Einleitung:

Im Jahr 1780 ließ der preußische König Friedrich der Zweite folgende Preisfrage ausschreiben:

„Immer den Fortschritt der philosophischen Aufklärung im Auge habend, wünsche Ich, daß die Klasse für spekulative Philosophie nur sehr interessante und nützliche Themen für ihre Preisfragen stellt und daß sie statt der zuletzt gestellten, die nicht sehr verständlich ist, die folgende stelle: Ob es nützlich sein kann, das Volk zu betrügen. Hiermit bitte Ich Gott Sie zu behüten und zu beschützen. Friedrich“ (Adler 2007, XXXVI)

Das war in seiner Zeit nicht nur eine philosophische, sondern auch eine hochbrisante politische Frage. Wie sollte der anstehende gesellschaftliche Wandel bewältigt werden, ohne die absolutistische Herrschaftspraxis selbst in Frage zu stellen? Wie sollte das Volk, also die einfachen Menschen, in diesen Prozess eingebunden werden? Was bedeutete die Anerkennung des Volkes, der Volksaufklärung für das ständische Herrschaftsgefüge?

Die Fragestellung selbst war „eine raffinierte Gradwanderung zwischen Paternalismus und Aufklärungsbefürwortung, was ihr natürlich die Würze gibt.“ (Adler 2007, 58)

Die Resonanz auf Themenstellung war groß. Es wurden 42 Beiträge - 25 deutsche, 16 französische und ein lateinischer - eingereicht. „Grob aufgeteilt aber äußerten sich doppelt soviele gegen den Volksbetrug als dafür. Der geteilte Preis wurde einem Befürworter und einem Ablehner der Frage zuerkannt.“ (Adler 2007, 56)

Der Gewinner der Gegner des Volksbetrugs war Rudolph Zacharias Becker (1752-1822), der mit seinem „Noth- und Hilfsbüchlein für Bauersleute" im Jahre 1788 eine der zentralen volksaufklärerischen Schriften veröffentlichte.

Wie stark auch bei Immanuel Kant die Herausforderung von Freiheit und Herrschaft in einem aufklärerischen Sinne als die eines gelehrten Standes und nicht aller Menschen angesehen wurde, das legt die folgende Textstelle nahe.

Quellentext:

 „Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stükken öffentlichen Gebrauch zu machen. Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: räsonnirt nicht! Der Offizier sagt: räsonnirt nicht, sondern exercirt! Der Finanzrath: räsonnirt nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: räsonnirt nicht, sondern glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: räsonnirt, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; aber gehorcht!) Hier ist überall Einschränkung der Freiheit. Welche Einschränkung aber ist der Aufklärung hinderlich? welche nicht, sondern ihr wohl gar beförderlich? – Ich antworte: der öffentliche Gebrauch seiner Vernunft muß jederzeit frei sein, und der allein kann Aufklärung unter Menschen zu Stande bringen; der Privatgebrauch derselben aber darf öfters sehr enge eingeschränkt sein, ohne doch darum den Fortschritt der Aufklärung sonderlich zu hindern. Ich verstehe aber unter dem öffentlichen Gebrauche seiner eigenen Vernunft denjenigen, den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht.“ (Kant 1784)

Literatur:

Adler, Hans (Hrsg.) (2007): Nützt es dem Volke, betrogen zu werden? Est-il utile au Peuple d'etre trompe? Die Preisfrage der Preußischen Akademie für 1780. Stuttgart, 2 Bände.

Adler, Hans (2007): Volksaufklärung als Herausforderung der Aufklärung, oder: Nützt es dem Volke, betrogen zu werden? Die Preisfrage der Preußischen Akademie für 1780; in: Böning, Holger/Schmitt, Hanno/Siegert, Reinhart (Hrsg.): Volksaufklärung. Eine praktische Reformbewegung des 18. Und 19. Jahrhunderts. Bremen, S.55-72

Becker, Rudolph Zacharias (2008): Noth-und Hilfsbüchlein für Bauersleute, zuerst 1788. Stuttgart

Kant, Immanuel (1784): Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung. Berlin;  unter:  http://de.wikisource.org/wiki/Beantwortung_der_Frage:_Was_ist_Aufkl%C3%A4rung%3F (14.11.2014)

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Klaus Heuer