Einführung:

Bertolt Brecht (1898-1956) hat etwa 2300 Gedichte geschrieben. Es sind Lehrgedichte, die sich am Gebrauchswert orientieren. Das Gedicht „Lob des Lernens“ war Teil des Theaterstücks „Mutter“, das 1932 aufgeführt wurde.

B. Brecht appelliert in diesem Gedicht an die unterprivilegierten und ausgeschlossenen Menschen, denen es an Grundbildung fehlt, die marginalisiert werden oder auch wegen ihres Status als Arbeiter von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen sind. Er fordert diese Menschengruppen auf, in allen Kulturbereichen zu lernen.

Ziel des Lernens ist die Kompetenz der unterdrückten und einfachen Menschen, die Führung in der Gesellschaft zu übernehmen. Der Ausspruch „lerne das einfachste“ hat demnach „zumindest zwei Bedeutungen: das Leichte, das eingängig ist, oder das Grundlegende, auf das weiteres aufbaut.“ (Faulstich 2011) Das was gelernt werden muss, steht im Kontext von „Wissen ist Macht“ (Liebknecht 1872) und der aufklärerischen Anforderung einer sachangemessenen Unabhängigkeit der Urteilsbildung.

 

Lob des Lernens

Lerne das Einfachste! Für die

Deren Zeit gekommen ist

Ist es nie zu spät!

Lerne das Abc, es genügt nicht, aber

Lerne es! Laß es dich nicht verdrießen!

Fang an! Du mußt alles wissen!

Du mußt die Führung übernehmen .

 

Lerne, Mann im Asyl!

Lerne, Mann im Gefängnis!

Lerne, Frau in der Küche!

Lerne, Sechzigjährige!

Du mußt die Führung übernehmen.

Suche die Schule auf, Obdachloser !

Verschaffe dir Wissen, Frierender!

Hungriger, greif nach dem Buch: es ist eine Waffe.

Du mußt die Führung übernehmen.

 

Scheue dich nicht zu fragen, Genosse !

Laß dir nichts einreden

Sieh selber nach!

Was du nicht selber weißt

Weißt du nicht.

Prüfe die Rechnung

Du mußt sie bezahlen.

Lege den Finger auf jeden Posten

Frage: Wie kommt er hierher?

Du mußt die Führung übernehmen. (Brecht 1988, 233)

Literatur:

Brecht, Bertolt (1988): Gedichte I. Sammlungen 1918-1938. Berlin

Faulstich, Peter (2011): Lob des Lernens, in: Faulstich, Peter/Beyer, Mechthold (Hrsg.)L LernLust. Hunger nach Wissen, lustvolle Weiterbildung. Hamburg, S.149-163; unter:

 http://www.netzwerk-weiterbildung.info/meldung_volltext.php?si=1&id=4f350d70352a3&akt=news&view=&lang=1

(14.11.2014)

Liebknecht, Wilhelm (1872): Wissen ist Macht – Macht ist Wissen. Leipzig

 

 

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Klaus Heuer