Einführung:

Sokrates (469 – 399 v.Chr.) ist der Namensgeber der nachfolgend beschriebenen Methode. Inwieweit er der „historische“ Urheber dieser Methode war oder ob sie ihm von seinem Schüler Platon (428 – 348 v.Chr.) aus innerer Verpflichtung oder anderen Motiven zugeschrieben wurde, ist nicht eindeutig zu bestimmen.

Kurz zusammengefasst handelt die Sokratische Methode von der Kunst, einem Gesprächspartner Wissen zu vermitteln, indem man ihn nicht belehrt. Stattdessen soll dieser durch geeignete Fragen dazu gebracht werden, vorhandene irrige Vorstellungen zu beseitigen und den tatsächlichen Sachverhalt selbst zu entdecken. Es ist die erste Methodik, die auf Belehrung konsequent verzichtet.

Die Dialogform unterscheidet sich von anderen Textformen:

- sie spricht den Leser durch die künstlerische Ausführung an

- sie befreit von der Erwartung systematischer Vollständigkeit - Ungeklärtes darf offen bleiben

- sie bildet einen Prozess der Erkenntnisgewinnung ab und lädt zum aktiven Mitdenken ein

- die Urteilsbildung bleibt beim Lesenden

- das Denken stellt sich der argumentativen Kontrolle durch die Gesprächspartner

- sie vermeidet starre Terminologien (Erler 2007, 31f)

Für die aktuelle Erwachsenenbildung haben Leonard Nelson (1882-1927), Gustav Heckmann (1898-1996) und Oskar Negt (1934) diesen Ansatz für die politische Bildung weiter entwickelt. Auch die universalen Diskursnormen - Verständlichkeit, Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit, wie sie von Jürgen Habermas (1929) in seinem Buch: „Theorie des kommunikativen Handelns“ (1981) angenommen werden - kommen den praktischen Grundsätzen der Methode des Sokratischen Gesprächs sehr nahe.

Eine verwandte Methode ist auch die "Themenzentrierte Interaktion" (TZI). In ihrem Rahmen wird sie zur Strukturierung des Meta-Gesprächs: der Reflexion des Verlaufs des Gesprächs, Kommentierung des Verhaltens von Leiter und Teilnehmern, Erörterung von Grundfragen zu Methode und Struktur des Gesprächs und der Unterstützung des Ablaufs des Sachgesprächs genutzt.

Quellentext:

Sokrates: Nun bemühe dich, mit allen Mitteln, wie bei anderen Fragen, so auch vom Wissen eine Erklärung zu geben, was es eigentlich ist.

Theätet: Soweit es wenigstens an meinen Bemühungen liegt Sokrates, wird sich die Erklärung schon finden lassen.

Sokrates: Also los! Du hast ja eben schon den Weg ganz gut gezeigt. Nimm dir also Deine Antwort mit den Quadratwurzeln zum Vorbild. Wie du dort die vielen Zahlen in eine Bestimmung zusammengefasst hast, so versuche auch jetzt, die vielen Wissensarten mit einem Begriff zu bezeichnen.

Theätet: Glaube mir, Sokrates, ich habe mir dies schon oft klarzumachen versucht, wenn ich die Fragen hörte, die von dir im Umlauf sind. Aber ich kann mich weder selbst überzeugen, daß ich hierzu etwas Haltbares beitragen kann, noch kann ich irgendeinen anderen in der von dir gewünschten Weise antworten hören. Andererseits kann ich aber auch von dieser Frage nicht loskommen.

Sokrates: Das kommt von deinen Geburtswehen, lieber Theätet. Denn du bist nicht inhaltsleer, sondern gehst schwanger.

Thätet: Darüber weiß ich nichts, Sokrates. Wie mir aber zumute ist, habe ich gesagt.

Sokrates: Hast du denn nicht gehört, daß ich der Sohn einer tüchtigen und zupackenden Hebamme bin, der Phänarete?

Theätet: Doch das habe ich schon gehört.

Sokrates: Und auch, daß ich diese Kunst ausübe?

Theätet: Nein, nie.

Sokrates: Es stimmt aber. Verrate mich aber nicht bei den anderen…. (Platon 2001, 20)

Quelle: 

Platon (2001): Sokrates und die „Hebammenkunst“; in: Birnbacher, Dieter/Krohn, Dieter (Hrsg.): Das sokratische Gespräch. Stuttgart, S.20

Literatur:

Erler, Michael (2007): Platon. Basel (in der Reihe: Flashar, Hellmut (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie, Band 2/2)

Horster, Detlef (1994): Das Sokratische Gespräch in Theorie und Praxis. Opladen

Nelson, Leonard (2001): Die sokratische Methode, in: Birnbacher, Dieter/Krohn, Dieter (Hrsg.): Das sokratische Gespräch. Stuttgart, S.15-20

Platon (2001): Sokrates und die „Hebammenkunst“; in: Birnbacher, Dieter/Krohn, Dieter (Hrsg.): Das sokratische Gespräch. Stuttgart, S.20-72

Popp, Susanne (2001): Das sokratische Gespräch – Eine Methode der diskursiven Begriffserklärung, unter: http://www.sowi- online.de/methoden/lexikon/sokratisches_gespraech_popp.htm (12.11.2014)

Internetquellen:

Kurzbeschreibung Sokratisches Gespräch, unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Sokratisches_Gespr%C3%A4ch

Illustrationsmaterial:

Eric Gaba (User: Sting), Portrait of Socrates. Zugriff am 06.06.2017. Verfügbar unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a4/Socrates_Louvre.jpg

 

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