Der österreichische Nationalökonom und Wissenschaftstheoretiker Otto Neurath (1882-1945) war Mitglied des Wiener Kreises, die den logischen Empirismus vertraten. Insbesondere ist er durch seine Arbeiten an bildpädagogischen Visualisierungen von Wissen und Wissenschaft bekannt geworden. Sie sind bekannt als "Wiener Methode der Bildstatistik" bzw. später "Isotype" („International System of Typographic Picture Education“).

Das "Isotype" wurde auf Aufstellungstafeln, in Publikationen, auf Flyern und als Kombination von Text und Bild eingesetzt. Es entstanden Vermittlungsbilder, die aus einzelnen, miteinander nach bestimmten Regeln kombinierten Zeichen aufgebaut waren. Sie waren weitestgehend ohne Schriftsprache konzipiert, folgten dem Anspruch hoher Standardisierung und waren auf einfachste Schemata reduziert. Einige von ihnen sind heute als Piktogramme im Internet, in Bahnhöfen und Flughäfen allgegenwärtig.

O. Neurath war auch als Lehrender in der Erwachsenenbildung tätig und hielt in den Volkshochschulen und an der Arbeiterhochschule Vorträge. Er publizierte Beiträge in populären bürgerlichen, sozialdemokratischen und sozialistischen Zeitschriften und gab die logisch-empirische Enzyklopädie mit heraus.

O. Neurath konzipierte und begründete auch eigene Bildungsinstitutionen mit. So gründete er den „ Allgemeinen naturwissenschaftlichen Bildungsverein Ernst Mach. Verein zur Verbreitung von Erkenntnissen der exakten Wissenschaften (VEM)“. Der Verein legte einerseits den Schwerpunkt auf die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte, andererseits wendete er sich an Arbeiter und fortschrittliche Intellektuelle, um eine sozialistische Weltanschauung und Lebensführung zu fördern.

Zu seinen Initiativen zählt auch die 1921 gegründete Siedlungsschule, die ärmeren Volksschichten, Siedlern, Architekten, Organisatoren und Beratern systematischen Unterricht bot. 1923 entstand in diesem Rahmen eine Freiluftausstellung im Zentrum Wiens zum menschenfreundlichen Wohnen und Städtebau. In der Folge daraus entstand das Museum für Siedlung und Städtebau, in dem die Exponate der Freiluftausstellung dauerhaft gezeigt werden sollten. Hier wurden das städtische Wohnungsprogramm, die Geschichte der Stadtplanung sowie allgemeine Architektur- und Siedlungsentwicklungen thematisiert, um das Verständnis für Architektur zu fördern. Fast 700 Siedlerhäuser, sog. Kernhäuser, entstanden aus dieser Initiative.

Außerdem war O. Neurath1925 an der Gründung des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum beteiligt, das auch heute noch besteht. Das Museum verstand sich als Volksinstitut für soziale Aufklärung. Es brach in seinem Konzept mit der konventionellen Auffassung von Museen. Es stellte Bildungsmedien aus, mit denen sich die Besucher, ähnlich wie in naturwissenschaftlichen Museen, visuell informieren konnten. Die hierzu eingesetzten Medien orientierten sich an dem Anspruch, möglichst auf Schriftsprache zu verzichten und die Vermittlungsleistung von Bildern und anderen visuellen Methoden weitestgehend auszuschöpfen. Adressaten des Museums waren Fabrikarbeiter, Landarbeiter und Vorschulkinder.

Ab 1925 arbeitete O. Neurath und das Team des Museums an der Entwicklung einer Bildmethode. Sie wurde unter dem Namen "Wiener Methode der Bildstatistik" geführt und später in "Isotype" umbenannt. Nach O. Neuraths Tod übernahm Marie Neurath die Arbeit mit dem "Isotype".

Archive:

University of Reading: Otto and Marie Neurath Isotype Collection

Literatur:

Eve, Matthew/Burke, Christopher (2010): Otto Neurath: From Hieroglyphics to Isotype. A visual Autobiography. London

Faulstich, Peter (2008): Wissenschaftliches Begreifen und Sozialismus: Otto Neurath; in: ders.: Vermittler wissenschaftlichen Wissens. Biographien von Pionieren öffentlicher Wissenschaft. Bielefeld. S.177-193

Filla, Wilhelm (2001): Wissenschaft für alle — Ein Widerspruch? Innsbruck S. 423, 454

Hartmann, Frank/Bauer, Erwin K. (2006): Bildersprache. Otto Neurath, Visualisierungen. Wien

Neurath, Otto (1928): Lebensgestaltung und Klassenkampf. Berlin

Neurath, Otto (1979): Wissenschaftliche Weltauffassung. Sozialismus und Logischer Empirismus. Frankfurt a.M.

Neurath, Otto: Gesammelte Schriften. 5 Bände, hrsg. v. Haller, Rudolf u.a. Wien

Neurath, Paul/Nemeth, Elisabeth (Hg.) (1994): Otto Neurath oder die Einheit der von Wissenschaft und Gesellschaft. Wien

Stadler, Friedrich (Hg.) (1982): Arbeiterbildung in der Zwischenkriegszeit. Otto Neurath - Gerd Arntz.Stadler. Wien

Vossoughian, Nader (2008): Otto Neurath. The language of the Global Polis. Rotterdam

Internetquellen:

Biografie unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Neurath

Homepage des Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums, Wie, unter: http://www.wirtschaftsmuseum.at/ueber_das_museum

Illustrationsmaterial:

Otto Neurath, in: The National Library of Israel collections, Zugriff am 27.04.0217. Verfügbar unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9e/Otto_Neurath.jpg 

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Klaus Heuer