Claudia M. arbeitet als Sachbearbeiterin in einem mittelständischen Unternehmen, das nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten vor einer Umstrukturierung steht. Diese Umstrukturierung wirkt sich auch auf die Arbeitsplatzprofile aus. Um sich den neuen Anforderungen stellen zu können, will sie sich weiterbilden. Ihre familiäre Situation lässt es allerdings nicht zu, zeitlich festgelegte Weiterbildungsangebote zu nutzen. Sie sucht nach Alternativen und ist dabei auf die Möglichkeiten des Lernens mit Lernsoftware und E-Learning gestoßen.

Diese Situation ist heute nicht untypisch für Weiterbildungsinteressierte. Doch die Probleme beginnen, wenn man auf die Suche nach entsprechenden mediengestützten Bildungsangeboten geht – und dann noch Informationen über deren Qualität haben will. Allein schon die Vielfalt der Begriffe verwirrt: Computer Based Training, Web Based Training, Tele-Learning, E-Learning usw. – und macht deutlich, wie unübersichtlich der Bereich ist. In den letzten beiden Jahren etablierte sich der Begriff „E-Learning“, der das Lernen mit Hilfe von CD-ROM, dem Intranet oder dem Internet bezeichnet. Dabei wird der Fokus hauptsächlich auf das Online-Lernen gerichtet, während der Begriff „Lernsoftware“ heute insbesondere die auf CD-ROM vorhandenen Lernangebote bezeichnet. Wer heute mit Neuen Medien lernen will, hat zunächst drei Möglichkeiten: - Individuelles Einzellernen, z. B. mit einer Lernsoftware, die offline auf CD-ROM oder online aus dem Internet genutzt wird; - Lernen im Kurs bzw. Gruppenkontext, bei dem die Neuen Medien als Hilfsmittel im sozial-kommunikativen Lehr-/Lernprozess eingesetzt werden. Beispiel: Lernsoftware, um unterschiedliche Wissensniveaus anzugleichen oder das Internet als Rechercheinstrument; - E-Learning, das neben dem Lernstoff auch die Möglichkeit zur Kommunikation in Form von virtuellen Lernergruppen ermöglichen kann. Jenseits von organisierten Angeboten am Arbeitsplatz, gibt es inzwischen eine Fülle von Lernsoftware und E-Learning-Angeboten, die für die persönliche Weiterbildung genutzt werden können. Im Bereich der Lernsoftware vermittelt der „Bildungssoftwareatlas“ einen guten Marktüberblick. Im Bereich „Berufliche Aus- und Fortbildung“ werden hier zum Beispiel derzeit 156 Produkte vorgestellt. Betrachtet man die Palette von Lernsoftwaretypen, kann man im wesentlichen folgende unterscheiden: - Multimediale Informationssysteme/Enzyklopädien: Das sind multimediale Nachschlagewerke oder zeitgeschichtliche Lexika, die umfangreiche Informationen liefern und, im Unterschied zu den gedruckten Versionen, Video- und Tonmaterialien und zusätzliche Bildinformationen zur Verfügung stellen. Durch Hyperlinks lassen sich Zusammenhänge schnell erschließen und Erklärungen von unbekannten Begriffen schnell finden. - Trainings- und Übungsprogramme: Hierunter lassen sich vor allem Programme fassen, die besonders dem Aneignen von Faktenwissen dienen. Adaptive Programme passen sich dabei dem individuellen Wissensstand an. Unter anderem sind Vokabeltrainer und Führerscheintrainer diesem Typ zuzuordnen. - Tutorielle Programme: Bei diesen Programmen wird das Lernen helfend und beurteilend begleitet. Die Betreuung kann in Form von Videosequenzen realisiert werden, in denen sich ein „virtueller“ Tutor bei Problemen automatisch einschaltet. - Simulationsprogramme: Anhand von Simulationen kann Handeln in vernetzten Systemen eingeübt und es können komplexe Prozessabläufe durchgespielt werden. Auch bei den E-Learning-Angeboten finden sich diese Typen wieder. In den meisten Fällen kommt hier allerdings ein kommunikativer Aspekt hinzu: die Möglichkeit, sich mit den anderen Lernenden per Mailingliste, Diskussionsforum oder Chat auszutauschen und ggf. in der „virtuellen“ Gruppe zu lernen. Der neueste Trend in diesem Bereich geht hin zum „Blended Learning“. Das ist eine Verknüpfung von E-Learning und Präsenzveranstaltungen, in denen sich die Lernenden persönlich kennen lernen und den Lernstoff im kommunikativen Austausch vertiefen können. Dass das E-Learning derzeit boomt, belegen viele Studien. Kenner der Branche rechnen für 2005 mit einem Marktanteil von 20 Prozent in Deutschland. Philip Köllinger hat in einer Marktstudie den Entwicklungsstand und die Trends des E-Learning-Marktes in Deutschland beschrieben und darauf hingewiesen, dass nur wenige der verfügbaren Angebote bereits die Potenziale medienbasierten Lernens ausschöpfen. Viele der heute agierenden E-Learning-Anbieter konzentrieren sich auf die Entwicklung von Lernplattformen für Großfirmen, die diese für die betriebliche Weiterbildung nutzen. Doch werden dort per E-Learning vor allem klassische Computer-Themen geschult. In einer Studie der Firma „unicmind.com“ wird die Rangliste der Themen angeführt von Office Software (66%), andere Anwendungssoftware (44%) und Bedienung von Betriebssystemen (38%). Der offene Markt an Weiterbildungsangeboten ist noch recht klein. Eine Orientierung bietet hier in Ansätzen die Zentralstelle für Fernunterricht in Köln (www.zfu.de), die auch computergestützte Fernlehrgänge genehmigt und registriert. Insgesamt fehlt es allerdings an übergreifenden Qualitätskriterien. Und das sowohl für Lernsoftware als auch für E-Learning-Angebote. Die Vorteile des Lernens mit Lernsoftware und E-Learning-Angeboten liegen zwar auf der Hand: Man entscheidet selbst, wann und wo man lernen will. Doch wenn es darum geht, mit Hilfe welchen Angebots sie lernen sollen, stehen die Lernenden oft allein. Aus pädagogischer Sicht lassen sich folgende Beurteilungskategorien nennen: - Lässt sich das Programm auch von Ungeübten leicht nutzen? - Werden die Informationen übersichtlich und mit schnellem Zugriff präsentiert? - Entsprechen die Informationen dem aktuellen Wissensstand? - Gibt es Unterstützungsfunktionen wie Glossar, Linkliste zu interessanten Web-Sites usw.? Zusätzlich bei E-Learning: - Gibt es eine tutorielle Betreuung? - Sind Kommunikationsangebote wie Diskussionsforen vorhanden? - Gibt es Bereiche für gemeinsames Arbeiten (z.Bsp. White-Board)? Doch die wichtigste Frage ist, ob man grundsätzlich Interesse am medienbasierten Lernen hat oder lieber in traditionellen Präsenzkursen lernt. Beides hat seine Vorteile und das produktive Nebeneinander wird die Zukunft der Bildungslandschaft bestimmen. Claudia M. hat sich inzwischen für einen Online-Kurs entschieden und genießt die Vorzüge eines integrierten Angebots. Sie vertieft am heimischen PC ihr Englisch mit Hilfe einer CD-ROM, um an einem Online-Kurs über „Personalmanagement“ eines englischen Weiterbildungsanbieters teilzunehmen. Alle vier Monate treffen sich die Teilnehmenden aus ganz Europa zum Erfahrungsaustausch und der Vorstellung eigener Projekte in London. Literatur Philipp Köllinger: E-Learning. Eine Marktanalyse für Deutschland. Düsseldorf: Symposion Publishing, 2001 (DM 395,-) (www.symposion.de) Richard Stang (Hrsg.): Lernsoftware in der Erwachsenenbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, 2001 (DM 24,80) Ausgewählte Internetadressen Bildungssoftwareatlas (www.bs-atlas.de) Forum Informationsgesellschaft (www.forum-informationsgesellschaft.de) Global Learning (www.global-learning.de) Internetplattform für Ausbilder (www.foraus.de) Sprachenlernen im Tandem (www.slf.ruhr-uni-bochum.de/bochum-deu.html) Studieren im Netz (www.studieren-im-netz.de/fmg.htm) Zentralstelle für Fernunterricht in Köln (www.zfu.de) Richard Stang, Dipl.-Pädagoge/Dipl.-Soziologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Koordinator der Projektgruppe „Neue Medien“ im Deutschen Institut für Erwachsenenbildung. Weitere Informationen: Christine Schumann, Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Hansaallee 150, 60320 Frankfurt/Main, Fon 069/95626-177, Fax 069/95626-174, E-Mail schumann@die-frankfurt.de

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