen die virtuellen Regionen wieder oder finden sie gar nicht.
- Statistiken über weltweite Internet-Nutzung: http://www.headcount.com
- weitere Internet-Quellen werde ich noch recherchieren
Susanne
Offenbartl: Globalisierung der Vermittlungsmedien? Online im Internet –
URL: http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-1999/offenbartl99_11.htm
Dokument aus dem Internet-Service des
Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e. V. – http://www.die-frankfurt.de/esprid