Für Augustinus von Hippo (354-430) ist das Lernen, das Finden einer inneren Wahrheit, die in jedem Menschen angelegt ist, und zu Gott führt. Lernen wird somit als innerer Weg zu Gott verstanden.

„Über alle erkennbaren Dinge aber fragen wir nicht einen Menschen, der spricht, sondern die in unserem Inneren sich befindende Wahrheit, die über den Geist selbst waltet, wobei uns Wörter vielleicht anregen, dieselbe zu befragen […]. Lernen wird als ein innerer Weg zum Glauben konzipiert.“ (Künzli 2004, 622)

Die zentrale anthropologische Aussage Augustinus, die auch als seine “wichtigste pädagogische Maxime (für den Lernenden und für den Schüler)“ (Böhme 2011, 10) gelesen werden kann, lautet: „Gehe nicht nach draußen, kehre in dich selbst zurück! Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit. Und wenn du deine Natur in ihrer (unzuverlässigen) Wandelbarkeit durchschaut hast, dann überschreite auch dich selber. Aber bedenke, wenn du dich überschreitest, dass du die vernunfttätige Seele übersteigst. Dorthin also strebe, von woher das Licht der Vernunft selbst angezündet wird. Wohin nämlich gelangt jeder gute Denker, wenn nicht zur Wahrheit?“ (Augustinus 1974, 45)

Augustinus fasst in seinem Buch „De magistro“ (deutsch: “ Über den Lehrer“), zwischen 388 und 391 geschrieben, sein Lernkonzept wie folgt zusammen: „Über die Dinge in ihrer Gesamtheit aber, die wir verstehen wollen, befragen wir nicht eine von außen her zu uns dringende, sondern die von innen her unseren Geist regierende Wahrheit, und Worte können uns höchsten zu dieser Befragung anleiten. Jener aber, der da befragt wird, lehrt, und das ist der, von dem es heißt, dass er im inneren Menschen wohnt, ist Christus, das ist die unwandelbare Kraft Gottes und die ewige Weisheit.“ (Augustinus 1974, 48)

Der als Dialog angelegte Text „De magistro“ unterscheidet und differenziert das menschliche Lernen, indem dargestellt wird, dass Worte nur Zeichen sind, wir also durch Worte wieder nur Worte bzw. Zeichen lernen. Das bedeutet, wenn wir das Bezeichnete bereits kennen, bedürfen wir der Worte des Lehrers nicht; wenn wir das Bezeichnete aber nicht kennen, bleiben uns des Lehrers Worte nur leere Worte, und wir lernen vom Lehrer nichts bzw. eben nichts als leere Worte. Die das Lernen anregende Wirksamkeit des Lehrens gründet demnach weniger in den Worten als in der Beziehung zwischen Lehrer und Schüler.

Damit ist „De magistro“ die erste ausdrücklich dem Lehren und Lehrersein gewidmeten Monographie der abendländischen Geistesgeschichte.

Literatur:

Augustinus (1974): Der Lehrer - De Magistro. (lat./deutsch. Übers. u. hrsg. von Carl Johann Perl). Paderborn.

Rudolf Künzli (2004): Lernen, in: Benner/Oelkers (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Pädagogik. Weinheim, S.620-637

Internetquellen:

Einführung in „De magistro“ unter: http://de.wikipedia.org/wiki/De_magistro  (22.11.2014)

Böhm, Winfrid (2011): Augustinus über die Anmaßung, sich Lehrer eines anderen nennen zu wollen; unter: http://www.augustinus.de/bwo/dcms/sites/bistum/extern/zfa/lexikon/praesentation/praesentation_bd3_wboehm.html (16.11.2014)

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Klaus Heuer