Podiumsdiskussion


Perspektiven der Integration Bildungsbenachteiligter angesichts dynamischer Entwicklungen der Bildungs- und beruflichen Situation


Moderation: Dr. Daniela Engelhardt, Südwestfunk


Sie haben heute morgen schon relativ viel über die Qualifizierung von Qualifizierenden gehört im Bereich der Benachteiligtenförderung, und ich möchte Sie nun einladen zu dieser Podiumsdiskussion, die auch eine Podiums-Publikums-Diskussion werden soll. Wir werden jetzt das Thema mit dem Titel "Perspektiven der Integration Bildungsbenachteiligter angesichts dynamischer Entwicklungen der Bildungs- und Berufssituation in der Bundesrepublik".- und in Europa, müsste man hinzufügen - anschneiden. Unter diesem Titel werden wir versuchen, die dringendsten politischen, bildungspolitischen, gesellschaftspolitischen Fragen hier herauszuarbeiten, die diesen Bereich betreffen, und schauen, welche Lösungsansätze sich dabei anbieten.

Dazu begrüße ich auf dem Podium:

  • Frau Dr.Ursula Herdt vom Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft,
  • Frau Christel Alt vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn.
  • Herrn Dr. Erhard Schulte, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF),
  • Herrn Dr. Joachim Schroeder, Universität Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaften,
  • Mrs. Andrea Mearing von der BASIC SKILLS ACENCY, London.

Ich würde gerne mit Ihnen beginnen, Frau Christel Alt aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung, weil Sie mir im Vorgespräch gesagt haben, dass Sie bereits Probleme mit dieser Begriffsbildung, mit dieser Definition haben. Was heißt das, Bildungsbenachteiligte? Sie sagen, die gibt es eigentlich gar nicht, das ist keine homogene Zielgruppe. Wie meinen Sie das?


Frau Alt:

Ich sehe eben darin keine homogene Zielgruppe. Wenn wir über Bildungsbenachteiligte reden, müssen wir überlegen, ob wir eigentlich die Zugangsprobleme die jemand zum Bildungssystem, zu bestimmten Bildungsmaßnahmen hat, oder ob wir das Ergebnis im Sinne fehlender Schulabschlüsse meinen oder was wir heute morgen diskutiert haben, fehlende Alphabetisierung beispielsweise. Von daher denke ich, müssen wir spätestens wenn wir auf die Maßnahmeebene kommen - aber gut wäre es auch vorher - differenzieren, was wir eigentlich für eine Zielgruppe vor uns haben. Was wollen wir erreichen um hier nun nicht in eine akademische Diskussion zu verfallen, sondern tatsächlich bis auf die Maßnahmeebene zu kommen. Das wäre mein erster Punkt, den ich gerne diskutiert haben möchte, ich habe noch drei weitere, darf ich die auch gleich ansprechen? Ich fasse mal schnell zusammen. Der nächste Punkt wäre das Problem dass, wenn wir von Bildungsbenachteiligten reden - zumindest in Deutschland -, damit zugleich eine Stigmatisierung verbunden ist. Wenn wir Benachteiligte sagen, heißt das im Grunde schon Ausgrenzung. Für mich ist die Frage, wie man diese Zielgruppe besser in Regelmaßnahmen reinkriegen kann, mit spezieller Förderung allerdings. Das wäre das zweite Problem. Das dritte Problem ist ein Problem, das mir sehr unter den Nägeln brennt. Wenn wir sehen, dass wir in der Altersgruppe der sogenannten jungen Erwachsenen von 22 bis etwa 29 Jahren rund 11% eines Altersjahrgangs ohne abgeschlossene Ausbildung haben, dann haben wir es hier wohl mit einem harten Kern von Menschen zu tun, die ohne spezielle Maßnahmen An- und Ungelernte bleiben, und zwar mit einem ganz hohen Risiko am Arbeitsmarkt. Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, nicht nur für eine zweite Chance im Sinne einer Nachqualifizierung zu werben, sondern auch für diese Zielgruppen und nicht nur für Jugendliche, und dafür zu plädieren, stärker auf die Ursachen ihrer Benachteiligung zu gucken und nicht zu sehr in blanken Aktionismus zu verfallen. Das wäre mein drittes Problem, über das ich gerne reden würde, und das vierte wären eigentlich Konsequenzen, die für Maßnahmen zu ziehen sind. Dieses geht allerdings relativ ins Detail und ist vielleicht für einen ersten Einstieg hier zu komplex, da würde ich gerne später darauf zurückkommen.


Frau Dr. Herdt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Auch Sie haben ein bisschen ein Problem mit dieser Begriffsbildung "Benachteiligte". Sie sagen, man muss ja mindestens unterscheiden zwischen dem, was der Markt macht mit Jugendlichen, also die sogenannten marktgeschädigten Jugendlichen, die jetzt einfach heraus- fallen, weil es der Markt nicht hergibt, und mit denen, die tatsächlich eine elementare Benachteiligung haben. Sie haben ein sehr umfangreiches Positionspapier von der Gewerkschaft dazu entwickelt, wo es auch eigentlich - und das stimmt wieder ein wenig mit dem überein, was Frau Alt gesagt hat darum geht, das Augenmerk mehr auf die Situation zu richten, aus der die Jugendlichen kommen und weniger an den Symptomen herumzudoktern, sondern auch mal zu gucken, in welcher Situation sie sind, auch bezogen auf die Ausbildungsplatzsituation und so weiter und dann mal zu gucken, wie wir damit zurecht kommen. Aber ich möchte Ihnen das jetzt nicht vorwegnehmen, sondern bitte Sie, das einmal darzustellen. Was sind für Sie die wichtigsten Punkte dieses Papiers?


Frau Dr. Herdt:

Ich würde ganz gerne zu dem Begriff "benachteiligt" etwas sagen, und zwar möchte ich auf den gesellschaftlichen Zusammenhang hinweisen, oder auf zwei gesellschaftliche Zusammenhänge, genauer gesagt, in dem man meiner Ansicht nach die Benachteiligtenproblematik behandeln muss. Zum einen, das haben Sie schon angesprochen, Frau Engelhardt, wir haben die Situation, dass sich durch die verschärfte Mangelsituation am Ausbildungsstellenmarkt, aber auch im Arbeitsmarkt generell die Anzahl von Benachteiligten erweitert hat, und selbst wenn man jetzt begrifflich sagt, es gibt hier Marktbenachteiligte, deren einzige Benachteiligung darin liegt, dass es keine Ausbildungsstellen gibt, und es gibt echte Benachteiligte, so muss man natürlich sehen, dass junge Menschen, die jahrelang keine Ausbildungsstelle ihrer Wahl bekommen haben, irgendwann mal zu echten Benachteiligten werden und dass insofern einfach die ökonomischen, die Arbeitsmarktbedingungen in der Bundesrepublik das Benachteiligtenproblem verschärfen. Mir ist das immer sehr wichtig, weil manchmal ja so getan wird, als ob Benachteiligung etwas Individuelles ist, was jemand hat oder nicht hat. Aber ich denke, es gibt hier eine enge Kausalität. Das Zweite: Es gibt ja zur Zeit, seit einiger Zeit schon bestimmte moderne Trends in der Erziehungswissenschaft, in der Sozialwissenschaft, insbesondere in der Erwachsenenpädagogik und auf der politischen Ebene, nämlich die Ideologie des autonomen, seine Bildungsprozesse selbst steuernden Menschen. Da kann man jetzt lange darüber debattieren. Es ist sicherlich ein Ansatz, der auch gewisse emanzipatorische Ursprünge hat, die ja in Ordnung sind, aber man muss natürlich ganz klar sehen, dass eine solche Philosophie, die ganz stark auf den Einzelnen setzt und das Solidarprinzip zurückdrängt und auch die öffentliche Verantwortung, die staatliche Verantwortung zurückdrängt, natürlich die sogenannten Benachteiligten trifft, die eben nicht mit so individuellen Stärken ausgestattet sind. Lebenslanges Lernen, selbstgesteuertes Lernen, wie sie alle heißen, darüber ist kritisch nachzudenken, so berechtigt diese Forderungen auch sein mögen.

Das Problem ist, dass viele dann sagen, unsere Philosophie vom autonomen Menschen hat Grenzen und für die benachteiligten jungen Menschen muss dann weiterhin der Staat etwas tun und sorgen. Aber dann wird natürlich genau diese Stigmatisierung und tendenzielle Aussonderung von Benachteiligten, die auch Frau Alt gerade schon angesprochen hat, natürlich wieder verstärkt, weil es dann sozusagen Sonderprogramme geben muss. Diese zwei gesellschaftspolitischen Anmerkungen vorab. Ich will aber am Anfang nicht zu lange reden. Wir haben uns mit der Thematik ausführlich befasst und am Anfang möchte ich noch erwähnen, dass für uns der Aspekt der beruflichen Bildung von Benachteiligten und der beruflichen Integration ganz wichtig ist. Das ist sozusagen der Haupttenor auch dieses Papiers, aber auch sehr wichtig ist das, was die Schule vorher macht, wie Benachteiligung auch durch unser Schulsystem zumindest gefördert wird oder nicht verhindert wird. Das ist ein großes Problem, das in der Benachteiligtendebatte oft tabuisiert wird, und ich möchte auch ansprechen, dass - was zu kurz kommt - nämlich dass im Erwachsenenleben, in der Weiterbildung auch da Benachteiligte tendenziell wieder diejenigen sind, für die wenig getan wird, weil, wie wir wissen, die Weiterbildung, insbesondere die berufliche Weiterbildung, dann stark die Privilegierten wiederum erreicht, aber eben nicht die Benachteiligten, so dass man auf diese Bereiche auch die Diskussion fokussieren sollte, außer auf den engeren Begriff der beruflichen Bildung. Soviel erst mal zu Anfang.


Herr Dr. Schroeder, Sie haben als Pädagoge biographisch an der Universität Hamburg gearbeitet. Sie haben die Karrieren von Jugendlichen von der Schule in den Beruf oder in den Nichtberuf verfolgt. Was haben Sie für Schlüsse ziehen können? Was drängt sich da so auf, wenn man das aus der Distanz ein wenig überblickt?


Herr Dr. Schroeder:

Man muss sich in der Tat mal wieder den "Benachteiligten-Begriff" angucken, und ich würde aus diesen Untersuchungen drei Gruppen von Benachteiligten unterscheiden. Zum einen, die erste Gruppe würde ich als die Rechtsbenachteiligten bezeichnen. Wir haben, vor allem in den größeren Städten in der Bundesrepublik, eine große Zahl von Jugendlichen und Erwachsenen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, die keine Arbeitserlaubnis erhalten und damit keine Möglichkeit haben, eine Ausbildung zu beginnen. Die Frage nach Bildung stellt sich für diese Gruppe so gut wie nicht. Da kann man Sprachkurse anbieten oder sozialpädagogische Betreuung bieten. Aber aufgrund ihres Rechtsstatus, gleichgültig was sie jemals in ihren Herkunftsländern gelernt haben, was sie an Schulabschlüssen und an Kompetenzen und Fähigkeiten mitbringen, geht es für sie nicht weiter.

Die zweite Gruppe, da würde ich auch sagen, da komme ich mit dem Begriff der Marktbenachteiligten ganz gut zurecht. Jugendliche und Erwachsene, die an einer der berühmten drei Schwellen scheitern oder Schwierigkeiten haben, sei es beim Übergang Schule - Ausbildung (erste Schwelle) oder beim Übergang Ausbildung - Erwerbssystem (zweite Schwelle) oder einen der Wiedereinstieg nach Mutterschaft, nach Wehrdienst, nach Arbeitslosigkeit, nach Suchtentzug, was auch immer (dritte Schwelle), also hier noch mal einen Wiedereinstieg ins Erwerbssystem zu schaffen. Die dritte Gruppe, das ist, denke ich, in der Tat heikel, ich würde sie jetzt mal als die von ihrer Lebenslage Benachteiligten bezeichnen. Das sind solche Menschen, die erhebliche individuelle Probleme haben, von denen wir wissen, dass sie weder in den nächsten Jahren oder zum Zeitpunkt des Eintritts in eine Maßnahme eine solche durchstehen werden können, die nicht in Lerngruppen und Klassenverbände integrierbar sind aufgrund ihrer individuellen Lebenssituation und für die es erheblich schwierig ist, irgend etwas zu finden. Vor allem aber ist es auch sehr schwierig, eine gesellschaftliche Lobby zu finden. Sie sind nicht ausbildungsfähig, sie sind nicht betriebsfähig, wie es in den Konzepten und Angeboten erwartet wird. Da steht dann manchmal, sie sind ausbildungsunwillig oder verhaltensauffällig - oder es werden andere Begriffe gebraucht. Aber der Markt hat an diesen Menschen natürlich kein Interesse. Die Frage ist, wie Bildungsangebote für diese Gruppe von Jugendlichen und Erwachsenen finanzierbar sind, wer möchte sie anbieten, welche Inhalte haben sie, und ich denke, da müssen wir auch noch mal sehr kreativ über die Formen und die Organisationsweisen solcher Bildungsangebote nachdenken.


Herr Dr. Schulte, Sie haben zu mir im Vorgespräch gesagt, dass die Benachteiligtenförderung seit gar nicht so langer Zeit, aber jetzt ganz dezidiert einen wichtigen politischen Stellenwert bekommen hat, dass sie gesetzlich festgeschrieben ist, dass es ein Fortschritt ist. Meine Frage wäre jetzt anschließend an das, was Dr. Schroeder gesagt hat: Ist das System denn so, dass es diesen Differenzierungen gerecht wird?

 

Herr Dr. Schulte:

Wenn Sie eine pauschale Antwort haben wollen, ob das System so ist, dass es diesen Differenzierungen gerecht wird, würde ich sagen: eher nein. Wir haben eine Vielzahl von Fördermaßnahmen, und ich glaube, da müssen wir ansetzen, diese Maßnahmen besser zusammenzuführen. Ich möchte aber vorwegschicken, dass sich mein Wunsch eigentlich in einem Satz zusammenfassen lässt, nämlich Forderungen aus zwei wichtigen Papieren, die im letzten Jahr zur Benachteiligtenförderung verabschiedet worden sind, Realität werden zu lassen. Was ich mit diesen Papieren meine, sind Beschlüsse des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, das in Deutschland seit gut eineinhalb Jahren wieder existiert, und dass sich die Arbeitsgruppe Aus- und Weiterbildung innerhalb dieses Bündnisses mit dem Thema Benachteiligtenförderung auseinandergesetzt hat, halte ich an sich schon für einen sehr wertvollen Vorgang. Wir haben erstmalig auf dieser politischen Ebene eine Bestätigung der Notwendigkeit dieses Förderbereichs erfahren.

In diesen Papieren steht, wenn ich auf zwei Punkte nur eingehen kann, dass es immer, egal wie die Situation auf dem betrieblichen Ausbildungsstellenmarkt aussieht, dass es immer eine Gruppe von Jugendlichen geben wird, die es beim Übergang von der allgemeinbildenden Schule in die berufliche Ausbildung schwer haben wird. Meine persönliche Prognose ist, diese Gruppe wird anwachsen. Vielleicht kommen wir noch im Laufe des Gesprächs darauf, worauf sich diese Prognose stützt. Dann ist im zweiten Beschluss ausdrücklich gesagt worden, dass Benachteiligtenförderung integraler Bestandteil der Berufsausbildung ist. Wir haben seit 20 Jahren ein Benachteiligtenförderprogramm, seit 1988 auf gesetzlicher Grundlage, jetzt im Rahmen des Sozialgesetzbuchs III, 20 Jahre sind eigentlich keine sehr lange Zeit, aber wenn ich Ihnen mal ein paar Daten nenne, dann können Sie ermessen, wie rasant sich dieser Sektor erweitert hat. Wir haben angefangen 1980/81 mit einem kleinem Vorlaufprogramm, mit 578 Teilnehmern und einem Mitteleinsatz von 29 Millionen. In dem Ausbildungsjahr 1984/85 hatten wir 18.500 Teilnehmer und einen Mitteleinsatz von 256 Millionen DM. Heute haben wir 130.000 Teilnehmer und einen Mitteleinsatz allein durch die Bundesanstalt für Arbeit von 2 Milliarden DM. Das ist, glaube ich, eindrucksvoll, und zugleich ist es auch etwas, was uns in jeder Hinsicht herausfordern muss. Wie kommt es dazu? Ganz entscheidend natürlich durch Veränderungen in der beruflichen Bildung, vor allem was die Ausbildung in den Betrieben und Verwaltungen betrifft. Das steht natürlich in einem ganz engen Zusammenhang, deshalb sprechen wir auch von "Marktbeteiligten". Je enger das Angebot in unserer dualen Ausbildung betrieblicher Art wird, um so größer wird der Kreis der sogenannten "Benachteiligten". Das ist leider so zu konstatieren und da haben auch alle meine Vorrednerinnen und Vorredner recht. Wenn ich mir einen Hauptwunsch erfüllen könnte, dann den, dass wir tatsächlich wieder in der privaten Wirtschaft mehr Interesse fänden, sich auch den schwächeren Jugendlichen, den schwächeren Ausbildungsplatzbewerbern zuzuwenden. Jemand ohne einen Schulabschluss hat heute so gut wie keine Chance mehr, eine betriebliche Ausbildung aufzunehmen, obwohl die rechtlichen Möglichkeiten dem nicht entgegenstehen. Unser Berufsbildungsgesetz macht Ausbildung zugänglich für alle, welche Qualifikation sie auch haben, aber de facto ist es so, dass kaum jemand ohne Schulabschluss heute einen Ausbildungsvertrag mit einem Betrieb abschließen kann.


Es wird wahrscheinlich schwierig sein, über diesen Punkt Motivierung oder Motivationsschübe in die Privatwirtschaft hinein heute zu diskutieren, weil wir da wenig Einflussmöglichkeiten haben. Das müsste man dann wieder an die Gesamtgesellschaft zurückgeben und möglicherweise an dieses Bündnis für Arbeit oder an die Politik. But I like to call Mrs. Mearing.

Damit würde ich jetzt Frau Mearing bitten, das letzte der ersten Statements hier abzugeben. Frau Mearíng von der BASIC SKILLS AGENCY in London, Sie haben anscheinend einen Vorteil, Sie haben nämlich eine zentrale Organisation, die BASIC SKILLS AGENCY, die sich dieses Problems annimmt, das wir hier diskutieren. Interessant für uns dabei ist, erstmal etwas zu erfahren über die BASIC SKILLS AGENCY, und wenn Sie dann vielleicht etwas dazu sagen könnten, wie wir daraus Nutzen ziehen können, was wir von Ihrem Programm lernen können.


Mrs. Mearing:

Die BASIC SKILLS AGENCY wird von der Regierung finanziert. Wir sind eine unabhängige Organisation, arbeiten in ganz England und Wales, auch in den verschiedenen Regionen, Schulen, Colleges und auch sektorenübergreifend,.also am Arbeitsplatz, in den Familien und so weiter. Es gibt bei uns drei Hauptziele oder Aufgaben. Zunächst mal sind wir Lobbyisten, wir versuchen die Regierung zu gewinnen, zu überzeugen für Grundbildung. Wir versuchen Geldfonds verfügbar zu machen für neue Programme, die wir entwickeln für Menschen mit geringer Grundbildung, und letzter Punkt: Wann immer wir die Mittel dafür bekommen, helfen wir, neue Entwicklungen zu fördern und sie auch umzusetzen, sie in der Praxis zu verankern. Das ist unser Job im Grunde. John Hallsworth hat heute Vormittag schon berichtet, welch einen großen Schritt wir nach vorne gemacht haben, mit der Moser Gruppe, dem Moser-Report, wo wirklich auch der Regierung dargelegt wurde, dass wir da einiges tun müssen und bald aktiv werden müssen.

Vielleicht kann ich Ihnen jetzt kurz mal skizzieren, welche Aktivitäten wir im letzten Jahr ergriffen haben, und da sehen Sie vielleicht auch, wie sehr uns das ermutigt hat, wie stark die Regierung engagiert war. Zunächst einmal haben wir jetzt eine nationale Strategie für Grundbildung bei Erwachsenen, die hat die Regierung verabschiedet und da wird dann auch bald das entsprechende finanzielle Instrumentarium zur Verfügung stehen. Wir haben ein Ziel festgelegt für die Teilnahme und für das Erreichen von Zielen. Ein Ziel ist, bis 2002 die Zahl der teilnehmenden jungen Erwachsenen zu verdoppeln. Um auch diejenigen zu motivieren, die schwerer zu erreichen sind, haben wir noch eine weitere Kampagne geplant, um die Grundbildung zu fördern. Es gibt drei Schlüsselaspekte, auf die wir vor allem in den letzten Monaten eingegangen sind. Zunächst einmal Standards. Vor dem Moser-Report gab es in den einzelnen Landesteilen unterschiedliche Programme, die vielleicht anderen Standards unterlagen. Das heißt, wir haben jetzt beschlossen, dass es Standards geben muss, für die Grundbildung Erwachsener, nach denen man die Menschen einschätzen bzw. einstufen kann, wenn sie am Programm teilnehmen sollen. Dann haben wir einen Lehrplan für Grundbildung entworfen, der vorschlägt, mit welcher Art Programm den Menschen was beigebracht werden soll. Ab dem nächsten Januar wird es einen nationalen Test für Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten geben. Kollegen haben mir schon erzählt, wie schwierig es ist, die richtigen Angebote für Leute bereitzustellen. Deswegen wurden bei uns Mittel zur Verfügung gestellt für Pilotprogramme in Gemeinschaften, die mit Gesundheits- und sozialen Organisationen zusammen arbeiten, in Unternehmen, am Arbeitsplatz, die zusammen mit unseren Gewerkschaftskollegen gearbeitet haben. Wir haben einen Fond, den "Union Learning Fond", also den Gewerkschaftslernfond, wo viele Lernprogramme direkt am Arbeitsplatz der Mitarbeiter stattgefunden haben. Wir benutzen immer mehr Technologie, Laptops, Computer usw. So können wir neue Lerner erreichen, Lernzentren und Jobs und Einrichtungen bieten. Und letztlich mit den Familien arbeiten, das heißt, Kinder und Eltern beispielsweise gleichzeitig unterrichten, mit ihnen lernen und so etwas bewirken. Das heißt, wir haben da Wahlmöglichkeiten und eine Vielfalt von Angeboten, mit denen wir dann versuchen, mehr Menschen zu erreichen und mit ihnen zu lernen. Ganz wichtig ist natürlich die Schulung des Ausbildungspersonals. Wir haben dafür ein Programm ins Leben gerufen, das ab dem nächsten Jahr zur Verfügung stehen wird. In diesem Sommer wird es Intensivkurse für die Ausbilder geben,.für alle Erwachsenen-Ausbilder, die gegenwärtig hier mitarbeiten, um ihnen zu helfen, ihren Lehrplan zu entwickeln und sicherzustellen, dass auf Qualität in der Lehre geachtet wird, und dann ab dem nächsten Jahr werden wir Inspektionsprogramme haben, also Überprüfungsfragen, die bislang sehr ungenau und wenig zusammenhängend waren. Also, Sie sehen hier, die Grundlagen müssen richtig stehen, die Qualität muss sichergestellt werden, dann kann man wirklich was bewirken. Und ein paar dieser Dinge würden wir unseren Kollegen natürlich gerne zur Verfügung stellen und Sie davon profitieren lassen. Eine Art und Weise, wie wir das machen könnten - das ist mein letzter Punkt - wäre vielleicht, indem wir eine Art BASIC SKILLS NETWORK einrichten, also ein Netzwerk von Grundbildung in Europa. Da gibt es Partner, die sich letztes Jahr angeschlossen haben, und ich glaube, da sind schon 6 oder 7 Länder beteiligt. Wir hätten großes Interesse daran, auch Sie herzlich einzuladen und Sie zu bitten, sich als Partner und auch als Beitragende zu betätigen, denn wie wir heute gesehen haben, können wir viel voneinander lernen.


Ich habe jetzt den Eindruck, korrigieren Sie mich, wenn der Eindruck sehr falsch ist, dass wir es hier mit einer Art Kampagne gegen Analphabetentum zu tun haben, und die Alphabetisierungskampagne, die da gemacht wird in England, hat nicht so viel mit dem zu tun, was wir hier diskutieren, aber ich würde das gerne besprechen, was für Eindrücke sonst auf dem Podium sind. Interessant wäre vielleicht, wenn wir diskutieren würden: Können wir uns so etwas vorstellen in Deutschland?


Herr Dr. Schulte:

Es ist gar nicht so sehr weit entfernt, dieses Thema der Alphabetisierung von dem Thema Benachteiligtenförderung. Ich werde versuchen, es mal zu illustrieren. Ich war in mehreren Diskussionen mit Leuten, die Trägereinrichtungen leiteten, die Arbeit mit Schulversagern, mit jungen Leuten, die keinen Schulabschluss erreicht haben, und die sagten mir eigentlich ständig: Was wir brauchten, wäre ein solches Element der Alphabetisierung innerhalb auch einer beruflich ausgerichteten Benachteiligtenförderung. Wir müssen viel elementarer anfangen, sagten die, als mit dem Programm, mit dem wir normalerweise arbeiten. Ich habe das mal sehr ernst genommen. Also, das ist auch ein Thema durchaus der Benachteiligtenförderung, wie wir sie auch traditionell hier durchführen.


Was mich interessieren würde: Wie kommt das bei Ihnen an? Haben Sie das Gefühl, wir könnten so was übernehmen? Frau Dr. Herdt zum Beispiel. Glauben Sie, dass wir so was hier machen könnten und dass es gut wäre, es in der Form aufzuziehen?


Frau Dr. Herdt:

Wir haben andere rechtliche Strukturen in der Bundesrepublik, wir haben einen Föderalismus, der mit 16 Bundesländern sicherlich einige Barrieren darstellt. Wir haben die Tendenz in den letzten Jahren, wenn wir diesen Föderalismus umgehen wollen und trotzdem ein Programm auflegen wollen, dass dann die Bundesanstalt die Institution ist, die als Träger gefunden ist und da könnte man jetzt stundenlang drüber diskutieren, was das alles mit einbezieht, was das bedeutet, aber bei einem Literacy-Programm würde man sich dann doch ein bisschen schwer tun, das mit dem SGB-III-Auftrag in Verbindung zu bringen, obwohl man da in den letzten 20 Jahren sehr, sehr phantasiereich war, dies doch irgendwie hinzubekommen, z. B. der Hauptschulabschluss, Herr Schulte sagte es gerade, ist ja auch in dem Programm "Jump" drin. Von daher könnte man sich das vorstellen, aber das müsste man sich noch mal sorgfältig anschauen, denn die Bundesanstalt für Arbeit, wie der Name schon sagt, hat einen arbeitsmarktpolitischen Auftrag. Es ist keine Bildungseinrichtung und da haben wir erhebliche strukturelle Defizite in der Bundesrepublik. Da tut sich möglicherweise ein Land wie Großbritannien leichter. Ich kenne die Verhältnisse nicht so gut, aber ich vermute es zumindest. Ich wollte aber auch auf einen Punkt kurz hinweisen, der mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheint, und er knüpft auch daran an. Die Programme sind ja eine Sache zur Verbesserung der Bildungsvoraussetzungen sozusagen. Das andere ist, ob unsere Gesellschaft Möglichkeiten hat zur Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt. Das ist ein großes Problem. Es würde mich auch interessieren, wie die Engländer damit umgehen, ob sie hier öffentliche Unterstützungsprogramme haben. Dann sind wir auch immer sehr schnell bei der Debatte mit dem Niedriglohnsektor. Die Frage, ob wir immer weniger Arbeitsplätze haben für ungelernte, für weniger qualifizierte Menschen, was dann mit ihnen passiert, wenn sie die ganzen Programme durchlaufen haben. Das ist ja fast international ein ungelöstes Problem, wie es mir scheint.


Mrs. Mearing:

Ich glaube, die Frage der Analphabetisierung berührt immer die Frage der Terminologie. Die Leute, über die wir sprechen, sind dieselben Leute, die sozial ausgegrenzt sind. Das heißt, die keine Grundkenntnisse haben, nicht die Kenntnisse haben, die sie brauchen für die Arbeit. Wir haben in Großbritannien mehr Bedarf, aber es gibt auch junge Leute und Erwachsene, die eine formelle Schulausbildung nicht oder nicht erfolgreich abgeschlossen haben und dann nicht die Möglichkeit haben, ihr Potenzial auszuschöpfen. Die zweite Antwort, unser Erziehungs- und Arbeitsministerium hat Programme und Finanzierungsprogramme, um Leute in Arbeit zu bringen, aber es geht natürlich auch um Menschen, die nicht bereit sind, eine Arbeit aufzunehmen, und da sind die Gemeinschaftsprogramme wichtig, z. B. die Familienprogramme, um Leute zu unterstützen, die noch nicht in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können, weil sie noch nicht bereit sind. Wir haben auch immer weniger Arbeitsplätze für Leute, die überhaupt keine Kenntnisse haben, und ein Hauptpunkt unseres Arbeitsplatzprogramms ist eine Ausbildung am Arbeitsplatz, damit die Leute merken, dass die Arbeitsplätze verändern, damit sie mehr Erkenntnisse erwerben können, dass sie befördert werden können, damit sie die Gesetzgebung verstehen lernen und dass sie nicht nur irgendeine Aufgabe erfüllen, sondern auch den Arbeitsplatz als solchen verstehen. Da gibt es bei uns großen Bedarf, aber das hat eine lange Überzeugungsarbeit gebraucht, um eine Gruppe aufzubauen, die diese Bedürfnisse ermittelt. Sie haben von den Bundesländern gesprochen. Wir haben in U.K. auch England, Schottland, Wales und Irland. Wir haben dort auch diese Problematik. Es ist natürlich schwierig, aber nicht unmöglich. Sie haben von Barrieren und Blockaden gesprochen und das sind diejenigen, die überwunden werden müssen.


Frau Alt:

Eben ist das Problem Arbeitsplätze für Geringqualifizierte, also An- und Ungelernte angesprochen worden. Aus der jüngsten BIBB-Erhebung hat sich das noch weiter verschärft, denn es ist mit einer Halbierung der jetzigen Beschäftigungsmöglichkeiten für diese Gruppe zu rechnen. Das ist noch fast schön gerechnet. Vor diesem Hintergrund, denke ich, gibt es keine Alternative als tatsächlich eine Berufsausbildung für jede Person, die es eben packt. Ich sage bewusst "die es eben packt", da mir natürlich auch klar ist, dass wir es hier mit Grenzsituationen zu tun haben und wir möchten natürlich eigentlich bei der ganzen Geschichte nicht weitere Versager produzieren. Vor diesem Hintergrund wiederum glaube ich, ist es notwendig, durchaus das Ziel "Berufsausbildung für alle" zu haben, aber den Weg dahin, den müssen wir flexibilisieren. Auch wenn es nicht die Meinung unseres Hauses, des Bundesinstituts für Berufsbildung, ist, sage ich das. Ich meine eine Modularisierung in der Ausbildung und in der Umschulung. Eine Modularisierung, die so angelegt ist, dass wir Modul-Prüfungen bekommen, um tatsächlich zu einer echten Addition bei den Abschlüssen zu kommen, was bisher aufgrund der gesetzlichen Grundlage nicht möglich ist.

Sie hatten aber noch eine andere Frage angesprochen, und zwar, ob es vorstellbar ist, die Alphabetisierung auch hier bei uns zu einer Kampagne zu machen. Ich meine, wir haben mehr Möglichkeiten, als wir uns das selbst eingestehen. Im Bereich der Berufsvorbereitung hindert uns eigentlich niemand daran, dieses zu tun. Die Berufsvorbereitung nur zu sehen als vorgezogene Teile einer Ausbildung, das mag für die Gruppe gelten, die eigentlich in der Warteschleife ist, vielleicht für die Marktbenachteiligten. Für andere kann Berufsvorbereitung aber eben auch heißen, tatsächlich die Lernschwierigkeiten, die sie haben, aufzugreifen und nicht nur an Symptomen mit sozialpädagogischen Maßnahmen zu korrigieren. Von daher plädiere ich ganz nachhaltig dafür, in der Berufsvorbereitung diese Lernprobleme viel stärker zu akzentuieren, und dabei ist Alphabetisierung ein wichtiges Thema. Ich möchte aber eigentlich lieber den Begriff "breite Grundbildung" aufgreifen, der noch ein bisschen mehr sagt, wenn ich das richtig verstanden habe, auch in Großbritannien.


Modularisierung haben Sie jetzt als Stichwort eingeworfen. Modularisierung, meinen Sie das im Sinne von besserer Übersichtlichkeit, Teilung dieses Ausbildungsprozesses oder dieses Lernprozesses? Vergleichbarkeit bietet Modularisierung zum Beispiel, und es ist dann dieses In-kleinen-Häppchen-voran-Gehen. Oder was verbinden Sie an Vorteilen mit der Modularisierung? Das hätte ich gerne noch einmal gehört von Ihnen.


Frau Alt:

Ich meine jetzt nicht nur die didaktische Untergliederung. Die ist sowieso unbenommen, sondern ich meine eigentlich eher etwas, was in den letzten Jahren im Bereich der Benachteiligtenförderung erprobt worden ist, und zwar ausgehend von bestimmten Tätigkeitsfeldern, in sich abgeschlossene Qualifizierungseinheiten zu erarbeiten, die dann auch mit einem schon durchaus marktgängigen Zertifikat belegt werden können. Das heißt auch, es kann suggestiv zu einem Ausbildungsabschluss hingearbeitet werden und eben nicht von vornherein nur auf eine drei- bis dreieinhalbjährige Ausbildung geguckt werden, und zwar ausgehend von den Arbeitsfelder, in denen die Leute bereits arbeiten.


Das heißt also nicht: Diese Strecke, um Himmelswillen, drei Jahre, schaffe ich das? sondern einfach sich vorzuarbeiten.


Herr Dr. Schroeder:

Das kann ich nur unterstützen, und ich denke, das muss schon viel früher losgehen. Schule ist bislang so ausgelegt, dass man da neun oder zehn Jahre hingeht. Wenn ich den Schulabschluss schaffe, dann haben sich diese zehn Jahre gelohnt - wenn man es sich mal rein von den Abschlüssen her betrachtet. Wenn ich in der achten oder neunten Klasse abbreche, dann habe ich nichts anderes als einen Schulabschluss, der mir sozusagen im weiteren Fortkommen, im formalen Bereich nichts mehr nützt. Dito bei Maßnahmen. Wenn ich die durchstehe, kann ich ein Zertifikat dort erwerben oder einen weiteren Abschluss, der mich weiter bringt. Breche ich nach drei Monaten oder sechs Monaten ab, ist die Zeit wieder verloren, weil sie sozusagen nicht anrechenbar ist für das künftige Fortkommen. Es ist gegenwärtig in unserem System aus vielen Gründen nicht möglich, Bildung zu individualisieren in dem Sinn, dass ich nur noch für mich selbst verantwortlich bin. Ich kann nicht in der einen Einrichtung ein Teilmodul einer Qualifikation erreichen, in zwei, drei, vier anderen Einrichtungen Ähnliches, das mir dann zusammen im Laufe von fünf, sechs, sieben Jahren als Äquivalent zu einer Berufsausbildung oder zu einem Schulabschluss oder zu irgend etwas anderem nützt. Ich denke, in dieser Frage muss man sehr genau noch mal weiter denken. Wir haben das bislang immer nur im Bereich von pädagogischen Angeboten. In Hamburg gibt es jetzt den Bildungspass im allgemeinbildenden Schulsystem, da lasse ich mir dann die einen oder anderen Angebote, an denen ich an der Volkshochschule oder bei Trägern oder in Vereinen teilgenommen habe, stempeln. Das ist aber mehr, um zu lernen, dass ich da Bildung kriege und Interessen herausfinde, aber es ist nicht abschlussrelevant. Da wird es erst richtig interessant, denn dann müssen auch die Systeme zusammenkommen, und das wäre jetzt mein zweites Problem, dass der eine Flügel des Tisches eben stark vom Arbeitsmarkt, vom Ausbildungssystem, vom Qualifizierungssystem her denkt, ich dagegen stark von der Allgemeinbildung, vom Schulsystem, von der Erwachsenenbildung her denke und diese Verbindungen einfach extrem schwierig sind. Das Beispiel, das Sie, Frau Alt, nannten, ist in der Tat sehr wichtig. In Hamburg gibt es jetzt inzwischen ein Berufsvorbereitungsjahr Alpha, in dem Berufsvorbereitung mit Alphabetisierung integriert ist. Dass so etwas zustande kommt, freut einen ja schon, aber da denke ich, fehlt es an vergleichbaren und abschlussrelevanteren Angeboten.


Das heißt, das System müsste tatsächlich gravierend umgekrempelt werden. Dr. Schulte?


Herr Dr. Schulte:

Wenn also bedauert wird, dass vieles bei uns nebeneinander herläuft, vieles inkompatibel ist, dass da einer von der schulischen Sicht herkommt und der andere mehr aus der Richtung Berufsausbildung und Arbeitsmarkt, das ist alles richtig. Ich will es auch sehr gerne einmal deutlich machen an dem Arbeitsfeld, mit dem ich mich beschäftige. Also im Bereich des Übergangs von Schule in Berufsausbildung finden Sie in Deutschland etwa neun unterschiedliche Maßnahmetypen, die von der Bundesanstalt für Arbeit angeboten werden im Bereich der Benachteiligtenförderung, im Wesentlichen in der Ausbildungsvorbereitung. Tätig in diesem Sektor sind aber auch Schulen. Wir haben auch das schulische Berufsvorbereitungsjahr und das schulische Berufsgrundbildungsjahr. Tätig sind auch die Kommunen über die Jugendhilfe. Im Augenblick haben wir auch noch das Sofortprogramm der Bundesregierung, das etwa 25% auch Benachteiligten nach ihrer klassischen Definition zugute kommt. Und wir haben außerdem noch zielgruppenspezifische Programme der Länder. Sie sehen einen großen Strauß von Angeboten, die aber überhaupt nicht aufeinander abgestimmt sind. Es gibt einen Maßnahmedschungel, davon spricht man heute im Bereich der Benachteiligtenförderung. Die Beschlüsse, von denen ich eben sprach, die Beschlüsse, die im Bündnis für Arbeit gefasst worden sind, sprechen von einer neuen Systematisierung, dass wir da hinkommen müssen, Maßnahmen nicht mehr nebeneinander unverbunden anzubieten, sondern eine Forderung aus einem Guss zu erzielen. Jetzt möchte ich gerne noch einmal auf meine Kollegin Frau Alt zu sprechen kommen. Welche Konsequenzen müssen wir daraus ziehen, aus den Arbeitsmarktprognosen und Beschäftigungsprognosen?. Weiterer drastischer Wegfall von Arbeitsstellen, die mit Un- oder Angelernten, mit Geringqualifizierten besetzt werden können. Ich ziehe genau dieselbe Konsequenz wie Frau Alt und sage:Wir müssen alles tun, um so gut wie möglich wirklich jedem das zu verschaffen, was die Engländer Employability nennen. Das halte ich für eine öffentliche Aufgabe,. jeden zu qualifizieren, dass er mit Chancen am Arbeitsmarkt antreten kann, und dafür brauchen wir ein besseres System. Dafür brauchen wir ein flexibleres System, das von niedrigschwelligen Eingangstrainigsmaßnahmen bis hin zu einer Vollausbildung, modularisiert oder nicht, reicht. Wir brauchen ein besser aufeinander abgestimmtes und damit auch besser auf den individuellen Bedarfsfall hin ausgerichtetes System. Das ist das, was uns im Augenblick noch zu leisten bevorsteht. Aus der Vielfalt eine sinnvolle, flexibel handhabbare Einheit zu machen.


Das ist ein schönes Bild. Es klingt so, als würden Sie daran arbeiten. Woher kommt dann der Gegenwind oder wo mangelt es an Unterstützung?


Herr Dr. Schulte:

Das ist auch ganz einfach zu sagen. Das sind eingefahrene Wege, die sich herausgebildet haben. Seit nunmehr zwei Jahrzehnten werden ganz bestimmte Maßnahmentypen an ganz bestimmte Organisationen vergeben. Das hat sich so herausgestellt. Da wird einfach ein Angebot mit 24 Plätzen gemacht und wenn man die 24 Plätze nicht sinnvoll mit der Zielgruppe füllen kann, werden auch andere dazu genommen. Es gibt zum Beispiel kaum eine echte Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfemaßnahmen vor Ort und den Maßnahmen, die von der Bundesanstalt für Arbeit gefördert werden. Auch kaum eine Zusammenarbeit mit dem Schulbereich, Frau Herdt. Ein ganz großer Mangel. Jeder arbeitet auf seiner Schiene und was dabei herauskommt, sind immer mehr Jugendliche , die es nicht zu einem Berufsabschluss schaffen, letztlich immer mehr Jugendliche, die in Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe enden. Ich möchte mehr dafür werben, vor allen Dingen bei den Verantwortlichen vor Ort. Dass sie so etwas tun wie Poolbildung, das Zusammenspannen von Ressourcen. Und zwar orientiert an dem evidenten Bedarf, der da ist, der genau ermittelt werden muss. Wir sind hier übrigens auf einer sehr guten Stelle in Mainz. Mainz hat das erkannt. Ich habe viele Gespräche hier geführt. Mainz versucht, den Bedarf evident zu machen und das Angebot transparent zu machen und diese Bedarfsdeckung besser hinzukriegen, als das an anderen Orten der Fall ist. Hier in Mainz geschieht so was.


Wir hatten hier eine Wortmeldung, wenn ich das richtig gesehen habe.


Wortmeldung aus dem Plenum:

Ich wollte doch noch mal eine Stufe zurückgehen. Wenn es also um Grundbildung geht, kommt man nicht daran vorbei, erst mal an die Schule zu gehen. Ich denke, die ganze Diskussion um Alphabetisierung hat damals vor 15 Jahren, seit es in der Bundesrepublik diskutiert wird, sehr stark mit dem Finger auf die Schulen gezeigt. Heute ist man offensichtlich schon resigniert und sagt, okay, wir müssen halt damit rechnen, dass aus den Schulen Leute in immer stärkerer Zahl nicht mal mehr die Grundbildung mitbekommen. Die "employability," da ist der Haken schon mal sehr dicht gesetzt und wenn ich nur die ganze Diskussion in der Erwachsenenbildung um Grundbildung fast nur noch unter "Reparaturbetrieb" zusammenfassen muss, dann frage ich mich wirklich: Rechnet mal endlich jemand zusammen, was die Reparatur kostet im Verhältnis zu der Schulbildung, die offensichtlich versäumt wird? Und wenn man es einfach nur unter ökonomischen Gesichtspunkten sieht. Ist denn niemand da, der das mal gegenrechnet?


Da ist wieder das Problem mit den verschiedenen Töpfen. Wenn wir es gesamtgesellschaftlich sehen, wäre es wirklich am besten. Es ist so sehr unbefriedigend. Man müsste viel mehr in die Prävention stecken.


Wortmeldung aus dem Plenum:

Ich möchte dazu gerne eine Frage stellen an die GEW-Kollegin. Ich sehe die Analyse genauso, dass im Grunde unser Grundbildungssystem die Qualität nicht erbringt, Jugendliche berufsreif oder in die Integration zu bringen. Dabei ist es eigentlich paradox, dass gerade die Bundesanstalt für Arbeit mit ihren Maßnahmen bei Volkshochschulen, bei anderen Trägern mehr Hauptschulabschlüsse pro Schüler vermittelt, als die Hauptschulen der Bundesländer selber oft. Das heißt, die, die da durchfallen, fallen in diesem System der Bundesanstalt für Arbeit nicht durch, und wir schaffen es. Warum schaffen wir es? Weil wir in der Tat anders methodisch arbeiten. Wir kennen keine 37- oder 34- Stunden-Woche. Dort wird Projektarbeit gemacht. Dort wird davon geredet, dass wir sozusagen mit Kompetenzansätzen arbeiten, von denen die Schule nicht redet. Warum redet man nicht im Hauptschulbereich von Kompetenzansätzen? Warum macht man keine Projektarbeit oder Handlungsorientierung? Das ist es in der Tat, es verlangt sozusagen unser Geldgeber bereits und wird bei vielen bereits umgesetzt. Das ist das Hauptproblem und da meine Frage an die GEW. Wann schaffen wir den 45- Minuten-Rhythmus in der Schule ab? Wann sind die Verbände bereit, ja zu sagen, oder an die Politiker, wann fordern sie das? Dann können wir diese Milliarden der Bundesanstalt für Arbeit zur Hälfte einsparen.


Ein sehr zugespitztes Statement. Frau Dr. Herdt: die Schule.


Frau Dr. Herdt:

Das ist natürlich eine ganz leichte Frage, die mir da gerade gestellt wurde. Ich hatte mir aber auch schon vor Ihrem Beitrag ein Stichwort aufgeschrieben: "Schule" und ich habe das vorhin auch gesagt. Also, alle Befassungen mit Benachteiligten sind zu kurz gegriffen, wenn man erst in der beruflichen Bildung oder in der Berufsvorbereitung damit anfängt. Völlig klar. Sie stoßen bei mir offene Tür ein, wenn Sie sagen, Schule muss sich verändern, auch die Hauptschule. Wobei die Hauptschule vielleicht noch die Schulart ist, die am ehesten noch pädagogische Ansätze hat, Reformansätze hat, wie Projektunterricht und handlungsorientierter Unterricht. Trotzdem ist es einfach so, das sage ich hier auch ganz bewusst: Offensichtlich läuft mit den Lernprozessen in der Schule etwas falsch. Ich würde mich dagegen ein bisschen verwahren, dass sie grundsätzlich daran Schuld ist,.an der Abbrecherquote und dass so viele ohne Abschluss die Schule verlassen, aber es läuft sicherlich in der Schule vieles falsch, nicht nur der 45-Minuten-Takt, der wird immer gerne genannt, auch mit Recht kritisch genannt. Man könnte genauso gut an die Lehrpläne gehen, man könnte an die Fächeraufteilung gehen, die strenge Aufteilung nach Fächern, das wenige, was übergreifend gemacht wird, die wenigen Ansätze der Schule, von den unmittelbaren Lernprozessen und der Lernmotivation der Jugendlichen auszugehen. Wir haben übrigens als GEW vor 14 Tagen einen Kongress in Weimar veranstaltet, wo wir versucht haben, vom Lernen auszugehen und mal zu gucken, wie Lernen eigentlich läuft und was es da wieder für Impulse geben müsste für das organisierte Lernen in den Einrichtungen. Also insofern sind wir auf dem Weg. Ich will aber noch etwas anderes sagen zum Thema "Schule". Wir haben auch ein strukturelles Problem. Wir haben in der Bundesrepublik die Ideologie, dass im Alter von 10 Jahren die jungen Menschen ausgesondert werden, in drei oder vier unterschiedliche Schularten. Das muss man einfach mal sehen, das ist tief in den Köpfen drin und das erschwert das Problem. Also es gibt eine strukturelle Selektivität des deutschen Schulwesens, das wir so in anderen Ländern nicht haben. Gut, da gibt es auch Probleme mit Privatschulen usw., aber ich denke, das ist schon eine spezifisch deutsche Problematik, die wir strukturell haben, abgesehen jetzt von der Didaktik und Pädagogik.

Aber gestatten Sie mir, noch auf einen anderen Punkt einzugehen. Ich habe den Eindruck, dass wir uns hier vorne sehr, sehr einig sind und wenig innerliche Differenzen da sind, aber deswegen möchte ich in einem Punkt oder in zwei Punkten doch meinen Vorrednern ein bisschen widersprechen, nicht aus Prinzip, sondern weil es auch von der Sache her, denke ich, gerechtfertigt ist. Und zwar zunächst an Herrn Schulte gerichtet, was ich ungern tue, aber ich muss es trotzdem mal sagen. Sie haben ja mit Recht, wie wir das auch getan haben, den Maßnahmendschungel beklagt, die vielen unterschiedlichen Zuständigkeiten, den Maßnahmenwirrwarr und all das, und haben dann auf die Schwierigkeiten der Abstimmung verwiesen und dann auf das, was vor Ort läuft. Es ist nicht damit getan, so wichtig das auch sein mag, in der Region Abstimmungsprozesse vorzunehmen und im regionalen Dialog und wie das alles heißt, das ist ja o.k. Das sind wichtige Ansätze, um diese strukturellen Defizite auch ein Stück weit zu überwinden. Aber um zu vermeiden, dass wir neue unterschiedliche Maßnahmen haben, dass wir dann noch die Ländermaßnahmen haben, dass der Jugendliche das durchläuft und anschließend wird nichts davon angerechnet, wenn er weitermacht, dazu brauchen wir auch wirklich strukturelle Reformen und das heißt auch gesetzgeberische Reformen, und das ist der Punkt, was die Regierung, auch die jetzige Regierung unheimlich scheut. Da will sie nicht rangehen, aus politischen Gründen. Ich will das nicht vertiefen, aber es geht nicht ohne das. Es gibt in anderen Ländern, in den Niederlanden z. B. hat es´96 eine umfassende Reform der beruflichen Aus- und Weiterbildung gegeben. In der Bundesrepublik haben wir einen Reformstau in dem Bereich. Unser Berufsbildungsgesetz ist 30 Jahre alt, jetzt 31 inzwischen, und es ist nicht absehbar, dass es wirklich mal eine umfassende Reform gibt. Wir haben urwüchsig die Entwicklung mit der Bundesanstalt, die vieles kompensiert hat, erfreulicherweise, was wir sonst nicht gelöst hätten. Ich will das gar nicht negativ sehen, aber es ist absolut strukturell, es liegt da soviel im Argen, dass man die Verbindung zwischen SGB III und Berufsbildungsgesetz auch mal prüfen müsste, was da eigentlich abgeglichen werden muss. Gut, ich könnte dazu noch mehr sagen, für die Weiterbildung gilt es ganz ähnlich. Also diese Scheu, diese modernistische Scheu heutzutage, irgendwas zu regeln, weil das immer gleich was mit Regulierung zu tun hat, das ist, denke ich, nicht der richtige Weg. Also es geht nicht ganz ohne strukturelle Reformen.


Danke schön für das sehr dezidierte Statement. Zuerst Frau Alt und dann Herr Dr. Schroeder, bitte.


Frau Alt:

Ich will hier nicht gegen die strukturellen Reformen reden, weil wir uns da tatsächlich einig sind. Ich möchte aber noch mal einen anderen Punkt anschneiden und das kommt mir hier ein bisschen zu kurz, nämlich, dass wir auch im bestehenden System noch mehr machen können, und zwar tatsächlich das nutzen, was wir haben, auch an modernen Medien. Wenn ich mir ansehe, es wird auch in dieser Landschaft "Benachteiligtenförderung" inzwischen ja durchaus mit modernen Medien gearbeitet, aber jede Einrichtung entwickelt noch für sich, das ist alles wenig effektiv. Ich glaube tatsächlich, dass wir an diesem Punkt noch viel mehr Transparenz darüber brauchen, in der Republik und darüber hinaus, deswegen freue ich mich ja auch, dass wir Kollegen aus anderen Ländern da haben, da auch in anderen Ländern bereits vernünftige Maßnahmen laufen, und ich will jetzt nicht sagen "best practice", aber eben gute Erfahrungen sollten wir sammeln und in dem Sinne möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, die ich hier habe, darauf hinzuweisen, dass wir als BIBB seit kurzem einen Auftrag des Ministeriums haben, ein sogenanntes "GOOD PRACTICE CENTER" für berufliche Benachteiligtenförderung aufzubauen und zu erproben, und ich bitte Sie ganz herzlich, uns dabei mit dem, was Sie entwickelt haben, auch zu unterstützen, in der Hoffnung, dass alle davon profitieren können.


Danke schön Frau Alt. Wir machen aber noch mal weiter an dem Punkt. Herr Dr. Schroeder, bitte.


Herr Dr. Schroeder:

Ich wollte noch mal zu den beiden Fragen und zum Thema Schule etwas sagen. Schulschelte und Schulkritik - wunderbar, und da muss sich auch etwas ändern, völlig klar. Ich denke aber jenseits aller Fragen: Welche Strukturreform wir denn brauchen, muss man sich, glaube ich, klar machen. Zum einen, das alte Bild, "die allgemeinbildende Schule bringt in 9 oder 10 Jahren Jugendliche zur Ausbildungsreife", dieses Bild und diese Erwartung ist nicht mehr realistisch. Da sind individuelle Probleme bei den Jugendlichen. Da sind teilweise, wenn man sich das bei Kindern und einwandernden Jugendlichen letztendlich netto dann Schulkarrieren von vier, fünf Jahren. Da gibt es viele verschiedene Gründe, aber ich denke, ein Teil der Schüler kriegt es in der Zeit und in den Schulformen, die wir haben, nicht mehr hin. Dass sich die Schule in der Zeit, die sie hat, teilweise mit Inhalten beschäftigen könnte, die weitaus relevanter und für den Fortgang wichtiger wären, da stimme ich Ihnen auch zu.

Um da auch eine Idee und einen Vorschlag gleich einzubringen: Wir machen Untersuchungen "Was wird aus Jugendlichen nach dem Schulabgang" und der Gag an der Untersuchung ist, dass wir das die Lehrerinnen und Lehrer selbst machen lassen, die diese Jugendlichen unterrichtet haben, die also alljährlich oder mehrfach im Jahr dann in einem Zeitraum von vier oder fünf Jahren gucken, was aus ihren ehemaligen Schülerinnen und Schülern geworden ist. Unsere These ist, dass dieser Ansatz den Lehrenden wiederum dazu verhelfen kann, einen präziseren und detaillierteren Einblick zu bekommen, was denn nach der Schule passiert, sei es im Ausbildungsbereich, im Erwerbsbereich, im Berufsbereich, aber auch bei Alltagsproblemen, die bei Jugendlichen anliegen. Wir arbeiten jetzt mit denselben Lehrerinnen und Lehrern weiter, indem wir nun - das sind also Förderschulen und Hauptschulen -, indem wir nun unter dem Stichwort "Schulprogrammentwicklung und Schulentwicklung" Fach für Fach, Jahrgang für Jahrgang durchgehen und sagen: Wenn wir noch mal ernst nehmen, was die direkt nach der Schule eigentlich können müssten, welchen Problemen sie dort standhalten müssten, was heißt es für unseren Mathematikunterricht in Klasse 8 und 9, was heißt es für Arbeitslehre, was heißt es für Betriebspraktikum? Ist es denn möglich, nur ausbildungsorientiert Berufsvorbereitung zu machen oder ist eben nicht auch der Jobbereich und informelle Sektor durchaus ein relevanter Erwerbsbereich, und was muss ich können, um da zu bestehen? Wir gucken jetzt eben auf der curricularen, aber auch auf der methodischen Ebene, was von diesen Inhalten dann in der Schule schon vorbereitend unterrichtet werden kann. Aber da gibt es vieles. Also im Spiegel dieser Karriereverläufe das Bildungsprogramm noch mal zu entwickeln. Auch da verspreche ich Ihnen nicht, dass wir Ihnen die ausbildungsreifen Jugendlichen nun im Klassensatz anliefern werden, weil da einfach noch sehr viele andere Probleme mit daran liegen. Gleichwohl ist es eine Erfahrung, wie solche schulinternen Reformen, die eben natürlich auch anliegen, sich ganz jugendnah umsetzen lassen.


Und die Lehrer machen da mit? Können Sie sich vorstellen, dass die auch in Regelschulen in der Form mitmachen würden?


Herr Dr. Schroeder:

Wir machen das auch mit einer Gruppe in der Gesamtschule. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Es hängt natürlich auch davon ab, wie das eingebettet ist. Also ich sage es gleich, wir haben eine große Zahl von Lehrerinnen und Lehrern, die das ehrenamtlich und sozusagen als freiwillige Fortbildung ihrer selbst machen. Wir haben aber auch Beispiele, dass sie eine Deputatsreduzierung kriegen, um zumindest für bestimmte Teilcurricula für die Schule da etwas weiter zu entwickeln. Das ist, je nachdem, was man an Mitteln findet, dann durchaus möglich. Das ist natürlich nicht so üblich. Also der größte Teil geht auf eigene Initiative und eigenes Engagement zurück. Gleichwohl ist für mich interessant, wie motivierend der Ansatz ist, denn er fließt eben auch wieder in die Alltagsunterrichtsarbeit zurück. Ich denke, dass ist der Punkt, das es auch für die Kollegien klar sein muss: Was bringt es mir für meine Arbeit, dass ich mich jetzt da engagiere.


Das heißt, die Grundvoraussetzung ist auch ein sehr autokritischer Lehrer, der seine Arbeit hinterfragt.


Dr. Schroeder:

Das tut auch weh, was sie da erleben.


Wortmeldung aus dem Plenum:

Ich würde gerne etwas dazu sagen. Gut, irgendwie ist die Schule natürlich immer an allem schuld, sagen wir nicht so? Aber irgendwo da müsste man schon ansetzen. Wenn Schulen so arbeiten könnten, wie zum Beispiel Volkshochschulen und Bildungsinstitutionen für Erwachsene, dann würden die dort auch viel besser arbeiten können. Keine einzige Bildungsinstitution arbeitet mit 28 Erwachsenen, die sozusagen hintereinander sitzen oder aber auch im Viereck. So arbeitet niemand in der Erwachsenenbildung und die Lehrer können ja noch so engagiert sein, wie sie wollen. Wenn man die Erfahrung, die man in der Erwachsenenbildung machen kann, in die Schulen übertragen könnte, wenn die Struktur in der Schule verbessert werden würde, dann würden eben auch die engagierten Lehrer sehr viel mehr Erfolg haben. Nur mit den engagierten Lehrern allein ist es nicht getan. In vielen allgemeinbildenden Schulen ist es tatsächlich heute so, dass ein Großteil der Zeit einfach wirklich nur für Konfliktbewältigung benutzt wird. Da passieren Sachen, die glaubt man nicht, wenn man hier am grünen Tisch sitzt. Die sind häufig überhaupt nicht mehr in der Lage, dort zu arbeiten, die Lehrer mit den Kindern, weil ständig irgendwelche schrecklichen Geschichten passieren. Das meine ich damit, der Schule die Schuld zu geben, die Schule dafür verantwortlich zu machen, finde ich zu kurz gegriffen. Man müsste die Schule so arbeiten lassen können, dass sie eben auch ihre guten Ideen, ihre guten Inhalte und ihre engagierten Lehrer auch richtig zum Zuge kommen lassen kann. Das halte ich für eine ganz entscheidende Geschichte und da gehört die Klassengröße dazu, auch die Überalterung der Lehrer. Ich frage mich, was sich die Behörden dabei gedacht haben, dass sie einfach keine neuen Lehrer einstellen, die Lehrer sind da alle über 50 Jahre und sollen sich mit den Zehnjährigen abrackern. Es gibt so viele strukturelle Mängel, ich denke, dass, wenn man die strukturell beheben würde, würde man auch eine ganze Menge mehr in den Schulen machen können. Ich sag das ein bisschen zur Entlastung der Schulen.


Herr Dr. Schulte, Sie wollen jetzt bestimmt gegen diese Altersdiskriminierung vorgehen.


Herr Dr. Schulte:

Sie schätzen mich völlig richtig ein, aber ich habe schon 20-jährige Greise gesehen und 60-jährige Jugendliche und ich rechne mich eher zu Lletzteren. Was die Dame sagt, berührt uns, glaube ich wirklich sehr, denn es war vorher die Rede vom "Reparaturbetrieb" der Ausbildungsvorbereitung und der beruflichen Benachteiligtenförderung. Da ist schon was dran. Wenn die Schule anders arbeiten würde, würden wir auch weniger Probleme an dieser ersten Integrationsschwelle haben, also von Schule in die Berufsausbildung. Gleichwohl, ich neige nicht dazu, jetzt die Schuld immer auf die Schule abzuladen. Schule arbeitet heute auch unter erhöhten Schwierigkeiten, das muss man eben auch mal sehen. Gewisse gesellschaftliche Prozesse kann ich da gar nicht unbeachtet lassen. Es gibt eben ein ganz massives, 100 Milliarden schweres Massenentertainment, was auf Kinder seit dem 2. Lebensjahr einströmt. Das ist nicht bildungsförderlich, das fördert nicht die Konzentrationsfähigkeit, es lenkt unendlich ab, und wenn Lehrer versuchen, also mit diesen gesellschaftlichen Phänomen des Entertainments Schritt zu halten, sind sie auf völlig verlorenem Posten. Man muss auch solche Dinge einmal ansprechen. Es wird auch sehr viel tabuisiert, was in den Gesellschaften los ist, und wenn wir immer mehr alleinerziehende Mütter haben, dann kann das tendenziell natürlich auch negativ wirken. Früher saß da wenigsten noch eine Großmutter irgendwo und sprach mit dem Enkelkind. Ich könnte noch mehr solcher Phänomene aufzählen, die alle nicht für die Bildung und Erziehung förderlich sind. Es hat keinen Sinn, dass wir uns hier dem Kulturpessimismus ergeben, wir sollten wirklich versuchen, angesichts großer Schwierigkeiten immer noch das Beste aus dem System zu machen. Ich warne ein bisschen davor, und deshalb zu Frau Herdt, die ich ja im Prinzip sehr schätze und deren Papier der GEW zur Benachteiligtenförderung ich sehr schätze, weil es auch ein mutiges Papier ist, wenn man es genau liest, aber ich muss auch sagen, mit einem Begriff wie "strukturellen Reform" kommt man auch nicht viel weiter. Wir verwenden das Wort strukturell immer dann, wenn wir nicht ganz genau auf einzelne Missstände zielen können. Es wird so ein etwas blasiger Begriff wie "strukturell" in die Welt gesetzt. Ich scheue mich immer, den zu verwenden, obwohl er auch an manchen Stellen sinnvoll ist.


Frau Dr. Herdt:

Ich möchte eigentlich weg von diesem Thema. Ich denke, es ist ausgelotet worden, und wir sind uns einig drüber, dass die Schule nicht allein schuldig ist, ich will das nicht wiederholen, es wurde alles gesagt. Ich wollte einfach noch kurz an die Adresse von Herrn Schulte sagen. Ich kann natürlich auch im Einzelnen etwas ausführen, was ich mir unter Strukturreform vorstelle. Was ich mir zum Beispiel unter einer Reform des Berufsbildungsgesetzes vorstelle. Das war für mich nur ein Oberbegriff und ich bin auch nicht der Meinung, dass die gesetzlichen Änderungen alleine greifen. Wogegen ich mich wende, ist dieses alleinige Setzen auf best practice und vor Ort Modelle durchführen. Das ist richtig, aber es reicht nicht. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht dazu sagen.

Ich mache jetzt einen kleinen Sprung zum Ansatz von Herrn Schroeder von vorhin. Das Verhältnis von - ich sage es einmal verkürzt, Herr Schroeder, vielleicht tue ich Ihnen ja jetzt auch Unrecht - allgemeiner Bildung und dem Zugang von der Berufsbildung und der Integration in den Arbeitsmarkt. Das ist ja in der ganzen Benachteiligtendiskussion in der Bundesrepublik ein ganz entscheidender Punkt: In der Tat - und das haben wir in der GEW auch so diskutiert -, haben wir die Menschen, z. B. einen Sonderschullehrer oder eine Hauptschullehrerin, denen geht es vor allem darum, wie ihre Schüler eine bessere Allgemeinbildung bekommen, wie sie irgendetwas noch erreichen können, wie sie sozial integriert werden. Und wir haben diejenigen, denen es vor allem darum geht, dass eine Berufsausbildung gemacht wird. Ich wehre mich ein bisschen gegen diese Gegensätzlichkeit, weil ich denke, man muss es miteinander verbinden. Wir brauchen dringend die Ansätze, die mehr ausgehen im Sinne von Persönlichkeitsbildung, von Hilfen bei der Lebensgestaltung, bei der Lebensbewältigung. Das ist Aufgabe von Schule, von Beratungsdiensten, von Jugendhilfe. Es gibt verschiedene Experten, die die Meinung vertreten, bestimmte Menschen brauchen eine sehr lange begleitende Unterstützung. Hiller hat z. B. gesagt, zehn Jahre nach Verlassen einer Schule muss gegebenenfalls solch ein Unterstützungsangebot da sein. Das ist der eine Zugang, die anderen kommen eben mehr mit der Berufsausbildung. Ich denke, man muss das miteinander verbinden. Wir brauchen beides. Wir brauchen den Versuch einer beruflichen Integration, wozu die Ausbildung ein absolut wichtiges Instrumentarium ist, aber ich persönlich würde sagen, es gibt auch Fälle von Benachteiligten, wo diese Ausbildung nicht das einzige Ziel sein kann, wenn es eben nicht erreicht wird, wo man über modulare Ansätze etwas machen muss, wo man eventuell über Nachqualifizierung was machen muss und wo in der Tat dieser sozialpädagogische Ansatz, dieser persönlichkeitsbildende und stabilisierende Ansatz sehr wichtig sein kann, zumindest für bestimmte Lebensphasen. Also die ganz einfachen Lösungen, entweder so oder so, finde ich verdächtig, die würde ich auch nicht vertreten, und das haben wir auch in unserem Papier ausdrücklich so formuliert, obwohl es in der Praxis leider auch oft gegeneinander ausgespielt wird. Das war mir wichtig, das noch einmal zu sagen. Wir haben natürlich das Problem gerade in der Berufsbildung, dass, wenn man solche Ansätze vertritt, dass man sich dann leicht der Gefahr aussetzt, dass zum Beispiel Arbeitgeber von vornherein sagen, was sie als "benachteiligt" definieren. Wer der nicht gut genug ist, der kriegt dann eben eine nur noch ein- oder zweijährige Ausbildung. Also dass die Chancen schon zu häppchenweise zugeteilt werden, und das macht uns ja auch die Debatte über Modularisierung so unheimlich schwer, weil immer diese Gefahr droht, dass die Betriebe sagen, wie weit sie ausbilden, aber es gibt und aber nicht das individuelle Recht des Einzelnen, dass man einen Förderplan macht, dass man sagt, der erste Schritt kann erreicht werden, aber der Betreffende kann das nächste Modul anschließend bei einem Bildungsträger oder wo auch immer erwerben und das wird auch finanziert und er hat einen Anspruch darauf. Das wäre so das Modell, das eigentlich sinnvoll wäre, aber die Gefahr, das es missbraucht wird, gerade von Arbeitgeberseite, die ist immer da, und das blockiert ein bisschen die Diskussion. Das finde ich sehr bedauerlich und das ist dem Problem auch nicht angemessen.


Mrs. Mearing:

Ja, diesen Kommentar bezüglich Flexibilität wollte ich voll unterstützen. Wenn wir uns mal Grundbildung ansehen, da gibt es bei uns 320 verschiedene Tests für Qualifikationen und Abschlüsse, die die Erwachsenen in diesem Bereich nutzen können. Das heißt, uns war es wichtig, wirklich einen Rahmen festzulegen, wo die Leute zu verschiedenen Zeitpunkten und unterschiedlichen Niveaustufen eintreten können und den Test dann machen können, und der ist dann auch kontextabhängig, ob das jetzt Berufsbildung angeht oder ob es darum geht, dass die Leute arbeiten, damit sie ihre Kinder ernähren können, oder ob das irgendwie innerhalb der Gemeinschaft eingebunden ist. Für uns war das sehr, sehr schwierig, das durchzusetzen, denn das bedeutete, dass einige Leute sich von ihrem Standpunkt verabschieden müssen, und damit kommen wir wieder zu diesem Aspekt Alphabetisierung und lebenslanges Lernen. Das ist nicht nur der Zeitpunkt zwischen Schule und Ausbildung. Entscheidend ist, Möglichkeiten zu entwickeln und entsprechende Angebote bereitzustellen, so dass die Menschen zu den verschiedensten Zeiten Lernmöglichkeiten nutzen können, um sich weiterzuentwickeln.


Wortmeldung aus dem Plenum:

Das passt gut, weil ich gerade auch auf das Thema "Lebenslanges Lernen" eingehen wollte. Ich wollte zunächst einen ganz anderen Buhmann als die Schule hier hinstellen, das sind die Arbeitgeber bzw. die Wirtschaft, die sozusagen das Definitionsrecht hat, wer ist ausbildungsfähig und wer nicht. Die Zahl der Marktbenachteiligten ist meiner Meinung nach viel höher als nach der Definition, die hier genannt wurde und viel höher als wir auf Grund der Maßnahmen vielleicht rückschließen könnten, denn wenn ein Jugendlicher oder junger Erwachsener drei, vier, fünf Jahre in "Warteschleifen" verbracht hat, dann ist er mehr als nur marktbenachteiligt, sondern fällt wirklich aus etwas heraus. Deswegen finde ich es auch ganz wichtig, dass man natürlich nicht zur beruflichen Bildung als Ziel auch von Erwachsenenbildung, von Jugendbildung über die Schule hinaus heute macht. Das ergibt sich einfach daraus, dass wir heute niemanden einen qualifizierten Arbeitsplatz versprechen können, wenn er beruflich weitergebildet wird; das hat die berufliche Bildung nie versucht zu machen, aber die Chancen waren vor zwanzig Jahren sehr groß. Das können wir heute nicht. Es ist doch auch ein Verdrängungsmechanismus im Gange, bei dem wirklich heute diejenigen nicht mehr als ausbildungsfähig gelten, die früher noch als ausbildungsfähig angesehen wurden.

Was ist denn zum Beispiel mangelnde Literacy, was bedeutet es, was hat es vor zehn Jahre bedeutet? Wenn jemand mit relativ schlechten Schriftkenntnissen in ein Ausbildungsverhältnis gekommen ist, der hat sehr wohl gewusst, warum er das aufbessert, während er seine Ausbildung macht, hat also lesen müssen, hat schreiben müssen und hat es bei der Gelegenheit sicherlich auch nochmal vertiefend gelernt, anders als er es in der Schule gelernt hat. Er hat eine zweite Chance bekommen. Ich weiß selbst nicht, welchen Lösungsansatz ich daraus ziehen kann. Ich denke, es hat sehr viel damit zu tun, dass wir uns nicht darauf beschränken dürfen, der Wirtschaft die Aufgabe abzunehmen, für ihre Zwecke auszubilden, sondern dass wir sehr viel stärker in der öffentlich geförderten Erwachsenenbildung, Jugendbildung, Benachteiligtenförderung der allgemeinbildende Faktor in den Vordergrund gestellt wird, schon aus dem Grund, weil wir niemanden daraufhin eine Arbeitsstelle versprechen können. Ob das nun modularisiert ist oder nicht, ob das anerkannt wird oder nicht, das bestimmt letzten Endes nicht das BIBB. Ob der Arbeitgeber das anerkennt und einen qualifizierteren Arbeitsplatz oder überhaupt einen Arbeitsplatz anbietet, wo dann vielleicht sogar ein zweites Modul begleitend erworben werden kann, dafür gibt es keine Garantie. Die Ausbildungsbereitschaft von Arbeitgebern ist denkbar gering, das kann ich hier nur nochmal konstatieren.


Ich würde gerne, zumindest als Versuch, Herrn Dr. Schroeder bitten, darauf noch mal einzugehen. Ich denke, wir haben einen Wandel. Wir haben jetzt sehr viel von Verfall geredet und von Arbeitsmarktveränderungen, die sehr negativ sind und so weiter, also wir haben Veränderungen und diese Veränderungen schlagen sich auch in Prognosen nieder. Es wird dann gesagt, in Zukunft wird es nur noch diese Arbeit geben und wir werden im Jahr 2030 die Hälfte der Bevölkerung ohne Arbeit haben. Dann gibt es andere Prognosen. Gibt es nicht eine Möglichkeit, auch zum Beispiel auf diese Erweiterung des Sektors einzugehen, der mit gering Qualifizierten arbeitet? Können Sie noch etwas mehr dazu sagen? Wir haben vorhin über den Sektor Reinigungskräfte/ Sicherheitsdienste und so weiter gesprochen. Ich will das jetzt nicht als Chance postulieren, aber ich denke, wir müssen registrieren, dass dieser Markt auch da sein wird. Wie gehen wir denn damit um?


Herr Dr. Schroeder:

Ich denke, man muss sich den Markt genau angucken. Es gibt jetzt auch bei uns Diskussionen um den informellen Sektor und die Frage, inwieweit er ein akzeptables, ein unterstützenswertes Erwerbsgebiet ist? Da denke ich, ist ein Problem. Es ist sehr oft eben der Sektor, in dem sehr schlecht bezahlte, sehr schlecht gesicherte Jobs zu finden sind, die aber im Moment vor allem für Jugendliche durchaus interessant sein können, weil sie schnell und viel Geld verdienen wollen in Relation zu dem, was sie sonst zur Verfügung hätten, und dass sie da durchaus versuchen unterzukommen.

Ein zweiter Bereich, über den man, glaube ich, noch mal sehr sorgfältig arbeiten muss, ist das, was so unter den Stichworten "Migrantenökonomie" und "ethnische Ökonomie" zu finden ist. Es haben sich über bestimmte Migrantengruppen, also oft nationalitätenspezifisch, ja ganz beachtliche ökonomische Strukturen in der Bundesrepublik gebildet. Berühmt sind etwa die türkischen ökonomischen Strukturen über Läden und Reisebüros. Da ist bislang ja oft noch das Problem, dass Ausbildungsplätze nicht zu finden sind, weil die Eigentümer dieser Läden oder die, die da ausbilden könnten, eben wiederum nicht die Qualifikation haben, die man hier braucht, damit man einen Jugendlichen ausbilden kann. Kompetenz und Lebenserfahrung, auch fachliche Qualitäten sind durchaus vorhanden, das entspricht aber nicht den Anforderungen von Innung und Kammer an Ausbilder. Wir erleben es jetzt wiederum im schulischen Bereich, dass es weiterhin ein eher ausgeblendeter Sektor ist, wo selten Betriebspraktika und Berufsorientierung gemacht werden, sondern es ist eher der uns bekannte traditionelle Handwerks- und Produktionsbereich. Gleichwohl denke ich, darf man den Sektor auch nicht überschätzen. Auch für Geringqualifizierte und Lernbeeinträchtigte ist es nicht so einfach, in dem Sektor zu bestehen, wo man vier, fünf Jobs gleichzeitig machen muss, um überhaupt am Monatsende zur selbständigen Lebensführung dann das entsprechende Einkommen zu haben. Es ist ein Sektor, von dem wir eigentlich wenig wissen und der, denke ich, sehr riskant werden kann, wenn man sich dort nicht gut auskennt und die entsprechenden Kompetenzen mitbringt.

Der informelle Sektor hat bei uns immer noch den Geschmack von Illegalität und Kleinkriminalität. Das ist der zweite Aspekt, weswegen die Beschäftigung mit diesem informellen Sektor so wichtig ist. Der muss entkriminalisiert werden, denn nicht alles, was da geschieht, ist illegal, sondern es ist für nicht wenige der letzte Sektor, in dem überhaupt noch Verdienstmöglichkeiten vorhanden sind. Also die Putzreinigungsjobs usw. Wir haben in Hamburg inzwischen Frauen gefunden, die mit zu Hause produzierten Backwaren handeln oder indem sie Gemüseproduktion in ihren Schrebergärten beginnen, und das kollidiert dann wieder mit deutschen Verordnungen. Da sind auch wieder sehr viele strukturelle Barrieren vorhanden, gleichwohl ist das für die Menschen, die da arbeiten und das nützen, oft die letzte Chance, um überhaupt noch etwas dazu verdienen zu können. Aber das ist illegal, weil irgendwelche Verordnungen sagen, das sollst du aber nicht und das darfst du nicht, gleichwohl ist der Anlass, die Motivation und die Notwendigkeit für diese Menschen dennoch gegeben.


Wortmeldung aus dem Plenum:

Ich bin Barry Keightley und arbeite für USDAW. Wir arbeiten sehr stark im Bereich des lebenslangen Lernens und ich möchte mal auf das zurückkommen und das unterstützen, was Andrea Mearing sagte. Lebenslanges Lernen, das ist für mich wirklich ein Konzept, das natürlich schon vor der Schule anfängt und das auch Menschen berücksichtigt, kurz bevor sie in die Kiste gelegt und weggetragen werden. Ich möchte noch auf einen Kommentar zurückkommen, der zuvor gemacht wurde. Alleinerziehende Mütter wären weniger ein Problem, wenn es nicht so viele sich davonmachende Väter gäbe.

Noch ein anderer Punkt. Egal wie gut das Ausbildungssystem ist und egal wie viele hervorragende Lehrer und Ausbilder vorhanden sind, sie müssen immer Reparaturen vornehmen, weil die Menschen in verschiedenen Stadien ihres Lebens in verschiedenen Bereichen leben. Und jemand, der vielleicht in der Schule der totale Versager war, dann mit 40 an die Universität zurück, das ist immer noch eine gute Möglichkeit. Und dann noch ein Punkt, das Stigma. Wie können wir die Leute wieder gewinnen für das lebenslange Lernen. Hier müssen wir vorsichtig sein, das haben schon ein paar Redner gesagt, was die Stigmatisierung betrifft. Die beste Möglichkeit, wie wir die Menschen abhalten oder gar abschrecken, meiner Meinung nach, ist, indem wir Sonderprogramme auflegen. Denn Sonderprogramme bedeuten sofort ein Stigma. Sowohl für die Beteiligten, die Teilnehmenden, als auch für diejenigen, die diese Programme durchführen. Das Schöne am lebenslangen Lernen ist, das der Zugang offen ist, dass die Arbeitgeber keine Kontrolle haben, wer daran teilnehmen kann, und das Wichtigste dabei sind die Teilnehmenden, die beschließen, dass sie am lebenslangen Lernen teilhaben wollen. Sie beschließen selbst, was sie tun wollen und wann sie es tun wollen, und das machen sie mit der Unterstützung der Gewerkschaft, der Colleges und ihrer Arbeitgeber. Und das denke ich, muss eine Philosophie sein, der wir uns langfristig anschließen. Alles andere ist zum Scheitern verurteilt, und von Dr. Schroeder und dem Kollegen, der zuvor gesprochen hat, würde ich gerne mehr erfahren darüber, was die Beteiligten, die Teilnehmer denn denken zu all den Bemühungen, die unternommen werden, um ihnen zu helfen, sich sowohl akademisch als auch persönlich weiter zu entwickeln.


Von den Schlüsselwörtern ist noch einmal das Beharren auf dem lebenslangen Lernen, von der Wiege bis zum Sarg sozusagen, zu nennen und dass wir immer Reparaturen haben werden, dass wir immer irgendwo reparieren müssen. Wir werden nie so perfekt sein, dass wir so etwas nicht benötigen. Dann ein Plädoyer gegen Spezialprogramme. Da müssen wir vielleicht dann doch noch mal was dazu sagen, warum wir Deutsche so gerne Spezialprogramme mögen. Vielleicht kann jemand etwas sagen zu diesen Spezialprogrammen?


Herr Dr. Schulte:

Ich will ein Beispiel geben, warum die Gefahr der Stigmatisierung tatsächlich nicht so groß ist, wie man glaubt. Als wir die Benachteiligtenprogramme einführten, haben wir zwei Sorten von Förderung vorgesehen. Das eine waren außerbetriebliche Vollausbildungen und das andere waren ausbildungsbegleitende Hilfen. Es ist heute keineswegs eine Stigmatisierung. Selbst die außerbetriebliche Ausbildung wird heute anerkannt, auch wegen ihrer Qualität, nicht überall, aber sehr oft. Inzwischen beginnt sich auch die Einsicht durchzusetzen, dass auch außerhalb von Betrieben sehr gute Ausbildung geleistet wird, manchmal bessere als in Kleinbetrieben.


Wortmeldung aus dem Plenum:

Der Kollege aus Großbritannien hat gefragt, was wohl die Betroffenen, was wohl die Lernwilligen zu unseren Ausführungen sagen werden, und ich möchte gerne antworten mit zwei Beispielen, die aus meiner praktischen Arbeit aus der Alphabetisierung stammen.

Das Beispiel handelt von einem Mann Anfang 50 mittlerweile, der uns eigentlich exemplarisch vormacht, wie er lebenslanges Lernen in >Bezug auf Alphabetisierung praktiziert. Seit mittlerweile 10 Jahren kommt er immer dann, wenn er es für nötig hält, zur Alphabetisierung in den Kurs und lernt dort. Er hat das selbst im Griff. Natürlich entscheidet er das nicht allein, sondern er muss auch beispielsweise auf die Anforderungen der Arbeitswelt reagieren, denen er sich ausgesetzt sieht. Vor 10 Jahren ist er deshalb gekommen, weil mit einem Mal mündliche Arbeitsanweisungen nicht mehr erfolgt sind, durch seinen Meister zum Beispiel, sondern er wurde mit beschriebenem Papier konfrontiert. Das ist für ihn der Anlass gewesen, solche Bildungsmaßnahmen wahrzunehmen. Er hat tatsächlich dann auch gut lesen gelernt, mit dem Schreiben ist das, wie alle wissen, die in der Praxis stehen, immer noch mal eine andere Sache. Er ist dort gut zurecht gekommen. Er ist immer wieder gekommen, weil sich auch an seinem Arbeitsplatz Änderungen abgezeichnet haben, und die letzte Änderung, weshalb er jetzt wieder aufgetaucht ist, ist die, dass die Firma wieder umstrukturiert wird. Es gibt jetzt kein Papier mehr, sondern er muss auf Displays achten, er muss selbst Eingaben vornehmen und er ist verantwortlich nicht nur für einen bestimmten Arbeitsbereich, sondern er muss, wie er es ausdrückt, auch zehn Leute am Arbeiten halten und ist deshalb auch noch mal anders eingebunden. Wir würden sicherlich sagen, da hat die Alphabetisierungsarbeit doch genau das geleistet, was wir eigentlich erwarten, und das ist doch toll, dass es so geklappt hat. Und das ist es ja auch. Ich möchte aber nur anmerken, dass dieser Erwachsene gar keine andere Chance gehabt hätte, sich diesen Anforderungen immer wieder neu anzupassen in seinen Grundqualifikationen in Form von der Beteiligung an irgendwelchen Maßnahmen, weil er berufstätig war. Er hätte nie an seinem Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit so etwas machen können, und es hätte auch keinen Bildungsurlaub oder Ähnliches gegeben, woran er hätte so diskret teilnehmen können.

Beispiel 2: Ein Kollege aus einem Anfängerkurs, der auch lesen lernt und erst einmal lesen, weil er auch mit geringeren Kenntnissen angefangen hat, braucht zwei Jahre, bis er in der Lage ist, leichte Texte zu lesen, und verlässt dann den Kurs. Ich denke, Alphabetisierung war dort auch erfolgreich, obwohl wir überhaupt nicht sagen können, dieser Mann hat so viel Lesekenntnisse erworben, dass er sie auch, in welchem beruflichen Bereich immer, einsetzen könnte. Das macht, glaube ich deutlich, dass wir auch solche Lernprozesse nicht nur gutheißen müssen, sondern auch als erfolgreich herausstreichen sollen und auch mehr unterstützen sollen als bisher. Es geht nicht nur immer um die Verwertung Richtung Arbeitsplatz und so weiter, wir müssen auch überlegen, was machen wir mit den jungen Erwachsenen, die vielleicht mit noch besser geeigneten Maßnahmen qualifiziert werden können, aber eventuell dennoch nicht in Arbeit kommen. Wir müssen deutlich machen, es geht darum, dass sie gut vorbereitet werden auf das, was sie antreffen in der wirklichen Welt. Aber wir müssen ganz deutlich darauf bestehen innerhalb der Erwachsenenbildung, dass es auch ein Recht auf Bildung für jeden Menschen gibt, unabhängig davon, welche Verwertungsmöglichkeiten es gibt, und unabhängig davon, ob dann tatsächlich auch die Abnahmesysteme, sprich Firmen und so weiter, bereit sind, das entsprechend zu honorieren.


Danke schön für dieses sehr dezidierte Plädoyer. HerrDr. Schroeder, Sie waren direkt noch mal angesprochen von dem Herrn aus Großbritannien, was die Teilnehmenden betrifft, Abbrüche und Motivation und diese Dinge.


Herr Dr. Schroeder:

Die Sicht der Teilnehmenden - da möchte ich noch mal auf meine drei Gruppen zurückkommen, die ich zu Anfang genannt habe -, die ist natürlich sehr unterschiedlich.

Wenn wir Flüchtlingsjugendliche als ein Extrem nehmen, die teilweise einen Haupt- oder Realschulabschluss haben mit Durchschnittsnote 2,5 und dann fragen: "Was kommt jetzt?", und ich kann da überhaupt nichts bieten, weil alle anderen Anschlüsse nicht möglich sind, so stellen zu Recht Fragen an das System, an die deutsche Gesellschaft: "Wie kommt das, dass ich hier überhaupt keine Chancen kriege, obwohl ich genau das bringe, was doch alle von mir verlangen, nämlich Deutsch zu lernen, fleißig in die Schule zu gehen, einen guten Abschluss zu machen, und trotzdem geht es nicht weiter?" Also da ist das Problem extrem.

Bei den Marktbenachteiligten denke ich, ist es unterschiedlich und lässt sich nicht auf eine Sichtweise bringen.

Wiederum sehr schwierig ist die dritte Gruppe, die extreme persönliche Probleme mit sich herum trägt. Um ein Beispiel zu nehmen: Wir arbeiten mit Jugendlichen, die am Hamburger Hauptbahnhof stehen. Die sagen erstaunlicherweise auf die Frage "Was könntest du dir denn vorstellen? Was wäre der nächste Schritt oder wie könnte es weiter gehen?" sehr häufig:"Ich würde gerne einen Schulabschluss machen". In der Tiefenanalyse ist es aber bedeutend komplizierter. Also was hier unter Schulabschluss läuft, ist nicht das, was wir uns dann als Schulabschluss vorstellen oder was dann als Bildungsangebot zunächst kommen müsste. Hier ist sehr viel Zeit erforderlich, um überhaupt einmal herauszufinden aus dem, was sie sagen, was denn hier an Bedürfnissen und an Vorstellungen und auch an Hilferufen letztendlich gemeint ist. Dass sie die Stigmatisierungserfahrung sehr deutlich thematisieren, das kann ich sagen. Die ist aber auch objektiv gegeben. Schon in Schulformen gewesen zu sein, die als Sonderschulen oder Förderschulen stigmatisiert waren, dann mit Abbrüchen konfrontiert zu sein, das sind natürlich alles Erfahrungen, die sie sammeln und mit sich herumschleppen und die auch auf ihr Selbstbild extrem wirken.

Wenn ich es richtig verstanden habe, haben Sie mich ja auch gefragt, ob ich denn selbst an solch einer Maßnahme teilnehmen würde. Die Frage kann ich schwer beantworten. Ich erlebe die Angebote als durchaus sehr zugewandt, sehr orientiert an den Bedürfnissen, an den Bedarfslagen der Jugendlichen selbst. Ob es möglich ist, hier immer die jeweiligen individuellen Vorstellungen herauszufinden, weiß ich nicht. In Schulen schaffen wir das sicher in dem Maße nicht, wie wir es eigentlich müssten. Mag sein, dass es dann in Angeboten, wo mit kleineren Gruppen gearbeitet wird, einfacher ist. Dass ich mir persönlich natürlich nicht wünschen würde, durch Benachteiligtenprogramme laufen zu müssen, um voran zu kommen, das kann ich Ihnen versichern. Aber was bieten wir sonst?. Der Regelweg ist nun mal nicht mehr möglich für diese jungen Menschen und wir können ihnen allenfalls Angebote machen, die sie teilweise weiterhin stigmatisieren werden. Ich sehe da keinen Ausweg. Ich sehe keine Angebote, die das wieder ausgleichen oder auffangen können, was sich biographisch über Jahre und Jahrzehnte ansammelt und aufhäuft.


Frau Alt:

Bei den Jugendlichen gab es im letzten Jahr eine Untersuchung aus unserem Haus und von EMNID, bei der es darum ging, warum Jugendliche nach ihrer eigenen Ansicht ohne Ausbildungsabschluss geblieben sind. Immerhin waren es am Ende 40% dieser Jugendlichen, die sagten, sie wollen keine Ausbildung machen. Das hört sich erst mal erschreckend an, bei näherer Betrachtung verbirgt sich dahinter aber einiges, wo man mit Maßnahmen auch ansetzen kann und muss, meine ich. Es war da eine Gruppe, die traut sich keine Ausbildung zu, z. B. weil der Schulabschluss fehlt, weil schulische Defizite sehr wohl selbst erkannt werden oder eben auch weil Sprachprobleme vorliegen. Für eine andere Gruppe, das ist im familiären Umfeld und im Umfeld der Herkunftsgruppe begründet, hat Ausbildung nicht so einen großen Stellenwert. Dieses betrifft beispielsweise vor allem türkische Mädchen. Eine ganz wichtige Gruppe aber, und ich denke, da muss man also tatsächlich auch nachhaken, erklärte, sie wollen und sie müssen möglichst schnell Geld verdienen, was durchaus auch durch familiären Druck mitbedingt war. Wir sollten nicht so tun, als wenn diese Jugendlichen immer nur aus eigenem Antrieb nicht weiter wollen, sondern es gibt tatsächlich Hindernisse, die auch in den sozialen Verhältnissen liegen, sowie natürlich auch negative Erfahrungen und Frust. Ein weiterer Punkt, wo wir auch ansetzen könnten, ist, dass sie sagen, die Angebote, die gemacht werden, gehen in Berufe rein, die ja sowieso veraltet sind, die will keiner mehr lernen und da sollen sie nun hin. Das heißt nun für uns natürlich, wenn wir auf die Maßnahmeebene gehen, dann ist es ganz dringlich, ein breiteres Berufsspektrum und dabei auch die moderneren Berufe für diese Zielgruppe zu erschließen. Das gleiche Problem der Motivation zum Weiterzulernen, das hat ja dann eine ganze Menge zu tun mit der Möglichkeit, lebenslanges Lernen tatsächlich zu realisieren. Da liegt aber auch wieder ein Problem darin, dass hier nach den Ergebnissen aus dem Berichtssystem Weiterbildung beispielsweise auch Menschen, die in un- und angelernten Positionen sind, sehr wohl für sich selbst einen Anspruch auf Weiterbildung erheben, und zwar auf berufliche Weiterbildung wie auch auf allgemeine Weiterbildung, dass sie aber sehen, dass da für ihre Bedürfnisse kaum Angebote da sind, dass sie auch von ihren Arbeitgebern eben nicht zu Weiterbildung delegiert werden. Es ist im Gegensatz zu Großbritannien mindestens in Deutschland so, dass berufliche Weiterbildung sehr häufig veranlasst wird, direkt oder indirekt durch den Arbeitgeber, dass diese Gruppe da eben außen vor ist. Das heißt auch, es existiert sehr wohl eine Motivation, was zu machen, aber es existiert weder der ökonomische Rahmen dazu noch der Angebotsrahmen. Wenn wir hier über Zugangschancen, über tatsächliche Teilhabe an Weiterbildung reden, sollten wir nicht so tun, als müssten wir nur motivieren, sondern wir müssen auch auf der anderen Seite ein adäquates Angebot schaffen.


Frau Dr. Herdt:

Ich wollte noch mal kurz auf einen Aspekt eingehen zum informellen Sektor, und zwar anknüpfend an das, was Herr Schroeder sagte. Ich denke, dass Umgehen mit der Tätigkeit im informellen Sektor oder wie immer man das nennt, die Kreativität, sich sozusagen auch selber Jobs zu suchen, Benachteiligte, setzt natürlich auch bestimmte Qualifikationen oder Kompetenzen voraus, die Benachteiligte oft nicht haben, und da setzen ja auch manche wieder an, dass sie sagen, man muss gerade junge Menschen, die als benachteiligt gelten, fördern, dass sie damit umgehen können, und ich würde auch den Begriff "employability", den wir im Deutschen benutzen, nicht unbedingt so eng auf Vermittlungsfähigkeit oder Beschäftigungsfähigkeit im ersten Arbeitsmarkt eingrenzen, sondern ich würde schon diese Kompetenzen mit einbeziehen, die da heißen, mit diesen Brüchen in der Biographie "kreativ,- das mag zynisch klingen - umzugehen in unterschiedlichen Beschäftigungsformen, dass das eigentlich dazugehört. Aber das ist natürlich eine gefährliche Sache, weil man dann, wenn man diesen Weg einschlägt, sozusagen den Weg Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt schon halb aufgibt. In dem Spannungsverhältnis befinden wir uns ja ständig und da muss man aufpassen.


Gut, dann nehme ich das Stichwort Spannungsverhältnis auf. Ich danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit und den Teilnehmenden am Podium für die engagierte Diskussion.