DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Lebensbegleitendes Lernen in Netzwerken

Supportstrukturen zur Lernunterstützung

Peter Faulstich/Christine Zeuner

Dr. Peter Faulstich ist Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Hamburg. Christine Zeuner ist Wissenschaftliche Assistentin am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg, Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Freizeitpädagogik.

Worum geht es bei dem Konzept „Supportstrukturen für die Weiterbildung“? Auf welche Bereiche beziehen sich unterstützende Leistungen, welche Aufgaben werden von ihnen wahrgenommen? - Peter Faulstich und Christine Zeuner umreißen den theoretischen und politischen Kontext von Supportstrukturen, beschreiben aktuelle Kooperationsstrategien in Form von Netzwerken oder Weiterbildungsverbünden und zeigen auf, in welche Richtung Supportstrukturen künftig weiter auszubauen sind.

Abstract:
The concept of support-networks is currently finding its way out of the theoretical discussions into practical application. This is not only due to the zeitgeist of reduced governmental investments in education policy but also because the concept of support takes into account the social embeddedness of learning costs and thus contributes to the discourse of the „learning society“. Networks are propagated as an alternative to either the state or the market, on the other hand they are likely to create new zones of friction (i.e. too many partners involved, lack of continuity, unefficient communication processes). New models in Germany thus draw upon two different functions of the networking concept: decision-making and support, to realize „regional learning cultures“.

Während lange Zeit Kooperationsmodelle in der Weiterbildung diskutiert, aber nicht umgesetzt worden sind, wurden in den letzten Jahren vermehrt unterstützende Vorleistungen für Weiterbildungsteilnahme institutionalisiert, welche Formen der Zusammenarbeit absichern. Es geht dabei um die Erhöhung von Transparenz, die Sicherung von Qualität und Artikulationschancen für Lernende. Trägerübergreifend und -unabhängig können Supportstrukturen die Zugangsmöglichkeiten zur Weiterbildung verbessern.

Unterstützende Leistungen können sich direkt auf die Vorbereitung und Begleitung von Lernprozessen beziehen wie auch außerhalb des direkten Lernprozesses greifen und sich dabei entweder an potenzielle Abnehmer (individuell Teilnehmende oder auch Gruppen), an das Weiterbildungspersonal oder an Weiterbildungsinstitutionen richten. Zu den Aufgaben gehören (vgl. Teichler 1997):

-    Information über Weiterbildungsangebote;

-    Beratung von Teilnehmenden und potenziell Teilnehmenden;

-    Qualitätssicherung der Angebote;

-    Curriculumentwicklung;

-    Qualifizierung des Weiterbildungspersonals;

-    Unterstützung der Weiterbildungsinstitutionen in Management und Steuerung;

-    Management von Infrastrukturen der Weiterbildung.

Diese Unterstützungsleistungen können in den seltensten Fällen von einer einzigen Institution angeboten werden. Aktuelle Entwicklungen gehen daher in eine andere Richtung. Über Netzwerke oder Weiterbildungsverbünde wird versucht, möglichst viele dieser Leistungen in Kooperation auf regionaler Ebene anzubieten.

Zum theoretischen Kontext des Supportbegriffs

Das Konzept „Supportstrukturen“ verdankt seine theoretische und politische Konjunktur seiner besonderen Ambivalenz: Einerseits passt es in den weiterbildungspolitischen Zeitgeist staatlicher Zurückhaltung, in dem es berücksichtigt, dass Lernangebote nicht obrigkeitlich zugesichert, vorgehalten oder gar erzwungen werden können. Andererseits berücksichtigt es die theoretischen Folgen und die empirische Tatsache, dass Lernteilhabe, wenn sie allein einem ökonomischen Kalkül und einem sich selbst überlassenen Markt anheim gestellt würde, gemessen am Entwurf einer „lernenden Gesellschaft“ defizitär bleiben müsste. Lerninteressen, hinter denen keine kaufkräftige Nachfrage steht, würden nicht artikuliert, Weiterbildungsprogramme, die nicht vermarktbar sind, würden nicht entwickelt und der soziale Nutzen von Kompetenzentwicklung bliebe unberücksichtigt. Insofern sind „Supportstrukturen“ ein typisches Konzept des „dritten Sektors“, in dem der Dualismus von Markt und Staat aufgehoben wird.

Allerdings wurden das Plädoyer für Supportstrukturen und dahinter stehende Kooperationsstrategien lange Zeit nur postulatorisch gestützt. Mit der Feststellung von Marktversagen einerseits und Staatsversagen andererseits wurde die Notwendigkeit einer dritten Regulationsstrategie argumentativ untermauert. Theoretisch fand dies seinen Hintergrund in der Diskussion um Netzwerke. Der Netzwerkansatz untersucht Interaktionsstrukturen zwischen Einheiten und Akteuren, die nicht nur in atomisierten, monetär vermittelten Marktbeziehungen zueinander stehen, aber auch nicht in hierarchisch angelegten Machtverhältnissen agieren. Diese Ansätze wurden durch die Transaktionskostentheorie unterstützt, die besagt, dass Kosten der Anbahnung, der Vereinbarung, der Auswertung und der Anpassung zwischen Akteuren aufgebracht werden müssen, um den Austausch von Gütern und Diensten überhaupt erst zu ermöglichen (Williamson 1975).

Stützende Argumente können auch aus dem Zusammenhang der Institutionenökonomie genommen werden, die, ausgehend von den Beiträgen von Granovetter (1986), die „social embeddedness“ in den Mittelpunkt stellen. Hinzu kommen theoretische Plausibilitätsthesen aus dem Zusammenhang der Politiktheorie, welche nach den Voraussetzungen wohlstandssichernder gesellschaftlicher Entscheidungen fragen.

Als Lösung für neue gesellschaftliche Vermittlungs- und Entscheidungsformen wird die Idee der Netzwerke propagiert, als Alternative zu Markt und Staat. Weder monetäre noch hierarchische Verhältnisse stützen Netzwerke, sondern Kontextbedingungen wie Vertrauen, Anerkennung und gemeinsame Interessen. Über einzelne Kooperationsaktivitäten hinaus sind Netzwerke relativ kontinuierliche reziproke Kopplungen von weitgehend autonomen Akteuren. Sie setzen auf kulturelle Beziehungen, die sich nicht in monetären und nicht in hierarchischen Verhältnissen auflösen.

Die neuere Diskussion weist allerdings auf mögliche Probleme auch bei der Netzwerksteuerung hin (Faulstich 1997b). Die Problemlösungskapazität von Netzwerken ist eingeschränkt durch eine zu große Zahl von Akteuren, durch steigenden Zeitbedarf, durch fehlende institutionelle Kontinuität, durch Koordinationsprobleme und Verhandlungsaufwand; sowie durch die Tatsache, dass Macht und Konflikt in Netzwerken keineswegs aufgehoben sind, sondern sich möglicherweise noch verschärfen. Um also die Effizienz von Entscheidungsnetzwerken zu erhöhen, bedarf es notwendigerweise der Unterstützungsnetzwerke, welche die benannten Probleme minimieren. Entscheidungsnetzwerke sind beispielsweise Weiterbildungsräte, wie sie in den Weiterbildungsgesetzen von Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen vorgesehen sind. Unterstützungsnetzwerke dienen dagegen unmittelbar den Aktivitäten der Adressaten durch Werbung, Beratung und Qualitätssicherung.

Für den Weiterbildungsbereich haben wir die Argumentation für Unterstützungsnetzwerke mit dem Vorschlag von „Supportstrukturen“ aufgegriffen. Wenn man die Systematik der Transaktionskostentheorie zugrunde legt, geht es - bezogen auf das direkte Lerngeschehen - um Leistungen bezogen auf:

-    Anbahnung: Es muss gesichert werden, dass die Interessen an Lernen artikuliert und entsprechende Lernmöglichkeiten geschaffen werden;

-    Vereinbarung: Lernarrangements sind zu entwickeln, welche einerseits die Lernwünsche aufnehmen, sie andererseits institutionell unterstützen;

-    Durchführung: Eine Kontinuität des Lerngeschehens muss garantiert und personell wie ressourciell gewährleistet werden;

-    Überprüfung: Lernerfolge und Lernergebnisse müssen evaluiert und bezogen auf Qualität ausgewertet werden;

-    Anpassung: Lerninteressen und Lernarrangements bedürfen der permanenten Überprüfung und Revision, um eine „Verharschung“ der Institutionen und Programme zu vermeiden.

In einer neuen Phase in der Diskussion um Supportstrukturen geht es über argumentative Begründungen hinaus zumindest um Ansätze einer empirischen Auswertung. Wir haben entsprechende Daten im Zusammenhang der Evaluation des Vereins Weiterbildung Hamburg und der Weiterbildungsverbünde in Schleswig-Holstein erhoben (vgl. Faulstich/Grünhagen 1997; Faulstich/Vespermann/Zeuner 2000). Zur Zeit untersuchen wir im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft bundesweit die Arbeit von Netzwerken zum lebensbegleitenden Lernen. Die bisherigen empirischen Studien belegen, dass sowohl die Mitwirkenden in den Verbünden als auch beteiligte Unternehmen ein großes Interesse an der Bereitstellung von Supportstrukturen haben.

Fallbeispiele

Der 1994 gegründete Verein Weiterbildung Hamburg e.V. ist ein Beispiel für ein regionales Unterstützungsnetzwerk, das für die Bereiche Information, Beratung und Qualität zuständig ist. Generelles Ziel ist die Förderung der Weiterbildung in Hamburg, die Satzung legt vier Aufgabenbereiche fest:

-    Information und Beratung zu allen Bereichen der Weiterbildung anbieten und verbreiten mit dem Ziel, das Weiterbildungsangebot für alle interessierten Personen transparent zu machen;

-    für Weiterbildung in Hamburg werben;

-    die Qualität in der Weiterbildung fördern und sichern;

-    Teilnehmende vor unangemessenen Vertragsbedingungen schützen.

Mit dieser Zielsetzung hat der Verein Weiterbildung Hamburg ein adressatenorientiertes Profil, das vor allem auf den Verbraucherschutz abstellt. Im Mittelpunkt seiner Aktivitäten steht die Ansicht, im Interesse der Teilnehmenden Transparenz herzustellen und Qualität zu sichern.

Ähnliche Zielsetzungen und Aufgaben verfolgen auch die zehn regionalen Weiterbildungsverbünde in Schleswig-Holstein, die 1998 auf Initiative des Landes unter Rückgriff auf Erfahrungen aus den späten achtziger Jahren gegründet worden waren. Sie sollen die Kooperation zwischen den verschiedensten Weiterbildungsakteuren der allgemeinen, politischen und beruflichen Weiterbildung intensivieren, die Information über Weiterbildungsangebote verbessern, ein Beratungsangebot vorhalten sowie die Qualität des Angebots sichern.

Zur Zeit existieren zehn Weiterbildungsverbünde mit unterschiedlichem Aktivitätsspektrum und Entwicklungsstand: Dithmarschen, Flensburg, Kiel, Lübeck, Mittelholstein/Neumünster, Nordfriesland, Pinneberg, Segeberg und Steinburg. Sie werden mit Landesmitteln und Geldern der Europäischen Union gefördert; im Jahr 1999 unterstützte das Land Schleswig-Holstein die Verbünde mit 1,4 Millionen DM.

Die Weiterbildungsverbünde sollen einen Beitrag zum Aufbau einer regionalen Lernkultur leisten, in der Weiterbildungsinteressen aufgenommen, Weiterbildungsmotivation gefördert und Weiterbildungsrestriktionen abgebaut werden. In diesem Zusammenhang wurden im Rahmen der Evaluation die Effektivität der Arbeit der Verbünde und ihr Leistungsspektrum bezogen auf Kooperation und Koordination, ihre Informations- und Beratungsleistungen sowie die Qualitätssicherung untersucht (vgl. Zeuner 2000).

Der Aufbau der Kooperationsbeziehungen gestaltet sich in den einzelnen Verbünden unterschiedlich. Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die bis dahin auf dem Weiterbildungsmarkt konkurrierenden Weiterbildungsträger einen längeren Willensbildungs- und Zielfindungsprozess durchlaufen mussten, um zur fruchtbaren Zusammenarbeit ein Vertrauensverhältnis aufzubauen - ein Prozess, der noch nicht überall abgeschlossen ist.

Ein wichtiger Vorteil für die Mitglieder der Verbünde liegt in der Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit durch die Verbundträger. Die stärkere Präsenz des Themas Weiterbildung über die regionale Presse, die Teilnahme an Lernfesten und Messen, der Aufbau von Internetseiten usw. sind positiv zu bewerten. Einer Ausweitung des Beratungsangebots wird mit Zurückhaltung begegnet, obwohl Beratung als eine der Schlüsselaufgaben im Rahmen von Supportstrukturen gilt. Über sie können Adressaten gezielt angesprochen und motiviert, Zugangsbarrieren durch die direkte Kommunikation abgebaut und die Teilnahme an Weiterbildung vorbereitet werden.

Qualitätssicherung kann wichtige Aufgaben übernehmen, wenn im Sinne der Verbraucher und auch der Einrichtungen für Informationen, Beratung, Durchführung von Veranstaltungen Absprachen getroffen werden. Sie sollte sowohl im Vorfeld als auch nachträglich die im Rahmen der Weiterbildung angebotenen Funktionsbereiche berücksichtigen. Im Bereich der Qualitätssicherung steht die Arbeit der Verbünde in Schleswig-Holstein erst in ihren Anfängen. Es existieren noch kaum Absprachen, die einen Gesamtverbund betreffen.

Supportstrukturen, wie sie in Hamburg über den Verein Weiterbildung, in Schleswig-Holstein über die Weiterbildungsverbünde und in anderen Regionen ebenfalls über Netzwerke oder auch einzelne Beratungsangebote institutionalisiert wurden, sind ein möglicher Weg, den ungeregelten Weiterbildungsmarkt transparenter und für die Verbraucher über die verschiedensten Funktionsbereiche leichter zugänglich zu machen. Für die Zukunft ist es wichtig, Supportstrukturen weiter auszubauen. Dabei sollte sichergestellt werden, dass

-    ihre Institutionalisierung in Abgrenzung zu einzelnen Trägerinteressen erfolgt;

-    Aufgabenprofile stärker akzentuiert werden;

-    Aufgabenbereiche institutionell konzentriert werden;

-    der gesamte Bereich der Weiterbildung im Sinne lebenslangen Lernens berücksichtigt wird;

-    Supportstrukturen finanziell abgesichert werden, um Kontinuität zu erreichen.

Ein Erfolg versprechender Weg zum Ausbau von Supportstrukturen scheint die Unterstützung von Weiterbildungsnetzwerken, wie er auch in dem Aktionsprogramm „Lebensbegleitendes Lernen für alle“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung angestrebt wird. Dabei geht es darum, „lernende Regionen" über die Gründung von Netzwerken zu unterstützen, mit dem Ziel, das regionale Lernangebot qualitativ und quantitativ so zu verändern, dass auch bisher bildungsungewohnte Bevölkerungsgruppen verstärkt angesprochen werden. Selbstorganisierte Lernprozesse sollen durch die Unterstützung der Netzwerke einen höheren Stellenwert bekommen. Die verschiedensten Akteure einschließlich der kleinen und mittleren Betriebe sollen stärker in regionale Weiterbildungsaktivitäten einbezogen werden. Lebensbegleitendes Lernen in Netzwerken soll sich dabei auf alle Bildungsbereiche, nicht nur die berufliche Weiterbildung, beziehen. Dies ist ein Ansatz, um „regionale Lernkulturen“ zu realisieren.

Literatur

Faulstich, P.: Dienstleistungen für die Erwachsenenbildung. In: Hessische Blätter für Volksbildung, 47(1997a), S. 193-195
Faulstich, P.: „Netze“ als Ansatz regionaler Qualifikationspolitik. In: Dobischat, R./ Husemann R.(Hg.): Berufliche Bildung in der Region. Berlin 1997b, S. 53-64
Faulstich, P./ Grünhagen M.: Support-Strukturen als öffentlich gestützter Trägerverbund. Hamburg 1997
Faulstich, P./ Teichler U. u.a.: Bestand und Perspektiven der Weiterbildung. Das Beispiel Hessen. Weinheim 1991
Faulstich, P./ Teichler U. u.a.: Bestand und Entwicklungsrichtungen der Weiterbildung in Schleswig-Holstein. Weinheim 1996
Faulstich, P./ Vespermann P. / Zeuner C.: Evaluation des Weiterbildungskonzepts in Schleswig-Holstein. Abschlussbericht. Hamburg, Januar 2000
Faulstich, P./ Zeuner C.: Lernkulturen in regionalen Netzwerken. In: Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung 44, 1999, S. 58-67
Granovetter, M.: Economic Action and Social Structure: The Problem of Embeddedness. In: American Journal of Sociology (1986), S. 481-510
Jochimsen, F.: Theorie der Infrastruktur. Tübingen 1996
Teichler, U.: Der Stellenwert von Unterstützungsstrukturen in der Weiterbildung. In: Hessische Blätter für Volksbildung 47 (1997), S. 240-251
Wegge, M.: Qualifizierungsnetzwerke - Netze oder lose Fäden? Opladen 1996
Williamson, O.E.: Markets and Hierarchies: Analysis and Antitrust Implications. New York 1975
Zeuner, C.: Weiterbildungsverbünde als Impuls für die berufliche Weiterbildung. In: P. Faulstich (Hg.): Innovation in der beruflichen Weiterbildung. Tagungsband der 11. Hochschultage berufliche Bildung 2000 in Hamburg vom 22. bis 24. März (erscheint im Herbst 2000)


Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Juli 2000

Peter Faulstich, Christine Zeuer, Lebensbegleitendes Lernen in Netzwerken. Online im Internet:
URL: http://www.diezeitschrift.de/32000/positionen1.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp