Einführung:

Der Aufruf ist ein Dokument der Loyalität mit dem undemokratischen Kaiserreich als notwendigen paternalistischen und fürsorglichen Rahmen, dem sich die GfV verpflichtet fühlt. Die ideologische Begründung dafür wird zum einen in der notwendigen Ergänzung der prekären Volksschulbildung durch Volksbildung gesucht, die erst die Bedingungen dafür schaffen soll, um freie und selbst denkende Menschen zu erziehen (siehe Zitat 1) und zum anderen um, in Abgrenzung zu antinationalen und sozialdemokratischen Bestrebungen, Organisationsinteressen und Aufgaben zu formulieren (Zitat 2). Die zitierten Stellen sind auch Ausdruck von Ängsten gegenüber einer Massendemokratie und ihrer liberalen Steuerbarkeit. In dem Text wird auch zum ersten Mal der Begriff des „Wanderlehrers“ eingeführt.

Quelle:

„Die Schulzeit ist dem gewöhnlichen Menschen zu kurz und häufig genug noch vielfach unterbrochen, um ihm mehr als die Grundlage und die elementaren Mittel der Bildung zu bieten. Wenn darauf nicht weiter gebaut wird, verkommen diese bald und werden von Unkraut überwuchert. Es kommt nicht alleine darauf an, ob das Volk lesen oder schreiben kann, sondern vielmehr, ob es überhaupt liest, und was es liest. Dafür der Prozentsatz derjenigen, die in ihrer Jugend lesen und schreiben gelernt haben, keinen ausreichenden Maßstab für die Volksbildung.

Der Elementarunterricht als Unterlage der Bildung muß deren Endzwecke, der Erziehung freier, denkender Menschen entsprechen, und das freisinnige Deutschland ist darüber einig, daß eine Reorganisation der Schule in diese Richtung nöthig ist, allein das Weiterbauen auf dieser Grundlage muß der freien Volksbildungs-Pflege überlassen werden, und zwar umso mehr, weil für gewisse Lehren die Schule nicht die richtige Pflanzstätte ist. Namentlich sind es die sozialen und politischen Verhältnisse, für welche der Natur der Sache nach nur der Gereiftere Sinn und Verständnis haben kann.“ (S.51-52)

Und:

 „An alle Freunde deutscher Bildung und Gesittung, ja, an alle diejenigen, welche die Gemeinsamkeit der geistigen Interessen anerkennen und einseitig materiellen und sozialistischen Richtungen, die gemeinsamen Kulturschätze und die solidarische Kulturarbeit unseres Volkes entgegenstellen wollen, besonders aber…sich mit uns zu vereinigen zur Gründung einer „Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung“, welche sich folgende Ziele stellt:[...]“ (S.53)

4) Gewinnung befähigter Wanderlehrer zur Abhaltung volksthümlicher Vorträge über wichtige Angelegenheiten des öffentlichen Lebens und Gegenstände von allgemeinem Interesse.“ (S.52-53)

 

Aus: Dräger, Horst (1984): Volksbildung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Bad Heilbrunn, S.51-55, zuerst „Aufforderung zur Gründung einer Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung“, in: Der Arbeiterfreund 9(1871), S.80-84

Kurzlink zu dieser Seite:
die-bonn.de/li/531

Klaus Heuer