Am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) in Bonn geht in diesem Jahr das Projekt [iku:] zu Ende, in dem "Interkulturelle Fortbildungen für das Personal in der Altenpflege" entwickelt und erprobt wurden. Aus der Projektarbeit der vergangenen drei Jahre sind Konzepte für die Zielgruppen der Altenpflegefachkräfte, Lehrende für Pflege und Pflegepädagoginnen sowie Leitungskräfte in der Altenpflege entstanden, die die interkulturelle Kompetenz der Akteurinnen und Akteure der Altenpflege fördern und Hilfestellung zur Initiierung einer interkulturellen Öffnung geben sollen.

Die Konzepte werden als Anlage zur Buchpublikation "Interkulturelle Bildung in der Pflege" in Form einer CD-ROM der Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig mit dem Erscheinen der Publikation findet im Gustav-Stresemann-Institut in Bonn am 24. September d. J. von 10-16.30 Uhr die Projektabschlusstagung statt. Neben Fachvorträgen und der Präsentation der CD-ROM findet eine Podiumsdiskussion zur Relevanz der Interkulturalität in der Altenpflege statt. Hintergrund: Herr B., 80 Jahre alt, kam 1960 als griechischer "Gastarbeiter" in die BRD. Bis zur Berentung mit 65 Jahren arbeitete er in der Schwerindustrie und wohnte bis vor wenigen Jahren im betriebseigenen Männerwohnheim. Seine Angehörigen leben in Griechenland, sein soziales Umfeld in Deutschland besteht aus ehemaligen Arbeitskollegen. Er spricht wenig deutsch. Nach einem Krankenhausaufenthalt wurde ein Pflegedienst beauftragt, Grund- und Behandlungspflege sowie eine Ernährungsberatung wegen der bestehenden Zuckererkrankung durchzuführen und im Haushalt zu helfen. Herr B. hat Probleme, sich an den vorgegebenen Diätplan zu halten. Eine Änderung seiner Ernährungsgewohnheiten ist ihm nicht möglich. 'Essen auf Rädern' lehnt er mit der Begründung, es sei vergiftet, ab. Eine Hauswirtschafterin aus dem stationären Bereich des Pflegedienstes kocht deshalb ein- bis zweimal pro Woche für ihn in seiner Wohnung. Herr B. hatte immer den Wunsch, nach Griechenland zurück zu kehren. Er hat nach wie vor große Sehnsucht und bereitet gemeinsam mit einem Freund noch für dieses Jahr einen Besuch bei Verwandten in Griechenland vor. Der Pflegedienst hat Bedenken, dass Herr B. seine Erkrankung vor seinen Angehörigen verschweigt und sich nicht regelmäßig Insulin spritzen lässt. Aus diesem Grund möchte der Pflegedienst eine Auslandsreiseversicherung für Herrn B. abschließen, um die finanzielle Belastung etwas zu mildern und die Motivation zu stärken, regelmäßig einen Arzt in Griechenland auf zu suchen. Die Geschichte von Herrn B. ist kein Einzelfall. Laut statistischem Bundesamt ist die Gruppe der ausländischen Seniorinnen und Senioren die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Diese demographische Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf den Bereich der Altenhilfe und insbesondere der Altenpflege. Die Pflege steht vor der Herausforderung, ihre Angebote entsprechend der Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund zu öffnen und neu zu überdenken. Unter den Schlagworten "interkulturelle Kompetenz" und "interkulturelle Öffnung" werden Anforderungen auf der Ebene der persönlichen und fachlichen Kompetenzen von Mitarbeitenden und auch der entsprechenden Einrichtungen der Altenhilfe subsummiert. Aus Herrn B.'s Fall lassen sich konkrete Kompetenzanforderungen für den Pflegedienst ableiten. So muss etwa die sprachliche Verständigung sichergestellt werden, falls nötig unter Hinzuziehung eines Dolmetschers. Doch Kommunikation geht über rein sprachliche Aspekte hinaus, bedeutet doch Sprechen auch das Transportieren von Bedeutungen. Hat Herr B. die gleichen Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit, Altern und Pflege wie die eingeschalteten Fachkräfte? Und welche Rolle spielt seine Migrationsgeschichte in seiner Biografie? Der dargestellte Fall zeigt auch, dass das Management des Pflegedienstes Zusatzleistungen erbringt, um die Versorgung von Herrn B. zu optimieren. Der Abschluss einer Auslandsreiseversicherung oder die Zubereitung von Speisen im Haushalt des Klientel gehören nicht zu den Regelleistungen, die von der Pflegeversicherung übernommen werden. So flexibel wie im dargestellten Fall, kann nicht jede pflegerische Einrichtung auf eventuelle Mehrbedarfe in der Versorgung reagieren. Wie aktuell und brennend jedoch das Thema interkulturelle Pflege inzwischen ist, kann man an der steigenden Zahl an Publikationen und Projekten in diesem Kontext ablesen.

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