Kennzeichnend für das Antigonish Movement war es, genossenschaftliche Bestrebungen, Lernformen der Erwachsenenbildung und ländliche Gemeinwesenarbeit zusammen zu führen. Erstmals entwickelt wurde dieses Konzept für die kleinen Fischergemeinden in Antigonish Nova Scotia, Kanada, die besonders unter der wirtschaftlichen Krise Ende der 1920er Jahre zu leiden hatten. Schnell erweiterte sich der Teilnehmerkreis auf Farmer sowie auf arbeitslose Stahl- und Bergbauarbeiter. Institutioneller Träger der Bewegung war das Institut für Universitätsausdehnung an der St. Francis Xavier University in Toronto mit ihrem Direktor Michael Moses Coady. Ihr Ziel war es, das Scheitern der Geschäfte zu verhindern und für jede Gemeinde ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu entwickeln. Unterrichtet wurden genossenschaftliches Wirtschaften, Buchführung, Mathematik, Ökonomie, öffentliches Sprechen und bürgerschaftliches Engagement.

Als Unterrichtsform entwickelten sich die sog. Study clubs. Diese Clubs trafen sich typischerweise zu Hause bei einem der Teilnehmenden. Ziel des Unterrichts war es, die Faktoren zu verstehen, die die Armut der Teilnehmenden begründeten und Lösungen zu identifizieren, Pläne zu entwickeln und aktiv zu werden. Das Institut für Universitätsausdehnung versorgte die Clubs mit Lehrmaterialien zu landwirtschaftlichen Anbaumethoden, Geschäftsorganisation und Prinzipien einer Genossenschaft. Charakteristisch für die study clubs war, dass alle Teilnehmenden daran beteiligt waren, den Gruppenprozess gemeinsam zu steuern und dabei auch die Tragfähigkeit der Gruppe einzuschätzen und die Fertigkeiten zu entwickeln, die ein erfolgversprechendes Gemeinschaftsprojekt braucht. Die Führungspersonen und Ideen, die in diesem Prozess entstanden, führten oft zum nächsten Schritt der Organisation von Kooperativen und anderer Initiativen, um lokale Probleme zu lösen.

Das Institut der Universitätsausdehnung übernahm auch die Aufgabe, die einzelnen study clubs miteinander zu vernetzen. Das erleichterte den Informationsaustauch und bedingte eigene produktive Dynamiken.

Ihre größten Erfolge, insbesondere in den Küstengebieten Kanadas, hatte diese Bewegung zwischen 1929 und 1939. Zum Beispiel gab es 1936 alleine in New Brunswick mehr als 200 Study Clubs. M. Welton gibt für 1939 2265 study clubs mit 19.000 Teilnehmenden an (Welton 2013, 123). Aus einer lokalen Bewegung war erst eine regionale und dann eine nationale geworden.

Die St. Francis Xavier University begründete kurz nach M.M. Coadys Tod das “Coady International Institute”. Das Institut hat die Entstehung von Kreditgenossenschaften weltweit, insbesondere in Afrika, unterstützt. Mehr als 6000 Praktiker in der Gemeinde Entwicklung aus mehr als 130 Staaten haben bislang dort partizipative Methoden der Gemeinde-Entwicklung studiert. 

Literatur:

Coady, Moses M. (1939): Masters of Their Own Destiny: The Story of the Antigonish Movement of Adult Education through Economic Cooperation. New York

Delaney, Ida (1985): By Their Own Hand. A Fieldworker’s Account of the Antigonish Movement. Montreal

Santo, Dodaro/Pluta, Leonard (2012): The Big Picture. The Antigonish Movement of Eastern Nova Scotia. Montreal

Welton, Michal (Hg.) (1987): Knowledge for the people. The struggle for adult learning in English-speaking Canada 1828-1973. Toronto

Welton, Michael (2001): Little Mosie from the Margaree. A biography of Michael Moses Coady. Toronto

Welton, Michael (2013): Unearthing Canada’s Hidden Past. A Short History of Adult Education. Toronto

Internetquellen:

Kurze Geschichte des Antigonish Movements, unter: http://en.wikipedia.org/wiki/Antigonish_Movement

Kurzbiografie Michael Moses Coady, unter: http://en.wikipedia.org/wiki/Moses_Coady

Homepage des Coady International Institutes, unter: http://coady.stfx.ca/

 

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Klaus Heuer