DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

"Die sollen uns ernstnehmen"

Gespräch zum Jugendprogramm "Junge Volkshochschule" (JVHS)"

Die Hamburger Volkshochschule bietet seit Herbst 1995 ein Jugendprogramm "Junge Volkshochschule" (JVHS) an. Viele der Angebote sind aufgrund von Anregungen ehemaliger KursteilnehmerInnen entwickelt worden: größere Projekte, Kurse zu unterschiedlichen Themen, Kompaktveranstaltungen, Workshops. Zum Angebot Junge Volkshochschule zählen Sprachkurse, Band-Projekte, Video-Clips drehen, Theaterstücke entwickeln ...- Julian Laschinsky (J.L.), 15, nimmt bei der JVHS an einem Kurs "Moderatoren-Training" teil. Neil Natasadu-Aquino (N.N.-A.), 15, war Teilnehmer an Graffiti- und Breakdance-Workshops. Annette Schwarz (A.S.) ist Jugendbildungsreferentin und verantwortlich für das Programm der Jungen Volkshochschule.- Das DIE-Gespräch führten Herbert Bohn und Richard Stang (DIE).

DIE: Breakdance, Graffiti, Moderatoren-Training: Julian und Neil - wie seid ihr dazu gekommen, an diesen Angeboten der "Jungen Volkshochschule" teilzunehmen?

N.N.-A.: Bei mir durch die Mutter eines Klassenkameraden, die in der Volkshochschule gearbeitet hat. Wir wollten hier einen Graffiti-Kurs in den Sommerferien machen und haben dann das Programm geschickt bekommen.

J.L.: Wir sind ein Schülerteam von 15 Leuten, und eine Klassenlehrerin unserer Schule hatte den Kontakt zur Volkshochschule. Es gab dann das Angebot für den Moderatorenkurs. Es hieß, wer will, kann mitmachen. Das klang ja gut. Alle, die in der Schule aktiv sind, also Schulsprecherteam, Stufensprecher usw., und alle, die Interesse und Zeit hatten, sind mit hingekommen.

DIE: Kommen viele TeilnehmerInnen aus ähnlichen Anlässen in die "Junge Volkshochschule?"

A.S.: Ja. Es kommt häufig vor und entspricht auch unserer Absicht, daß sich entweder Jugendliche anmelden, weil sie das Programm haben oder weil sie irgendwo gehört oder gelesen haben, daß die "Junge Volkshochschule" das und das anbietet. Hier zahlt es sich aus, daß wir mit vielen Kooperationspartnern zusammenarbeiten und daß dadurch relativ viele Kontakte zu Multiplikatoren bestehen, etwa zu jemand, der an einer Schule oder in einer Jugendeinrichtung ist, der dann auch die Werbung an die Jugendlichen vermittelt.

DIE: Gibt es Angebote für Graffiti oder Breakdance nicht von anderen Anbietern?

N.N.-A.: Die gibt es schon, aber man findet sie kaum. Außerdem wurde der Kurs hier in den Ferien angeboten, und deswegen sind sicher auch viele gekommen. Sonst findet man kaum Adressen, wo man hingehen könnte.

DIE: Es gibt für Breakdance oder Graffiti Szenen, die sich auch untereinander austauschen. Brauchen die denn organisierte Angebote?

N.N.-A.: Es waren viele da, die vorher gar nicht wußten, was Breakdance und Graffiti ist. Die haben das dann ausprobiert. Es mußten sogar Kurse wiederholt werden. Inzwischen leite ich in der Schule einen Breakdance-Kurs. Die Nachfrage wird immer größer. Eigentlich sollten nur zehn Leute mitmachen, aber es sind jetzt schon 30 Leute. Und es werden immer mehr, die interessiert sind.

DIE: Ist das integriert in den normalen Unterricht?

N.N.-A.: Nein, das ist freiwillig nach dem Unterricht.

A.S.: An anderen Schulen ist das anders: 1994 gab es eine Woche zum Thema Suchtprävention, und danach haben sich einige Schulen und auch die Volkshochschule gedacht, wir würden gerne die Angebote zur Suchtprävention fortführen, damit das eben nicht nur mal für eine Woche läuft. Und das war Wahlpflichtunterricht. Bei Graffiti ist das schwieriger, weil die Leute Angst haben, daß der ganze Schulhof voller Kunstwerke sein könnte, die man nicht mehr wegbekommt.

DIE: Wie läuft das bei euch?

A.S.: Breakdance läuft ziemlich gut. Wir haben auch Kursleiter, die aus der Szene kommen. Die Angebote richten sich vorrangig an diejenigen, die sich nicht trauen, in die Szene einzusteigen, weil sie sich denken, Mensch, die können das alles, und wir fangen gerade erst an. Die brauchen dann jemand, der sagt: Komm schnuppern, und dann guck mal, ob es Spaß bringt oder nicht.

DIE: Wie groß ist der Kurs bei euch?

J.L.: Der Moderatoren-Kurs war für 15 Leute angesetzt.

N.N.-A.: Bei uns waren es auch so 15. Wir hatten einen Graffiti-Kurs, da waren wir 40 Schüler. Deshalb wurde ein zweiter Kurs eingerichtet.

A.S.: Die Gruppen wurden geteilt, denn es ging nicht. Es hatten sich ursprünglich ungefähr 20 angemeldet, und am ersten Tag standen 40 vor der Tür. Was ich toll fand: Zur Zeit des zweiten Kurses lief gerade die Mururoa-Diskussion, und plötzlich tauchte in dieser Gruppe dieses Thema auf. Und es bestand ein unglaubliches Interesse, die eigene Haltung zu diesen Tests auszudrücken. Und die Grafittis sind zu Anti-Atomtest-Graffitis geworden, die bei uns im Volkshochschul-Haus in der Weitzstraße aushängen. Jetzt ist alle halbe Jahre eine neue Graffiti-Ausstellung.

DIE: Sind die anderen Teilnehmer genau so alt wie ihr?

J.L.: Die meisten von uns sind aus der 10. KLasse, aber es nehmen auch die Jahrgangssprecher ab Klasse 7 am Moderatorenkurs teil.

N.N.-A.: Das ist bei uns auch ungefähr so, bis auf ein paar Ausnahmen, die jünger sind. Sonst eigentlich immer das gleiche Alter.

DIE: Gibt es Altersbegrenzungen in der "Jungen Volkshochschule"?

A.S: In der Regel ab 13. Wir nehmen manchmal auch Jüngere, es gibt auch durchaus mal Neunjährige in einem Theaterprojekt. Aber da muß genau geschaut werden, ob das in den Kursen paßt oder nicht. Schwerpunktmäßig bewegt sich das im Alter zwischen 13 und 16. Wir haben ein paar Kurse, da sind Ältere drin, etwa in Fremdsprachenkursen - oder ein Kurs über Motorrad: Klar, daß das die interessiert, die sich ein Motorrad anschaffen wollen. Das sind eher die ab 16 aufwärts.

DIE: War Volkshochschule für euch schon früher ein Begriff? Kennt ihr auch das übrige Programmangebot?

J.L.: Das Wort kannte ich. Aber ich hätte es mit nichts in Verbindung bringen können. Ich hatte noch nie etwas Konkretes davon gehört, was die machen oder so. Als wir den Moderatorenkurs hatten, da konnte ich mir zum ersten Mal was drunter vorstellen. Da dachte ich, wer ist denn das, mal gucken. Aber schon: "Volks-Hoch-Schule": Der Name klang ein bißchen komisch. Aber eigentlich kenne ich die Volkshochschule auch bis jetzt nur als Anbieter der Moderatoren-Kurse.

N.N.-A.: Ich kannte den Namen gar nicht, habe erst alles kennengelernt durch die Kurse. Das übrige Programm der Volkshochschule kenne ich noch nicht. Aber man kann ja auch von sich aus hierher kommen und gucken, was angeboten wird.

DIE: Du würdest auch ein anderes Angebot wahrnehmen?

N.N.-A.: Es scheinen ja ganz viele verschiedene zu sein, und wenn da irgend etwas dabei ist, was mich interessiert, dann würde ich das wahrnehmen. Also nicht nur Breakdance.

DIE: Wenn man sich für einen bestimmten Bereich interessiert: Wieso braucht man dann einen Kurs? Kümmert man sich dann nicht selbst darum?

J.L.: Schwer zu sagen. Breakdance ist nicht so meine Sache. Aber wenn es etwas gäbe, wofür ich mich richtig interessiere, da würde ich schauen, wo es ein Angebot gibt, da kann ich vielleicht in der Volkshochschule was lernen.

N.N.-A: Ich habe mich zum Beispiel erkundigt, auch Annette gefragt, welche Möglichkeiten für Brasilianischen Tanz bestehen und ob das in der "Jungen Volkshochschule" stattfinden kann.

DIE: Wenn dich etwas Spezielles interessiert, dann fragst du also nach. - Wie kommen die Ideen für Angebote der "Jungen Volkshochschule" zustande? Durch solche Nachfragen?

A.S.: Ich kann mir wunderbare Sachen ausdenken, aber ich weiß trotzdem nicht, ob es das Interesse trifft. Wenn jemand etwas Bestimmtes will, das nehme ich schon gerne auf. So will ich für Herbst jemand finden, der Brasilianischen Tanz unterrichtet, und dann probieren wir das. Und wir werden den Breakdancern anbieten, in den Ferien was zu machen.

DIE: Und das geht ohne längere Vorplanung?

A.S.: Das ist möglich, weil ich eben nicht wie meine Kolleginnen und Kollegen bis zum nächsten Jahr plane. Weil einfach so viele neue Ideen kommen, und dann kann ich nicht bis Juli nächsten Jahres alles verplanen. Auch beim Moderationstraining wußte ich vorher nicht, daß wir in diesem Jahr so etwas mit der Schule machen, weil das auch von persönlichen Kontakten und von einer Bereitschaft abhängt. Was Julian sagt, ist richtig: daß leider immer noch zu wenig Jugendliche unser Programm kennen, weil wir jetzt erst das zweite Mal ein Jugendprogramm herausgegeben haben. Vorher war das nur eine Seite im 250 Seiten dicken Programmheft, und da hat kein Jugendlicher reingeschaut. Das sind unsere Startschwierigkeiten.

DIE: Wie kommen die Programme zustande?

A.S.: Zum einen dadurch, daß ich Ideen habe und realisiere, zum anderen dadurch, daß ich mit Kooperationspartnern wie Schulen, Stadtteileinrichtungen, kulturellen und Jugendeinrichtungen zusammenarbeite und daraus Ideen entstehen. Auch darüber, daß wir uns mit den Bildungsreferenten anderer Institutionen absprechen und gemeinsam Projekte machen. Wenn wir zum Beispiel einen Austausch nach Israel planen, wäre es Quatsch, wenn zwei Verbände so etwas anbieten; wir würden beide unsere Gruppen nicht vollkriegen. Und so machen wir das zusammen. Außerdem äußern auch Kursleiter ihre Ideen. Wir schauen dann, was paßt ins Profil und was nicht.

DIE: Was kosten die Kurse in der "Jungen Volkshochschule"?

N.N.-A.: Der Breakdance-Kurs hat 60 Mark gekostet.

DIE: Ist das in Ordnung?

N.N.-A.: Ja. Vorher gab es so einen Kurs nicht, obwohl ja ganz viele interessiert waren. Ich wußte gar nicht recht, wo man hingehen konnte. Und das Angebot war den Preis wert. Es hat sich gelohnt für mich und viel Spaß gemacht.

A.S.: Die Volkshochschule nimmt für viele Kurse ein Entgelt, außer für solche in Kooperation mit Jugendzentren. Überall da, wo sozial benachteiligte Jugendliche sind, ist es sozusagen die Kooperationsleistung: Wir lassen die TeilnehmerInnen aus den Einrichtungen kostenlos teilnehmen und können dafür die Räume der Einrichtung nutzen, weil wir ja mit unseren eigenen Raumkapazitäten ziemlich beengt sind. Und für Jugendliche ist das hier im Haus nicht der Treffpunkt. Es ist einfach gut, wenn da noch eine Kneipe o. ä. dabei ist, wo man auch noch einmal klönen kann. Jugendliche aus sozial schwachen Familien können an Kursen kostenlos teilnehmen, wenn wir eine Kopie der Sozialhilfebescheinigung bekommen. Wer Arbeitslosengeld bezieht oder nur über ein geringes Einkommen verfügt, bezahlt 25 DM für einen Kurs.

J.L.: Wir hatten beim Moderatoren-Training 20 Mark pro Person zu zahlen, wobei das sozusagen symbolisch ist.

DIE: Mußtet ihr das selbst bezahlen?

J.L.: Ja. Wobei ich denke, wenn man dann sein Amt als Stufensprecher besser ausführen kann, dann zahlen das ja auch in den meisten Fällen die Eltern. So war es bei mir. Im Extremfall hätten wir auch der Schulleitung sagen können: Hier, das ist etwas, was wir für unsere Arbeit brauchen, und dann hätte die Schule wohl zumindest die Hälfte übernommen. Aber bei so einem niedrigen Preis ist das eigentlich nicht notwendig.

DIE: Ist das Training denn hilfreich?

J.L.: Ich denke schon. Am Anfang hatten wir vielleicht Schwierigkeiten zu wissen, wie wir das anwenden sollen, aber ich meine, daß wir gut in Gang gekommen sind. Wir haben da verschiedene Richtungen der Anwendung trainiert: Wie man mit einer Gruppe arbeitet als Einzelperson, wenn man Klassensprecher ist o. ä., aber halt auch, wie man Sachen den Lehrern, der Schulleitung gegenüber vorbringt, durchsetzt, wie man Aktionen plant. Also viel Verschiedenes, je nachdem, was unser Interesse war. Das nächste Treffen ist Anfang Februar, das Training setzt sich dann fort, das ist dann das vierte. Also das alles für nur 20 Mark.

DIE: Macht ihr auch andere Kurse oder irgendwelche anderen Projekte?

N.N.-A.: Ich trainiere fast jeden Tag in Jugendhäusern, und jetzt weiß ich über meine Freunde, die auch tanzen, wo das möglich ist. Vor dem Kurs in der "Jungen Volkshochschule" hatte ich keine Kontakte zu "Breakern".

J.L.: Ich mache nebenbei Musik. Deswegen ist mein Tag schon immer ziemlich voll. Ich spiele Gitarre. Ich hatte auch bis vor kurzem Unterricht, aber nicht in einer Institution, sondern bei einem Privatlehrer. Auch nachmittags in der Schule mache ich Musik, aber selbständig und nicht mit einem Lehrer. Ich würde gerne mehr Sachen wahrnehmen. Manchmal lese ich irgendwelche Angebote, dann denke ich, klingt ja gut, aber es ist einfach die Zeit nicht da.

DIE: A propos Zeit: Es gibt auch ein großes Angebot an Veranstaltungen wie Partys, Discos, Konzerte, Kino. Bleibt dafür Zeit?

N.N.-A.: Das ist meistens später. Ich gehe selten weg, und wenn, dann nur am Wochenende. Es ist eigentlich genug Zeit da, wenn man Lust hat.

J.L.: Ich bin mit Schule, Moderationstraining und meiner Musik ausgelastet. Für zusätzliche Aktivitäten - da fehlt die Zeit.

DIE: Läßt sich das verallgemeinern, wie die beiden das schildern?

A.S.: Ganz schwierig. Das stimmt für diejenigen, die politisch aktiv sind - so wie Julian, der im Schülerrat ist -, die unheimlich viel machen. Bei denen habe ich immer das Gefühl, daß die persönlichen Freizeitinteressen viel eher hintangestellt werden. Oder so jemand wie Neil, der sagt, das und das ist mein Interesse. Das sind auch diejenigen, die einen Biß an der Sache haben und da immer dabei sind. Aber das gilt für sehr viele Jugendliche auch nicht. Das finde ich auch verständlich: Man probiert eben hier und da aus, und das dauert, bis man was findet. Es kann auch sein, daß man eine Sache gefunden hat und nach einem Jahr merkt, es hat sich was verändert, und dann ist die Sache nicht mehr wichtig. Aber ich würde ungern so etwas verallgemeinern, weil ich glaube, es wird auch den Jugendlichen nicht gerecht.

DIE: Wie versucht ihr den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden?

A.S.: Wir haben hier zum Beispiel Jugendlichen, die auch in der Haupt- und Realschule unten durchfallen und oft rumhängen, mit einer Jugendeinrichtung im Viertel ein Videoprojekt angeboten: Das war wirklich erstaunlich, die haben einen Videofilm "Mord im Schanzenviertel" gedreht, den sie sogar im Kino 3001 in der Matineevorstellung zeigen durften, weil er so gut geworden ist. Und viele Jugendliche, denen man überhaupt nichts zutraut, haben total Lust bekommen, so was zu machen, und einen unglaublichen Spaß gehabt. Die haben sich in Gebäude oder auch in Einrichtungen getraut, die sie im Leben sonst nicht aufgesucht hätten: Sie haben sich mit dem Kursleiter zusammen - weil sie den kennen - die "Rote Flora", ein alternatives Stadtteilzentrum angeschaut! Die vorher gesagt haben, was ist denn das für einer, weil er kurze Haare hatte, und sie nicht wußten: Ist das ein Skin, oder ist der nett und kann man mit dem reden? Die haben sich dadurch auch ein Stückchen hier den Stadtteil eröffnet. Das empfinde ich als ziemlich prägnantes Beispiel, wo es plötzlich ganz anders gelaufen ist, als man vorher gedacht hat.

DIE: Die Klischees, die viele von uns Erwachsenen in den Köpfen haben, stimmen also nicht! - Habt ihr eigentlich überhaupt Lust darauf, daß sich die Erwachsenen um "eure" Kultur kümmern?

N.N.-A.: Es kommt darauf an, daß sie uns ernst nehmen, und das ist nicht vom Alter abhängig. In der Breakdance-Szene gibt es auch Ältere.

DIE: Und wenn Leute sagen: Graffiti ist Schmiererei und Breakdance ist Schwachsinn?

N.N.-A.: Viele Erwachsene schätzen das falsch ein, wissen gar nicht, was das ist. Die sagen dann gleich, das sind Straßenjungs oder Vandalen. Andererseits kriege ich manchmal direkt Aufträge zum Sprühen, die auch Geld bringen.

DIE: Ihr findet es richtig, daß solche Themen, die Jugendliche interessieren, in der "Jungen Volkshochschule" angeboten werden?

J.L.: Klar, finde ich gut, daß hier versucht wird, die Jugendlichen zu unterstützen. Das finde ich immer gut. Man kann ja für sich schauen, ob man es gebrauchen kann oder nicht. Man kann ja auch sagen, die sind echt nicht auf dem neuesten Stand, das bringt mir nichts, aber ich denke schon, daß die "Junge Volkshochschule" ganz gut weiß, was Jugendliche wollen.

A.S.: Ich merke, daß es immer wieder ganz wichtig ist, in Kontakt mit Jugendlichen zu bleiben. Ich lerne natürlich unheimlich viel, wenn die Gruppen hier im Haus sind.

DIE: Hat das Auswirkungen bei der Auswahl der KursleiterInnen?

A.S.: Ich will verstärkt nach Jugendlichen suchen, die als Kursleiter geeignet sind. Ich muß die Kurse ja nicht selber machen. Aber ich erwarte eigentlich von so jemand wie mir, daß ich schaue: Wo sind Leute in der Szene, die dann die Kursleitung machen, die auch näher dran sind, weil sie in der Szene verankert sind. Ich merke auch, daß die pädagogischen Mittel oft begrenzt sind, daß Jugendliche oft gerne deshalb in solche Kurse gehen, weil es eben nicht pädagogisch zugeht. Aber weil die Leute ihnen einfach was vermitteln können. Ich merke das auch bei Schauspielkursen hier: Wenn das Leute sind, die professionell arbeiten, dann sind die Jugendlichen auch bei der Stange, weil sie mitkriegen, ihnen wird da was geboten, und sie werden auch in ihren Fähigkeiten ernstgenommen. Und es ist ja nicht nur eine fachliche Kompetenz, es hat was mit Ausstrahlung, mit In-der-Szene-Sein zu tun. Ich muß sehen, daß ich Kursleiter finde, die so etwas haben.

DIE: Was reizt euch, hier weiterzumachen?

N.N.-A.: Normalerweise bräuchte ich jetzt nicht mehr herzukommen, zum Training oder so. Aber es macht Spaß, man lernt neue Leute kennen, die am Kurs teilnehmen. Und jetzt in den Ferien fahren wir in eine Jugendherberge, dort wird dann eine Woche mit Übernachtung trainiert. Da fahre ich mit, das bringt natürlich Spaß.

DIE: Ihr scheint keine Probleme mit Erwachsenen zu haben, oder gibt es doch ein paar Punkte?

N.N.-A.: Zum Beispiel die Graffiti-Sprüher werden immer gleich so niedergemacht. Alle denken, die schmieren nur rum. Warum sagen die Erwachsenen nicht: Das sind Straßenkünstler? Die müßten sich mehr informieren, damit sie Vorurteile abbauen können.

J.L.: Kann sein, daß die Erwachsenen bestimmte Jugendrichtungen falsch interpretieren. Manchmal trifft man es schon, daß Erwachsene versuchen, die Jugendszene widerzuspiegeln, und ein bißchen danebenliegen.

DIE: Habt ihr schon die Erfahrung gemacht, daß eure Lern- oder Freizeitinteressen auf Unverständnis oder Ablehnung stoßen?

J.L.: Beim Moderatorenkurs natürlich nicht, da denken alle, toll, daß du das machst, um dein Amt zu erweitern.

DIE: Worin liegt - außer dem Alter der Teilnehmenden - der größte Unterschied zwischen der Volkshochschule allgemein und der "Jungen Volkshochschule"?

A.S.: Die "Junge Volkshochschule" wagt viel mehr Experimente. Man merkt, innerhalb der Bereiche der gesamten Volkshochschule versucht man jetzt auch stärker zu experimentieren oder sich untereinander abzusprechen. Es gibt aber auch diejenigen, die diese Experimente nicht so besonders lieben, das ist sehr deutlich. Was auch anders läuft, ist wie gesagt die Planung. Bei Erwachsenen ist es schon schwierig, so lange im voraus zu planen, aber bei Jugendlichen erst recht. Und Lautstärke ist auch so eine Geschichte. Ich finde, die Atmosphäre im Haus ist einfach eine andere. Es ist mehr Leben drin, es passiert was anderes, ohne daß das wie ein Vorurteil klingen soll.

DIE: Ist da vielleicht auch ein bißchen Neid dabei?

A.S.: Ja, Neid und Skepsis und so ein Unbeteiligt-Sein. Man kann nicht so genau einschätzen, was da eigentlich läuft. Man getraut sich nicht zu fragen: Was ist das eigentlich mit Breakdance oder mit Sprühen, oder was machen die denn, was sind das eigentlich für Szenen?