Die Höhere Bauernschule wird in der zeitgenössischen Bezeichnung „Pflanzschule für tüchtige Communevorsteher und Ständedeputierte“ (1841) genannt. Ihr geistiger Begründer war Carl Friedrich Hermann Klenze (1795-1878). Er hatte Rechtswissenschaft studiert, war Klostersyndikus in Uetersen und später Justizrat. 1841 wurde er in die Holsteinische Ständeversammlung gewählt.

Die von Klenze konzipierte Erwachsenenbildungseinrichtung, die nur zwischen 1841 und 1849 bestand, war die erste Heimvolkshochschule in Deutschland. Ideeller Vorläufer war Philipp Ernst Lüders Entwurf „Grundriß einer zu errichtenden Acker-Schule, welcher die Landes-Jugend zu einer richtigen Erkenntnis und Hebung im Landbau eingeführt und verbreitet werden könnte (Flensburg 1769)“. Darin entwickelte er sein Modell der „Acker-Akademie“ und „ökonomischen Lehrschule“, die notwendige Modernisierungsprozesse in der Landwirtschaft flankieren sollten.

Der pädagogische Ansatz der „Pflanzschule“ kann als ein früher Versuch der Integration politisch-allgemeiner und beruflicher Fortbildung gelten. Sie wollte zum einen das ständische Bewusstsein der Bauern heben – eben auch in seiner politischen Repräsentanz – und zum anderen den jüngeren Bauern helfen, die sich verändernden naturwissenschaftlich-technischen Anforderungen besser zu bewältigen.

Der erste Direktor der Pflanzschule Jacob Julius Heinrich Lütgens formulierte das Ziel der Einrichtung folgendermaßen: „...dem wohlhabenderen Theile, vorzugsweise der ländlichen Bevölkerung, eine Gelegenheit darzubieten, seinen Söhnen eine den Zeitverhältnissen überhaupt, so wie den Fortschritten der Landwirthschaft insbesondere entsprechende weitergehende Ausbildung zu vermitteln, als die gewöhnlichen Landschulen dazu im Stande sind."

Die Ausbildung an der Rendsburger Schule erstreckte sich über einen Zeitraum von zwei Jahren mit vier aufeinander aufbauenden Semestern, von denen jedes mit einer Abschlussprüfung endete; pro Semester wurden jeweils 32 Wochenstunden Unterricht erteilt. Im letzten Jahr ihres Bestehens wurde der Lehrbetrieb auf sechs Monate verkürzt und nach dem Vorbild der dänischen Heimvolkshochschulen in das Wintersemester verlegt, da die Landwirte im Sommer ihre Höfe bewirtschaften mussten. Der Unterricht umfasste die folgenden Fächer: Religion, Geschichte (Weltgeschichte, deutsche, schleswig-holsteinische und dänische), Statistik des Vaterlandes, Deutsche Sprache (schriftliche, mündliche Übungen), Geschäftsaufsätze, Lehre vom menschlichen Körper (Anthropologie), Tierkunde, Pflanzenkunde, Physik, Chemie, Arithmetik, Buchführung, Geometrie, Nationalökonomie (Volkswirtschaft), Schreiben und Singen. (Lütgens zitiert nach Pingel 1999, 29)

Das Themengebiet Landwirtschaftskunde umfasste:

  • Kenntnissen der organischen Natur der landwirtschaftlichen Pflanzen und Tiere
  • Mathematik für landwirtschaftliche Zwecke
  • Landwirtschaftskunde als Boden- und Klimakunde
  • Kunde der landwirtschaftlichen Werkzeuge
  • Pflanzenanbau
  • Tierzucht, Tierheilkunde
  • Ackerbau
  • Betriebslehre
  • Kenntnis der wichtigsten technischen Betriebe
  • Feldmessen, Lese-, Schreib- und Aufsatzübungen

In ihren Zielsetzungen und Themengebieten war die Bauernschule ein Kontrastprogramm zu dem vorhandenen, stärker auf das städtische Bürgertum bezogene Bildungssystem. Lütgens beschreibt diese ein klares Profil verhindernde Zwischenstellung sehr genau:

„daß man die Höhere Volksschule Rendsburg...weder eine Realschule noch ein landwirtschaftliches Institut nennen [dürfe; d. Verf.], und dennoch wünscht man, daß sie die Leistungen beider in sich vereinigen möge...Ohne eine wirkliche Realschule zu sein, hat diese Anstalt dennoch manches mit jener gemein und sollte es nach dem Willen der Stifter haben, welche allgemeine Ausbildung für das erste und nächste Ziel hielten, das erstrebt werden müsse; doch auch in landwirtschaftlicher Rücksicht sollte die höhere Volksschule ihre Zöglinge mit den bisher bezüglichen Fortschritten der Gegenwart auf theoretischem Wege bekanntmachen.“ (Lütgens nach Pingel 1999, 30)

Ihre nur kurze Existenz ist in der mangelnden dauerhaften Finanzierung, fehlender staatlich-politischer Unterstützung, fehlendem dauerhaften Interesse der Bauern, fehlenden Klärungen über die Zielgruppe des Angebots und den schwierigen innenpolitischen Rahmenbedingungen durch den Schleswig-Holsteinischen Krieg (1848-1851) begründet.

Archive:

LAS – Landesarchiv Schleswig-Holstein, Akte: Die sogenannten höheren Bauernschulen 1842-1847, Abt. 49, Schulsachen No 51, fol 1-67

LAS – Landesarchiv Schleswig-Holstein, Abt. 51 Dept. 2 Nr. 230.

Literatur:

Dräger Horst (Hg.) (1979): Volksbildung in Deutschland im 19. Jahrhundert, Band 1. Erwachsenenbildung. Braunschweig

Klenze, Carl Friedrich Hermann (1873): Meine Lebenserinnerungen, unveröffentlichtes Manuskript, auszugsweise in: Bubb, Hans Ferdinand (1953): Justizrat Carl Friedrich Hermann Klenze. Klostersyndikus in Uetersen. Ein Kämpfer für Freiheit, Gerechtigkeit und Ehre Schleswig-Holsteins. Uetersen

Laack, Fritz (1960): Auftakt freier Erwachsenenbildung. Geschichte und Bedeutung der „Pflanzschule für tüchtige Commünevorsteher und Ständedeputierte“ in Rendsburg 1842-1848. Stuttgart

Lüders, Philipp Ernst (1769): Grundriß einer zu errichtenden Ackerschule, in welcher die Landes-Jugend zu einer richtigen Erkenntniß und Uebung im Landbau eingeführet und zubereitet werden könne. Flensburg

Olbrich, Josef (2001): Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Opladen

Pingel, Wulf (1999): „Landvolks Bildung - Landes Wohl" Die Institutionalisierung deutscher Heimvolkshochschulen zwischen Königsau und Eider in den Jahren von 1769 bis 1921. Diss. Flensburg; Online unter: www.zhb-flensburg.de/dissert/pingel/LandvolksBildung.pdf

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Klaus Heuer