DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

WebQuests in der Erwachsenenbildung

Zu Methode und didaktischem Mehrwert gezielten Internet-Einsatzes

von Markus Lermen und Uwe Wieckenberg

Abstract:

Etwas mehr als zehn Jahre nach der Einführung des WorldWideWeb (WWW) hat das Internet einen hohen Verbreitungsgrad in westlichen Industriegesellschaften erreicht. Inzwischen gibt es kaum noch einen gesellschaftlichen Bereich, der von der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikations­technologie und der wachsenden Bedeutung des Internets nicht betroffen ist. Insbesondere im Bildungs- und Weiterbildungsbereich sind die Veränderungen in der heutigen (Wissens-)Gesellschaft unübersehbar. Indiz dafür ist, dass eine Internet-Kompetenz heute als neue kulturelle Basisfertigkeit (Kulturtechnik) oder Schlüsselqualifikation angesehen wird.

In diesem Artikel soll daher eine Methode vorgestellt werden, wie das Internet nachhaltig in Bereich der Erwachsenenbildung eingesetzt werden kann.

Einleitung

In der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft und der damit verbundenen Aufforderung zum Lebenslangen Lernen spielen die gezielte Suche nach Informationen und ihre Bewertung eine immer größere Rolle: »Die Informationsbeschaffung und -verteilung, das allgemeine und individuelle Informationsmanagement, sind zur existentiellen Frage in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft geworden« (Busch 2000). Medienkompetenzen werden daher immer mehr als notwendige Schlüsselqualifikation bzw. kulturelle Basisfertigkeiten angesehen, auch um aktive am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.

Das Internet bietet als Informationsquelle einen rasch wachsenden Bestand an qualitativ sehr variablen Informationen. Eine steigende Ausstattung der Bildungseinrichtungen mit vernetzten und internetfähigen Computern führt jedoch nicht zwangsläufig zu Verbesserungen, sondern stellt die Dozent(innen) und auch die Lerner(innen) vor neue Herausforderungen. Um Computer und Internet sinnvoll und nachhaltig nutzen zu können bedarf es neuer Konzepte, welche speziell im Bereich der Erwachsenenbildung an den Grundlagen eines konstruktivistisch-problemorientierten und damit erwachsenengerechten Unterrichts orientiert sein sollten (vgl. Abschnitt 4).

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es an didaktischen Modellen zur nachhaltigen Nutzung des Internet als Bildungsmedium mangelt. Insbesondere im deutschsprachigen Raum gibt es wenig Überlegungen zu einer Didaktik des Internets (vgl. Lehmann/Bloh 2002, Moser 2000; Staiger 2001). Ausnahmen sind Versuche, Zugänge zu Wissensressourcen im Internet in die Gestaltung von Lernumgebungen einzubeziehen (z. B. Forneck 2001). In einem solchen Kontext wäre auch das in den USA von Dodge und March entwickelte Konzept der WebQuests (WQs) erwachsenengerecht platziert. Es wurde gezielt für den Einsatz im schulischen Unterricht entwickelt und am Pestalozzianum in Zürich (vgl. Moser 2000) für Schweizer Schulen spezifiziert; erwachsenendidaktische Aspekte sind u.E. bisher noch nicht berücksichtigt worden.

Definition: Was sind WebQuests?

WebQuests bieten eine Möglichkeit, wie im Unterricht oder in Seminaren sinnvoll mit dem Internet gearbeitet werden kann. Nach Seufert et al. können sie als eine spezielle Form der »Methode der Fallbearbeitung« (2001, S. 120) betrachtet werden. Als Begründer dieser Methode gelten dabei die beiden Amerikaner Bernie Dodge und Tom March von der San Diego State University (vgl. Dodge 1995; March 1998). Ursprünglich wurden WebQuests von Dodge folgendermaßen definiert:

»A WebQuest is an inquiry-oriented activity in which some or all of the information that learners interact with comes from resources on the internet, optionally supplemented with videoconferencing« (Dodge 1995).

Nach Gerber (2000) sind WebQuests eine adäquate Methode, um sinnvoll mit PC und Internet zu arbeiten. Zielgruppe sind in erster Linie unerfahrene Lerner(innen), welche vor der »Informationsflut« des Internets bzw. WWW geschützt werden sollen, um so der Gefahr eines cognitive overload begegnen zu können. Die Methodik beruht darauf, dass die Lerner(innen) »in relativ vorstrukturierter Form Informationen zu klar umrissenen Themen aus unterschiedlichen Informationsquellen recherchieren und diese für eine abschließende Präsentation aufbereiten« (Staiger 2001, S. 52). Nach Moser (2000) lassen sich WebQuests wie folgt definieren:

»Ein WebQuest ist eine entdeckungsorientierte Aktivität, bei welcher die meisten oder alle Informationen, die von den Lernenden benützt werden, aus dem Web stammen. WebQuests werden geplant, um die Zeit der Lernenden gut zu nutzen, den Akzent auf die Nutzung der Informationen und nicht auf die Suche nach ihnen zu legen, und um das Denken der Lernenden auf den Ebenen der Analyse, der Synthese und der Evaluation zu unterstützen«. (Moser 2000, S. 26)

WebQuests können inzwischen als eine (im schulischen Bereich) erprobte Methode zur Informationsrecherche unter Einbeziehung des Internets angesehen werden, welche die ansonsten häufig auftretenden Probleme der Informationsrecherche im Internet (z.B. lost in hyperspace, Qualität der Informationen, zeitlicher Rahmen etc.) zu vermeiden hilft (vgl. Staiger 2001).

Einsatzbereiche von WebQuests

Kennzeichen der WebQuest-Rezeption im deutschsprachigen Raum ist das Verbleiben im ursprünglichen Anwendungsraum Schule. Es wird zwar häufig betont, dass WebQuests mit der Grundschule beginnend in allen Schularten und in der Erwachsenenbildung unabhängig vom Unterrichtsfach eingesetzt werden können (vgl. Gerber 2002, Moser 2000), jedoch sind in der Literatur keine Anwendungsbeispiele auffindbar.

Einer der wenigen Hinweise auf eine mögliche Adaption in der Erwachsenenbildung findet sich bei Seufert et al. (2001, S. 120 ff.). Hier werden WebQuests als lernerzentrierte Methode geschildert, bei der die Bearbeitung spezifischer Problemstellungen mit Hilfe von Informationsressourcen des Internets in einen pädagogischen Rahmen gestellt wird. Der Lehrende übernimmt hier die Rolle eines »Online-Tutors«, der die Lerner(innen) bei der Bearbeitung der Aufgabenstellungen unterstützt und individuelles Feedback geben kann.

Die Eignung dieser Methode für einen Einsatz in der Erwachsenenbildung wird bereits bei einer bloßen Auflistung deren Spezifika deutlich:

Lerntheoretische Grundlagen

Die Verwendung des Internets als Unterrichtsmethode durch WebQuests besitzt eine hohe Affinität zu Formen eines problemorientierten, selbstgesteuerten Lernens. Dementsprechend beruhen WQs auf einem Modell eines problemorientierten, konstruktivistischen Lernens, bei welchem die zentralen Prozessmerkmale der konstruktivistischen Auffassung vom Lehren und Lernen (vgl. Mandl/Reinmann-Rothmeier 2000) [1] berücksichtigt sind. In Kombination mit einem handlungsorientierten Unterricht (vgl. Arnold/Müller 1993) wird so ein handlungsorientiertes, selbstgesteuertes Lernen möglich, welches den Anforderungen an eine Erwachsenenbildung gerecht wird. WebQuests stellen damit eine didaktische Methode zur Förderung von handlungsorientiertem selbstgesteuerten Lernen dar.

Beim handlungsorientierten Lernen stehen die Lerner(innen) im Mittelpunkt der Betrachtung, d.h. die Vermittlung von Wissen tritt gegenüber der Moderation und der Beratung von Lerner(innen) in den Hintergrund. Zu Beginn jeder Lerneinheit (LE) wird eine Problemstellung angegeben, welche das Lernziel des jeweiligen Moduls beinhaltet. Diese Problemstellung kann sowohl in Einzel- als auch in Gruppenarbeit gelöst werden. Zum Ende jeder LE werden die Lösungen der Arbeitsaufträge den Lerner(innen) präsentiert und anschließend diskutiert.

Methodik

Mit dem WebQuest-Verfahren liegt nunmehr eine Methode vor, wie das Internet als Informationsquelle sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden kann. Neben dem Internet als »größter Enzyklopädie der Welt« können dabei allerdings auch noch andere Informationsquellen verwendet werden. Den Lerner(innen) wird somit verdeutlicht, dass das Internet nur eine weitere »sinnvolle Informationsquelle neben ‚herkömmlichen’ Quellen wie Zeitschriftenartikeln, Büchern, Lexika und CD-ROMs darstellt« (Staiger 2001, S. 52).

Im Unterschied zu amerikanischen Konzepten, welche didaktisch-methodische Hinweise für Lehrer(innen) betonen, liegt der Fokus bei der deutschsprachigen WebQuest-Methodik weniger auf dem didaktischen Prozess, sondern vielmehr in der selbständigen Konstruktion von Wissenswelten durch die Lernenden, wobei sich die jeweilige Vorgehensweise einzelner Autoren stark ähneln (vgl. Moser 2000, Gerber 2002, Mai/Meeh 2002):

  1. Stufe:
    Darstellung eines für die Lernenden motivierenden und ansprechenden und anschaulich aufbereiteten Themas und damit verbundenen Problem- und Fragestellungen.
  2. Stufe:
    Eine aus der Thematik abgeleitete Aufgabenstellung, die in Umfang und Komplexität der Zielgruppe angemessen gewählt werden sollte.
  3. Stufe:
    Zur adäquaten Bearbeitung der Aufgabenstellung werden Ressourcen (Internet-Links, Print-Materialien, Software) bereitgestellt.
  4. Stufe:
    Im nun anschließenden Lern- bzw. Erschließungsprozess stehen die Lehrenden den Lernenden beratend zur Seite und bieten diesen bei Bedarf Unterstützung zur Lösung der gestellten Aufgaben.
  5. Stufe:
    Am Ende des WebQuests haben die Lernenden Gelegenheit zur Reflexion ihres Lern­prozesses; sie erhalten Feedback des Lehrenden.
  6. Stufe:
    Präsentation der Ergebnisse der (Gruppen-)Arbeiten in der Lerngruppe oder Publikation im Internet.

Bis auf die letzte Stufe erinnert dieses Vorgehen an das »Modell der vollständigen Handlung«, einer der theoretischen Begründungen für den Einsatz der Leittextmethode in der Berufspädagogik.

Für das in Abschnitt 6 skizzierte Projekt haben wir die Methode leicht variiert und an die spezifischen Bedingungen in der Erwachsenenbildung angepasst. So schließt sich an die Präsentation der Arbeitsergebnisse die Reflexion bzw. moderierte Diskussion in der Lerngruppe an, bevor der Lerntransfer mit Hilfe einer Projektarbeit praktisch vorbereitet und unterstützt wird.

Abb. 1: WebQuests innerhalb der Lernschleife eines handlungsorientierten Unterrichts (vgl. Arnold/Müller 1993)

Anwendung: VHS-Projekt »OnMode«

In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Kaiserslautern haben die Autoren ein betreutes, online-basiertes Weiterbildungsseminar [2] entwickelt, das aus einer Kombination von Online- und Präsenzphasen besteht. Mit Hilfe einer angepassten WebQuest-Methodik sollen die Teilnehmerinnen – Kursleiterinnen in oder am Ende ihrer Familienphase – zum einen den sinnvollen Umgang mit dem Informationsangebot im Internet erlernen und zum anderen die Vor- und Nachteile verschiedener medialer Lernformen gewissermaßen »am eigenen Leibe« erfahren, um später E-Learning-Komponenten in ihr Kursangebot aufnehmen zu können. Die in verschiedenen Lernmodulen bereitgestellten Selbstlernmaterialien werden nicht in isolier­tem Einzellernen, sondern durch eine kommunikative Form von E-Learning (synchrone und asynchrone Kommunikation in einer virtuellen Kursumgebung) in Verbindung mit Präsenz­phasen bearbeitet.

Diesem spezifischen Blended Learning-Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass die Bestandteile des Lernangebotes immer von den Rahmenbedingungen des sich jeweils stellenden didaktischen Problems abhängen und die besondere Qualität eines Lernangebotes vor allem in der Kom­bination unterschiedlicher medialer und methodischer Umsetzungen zum Tragen kommt, und nicht, dass bestimmte Medien – in diesem Fall das Internet – an sich vorteilhaft gegenüber anderen seien (vgl. Kerres 2002).

Schlussbemerkung

Ein implizites Ziel der Verwendung von WebQuests liegt darin, den Lerner(innen) neben den fachlichen Inhalten auch Medien- und Methodenkompetenzen zu vermitteln, welche zu einer eigenständigen Auseinandersetzung mit Informationsressourcen befähigen. Dabei sollen mit dem Einsatz des Internets als neuem Lernmedium nicht »alte Medien« (z.B. Printmedien) vollständig ersetzt, sondern in sinnvoller Art und Weise ergänzt werden, um so den Lerner(innen) ein möglichst breitgefächertes Informationsangebot zu ermöglichen. Erst in einem solchen sinnvollen Einsatz liegt der didaktische Mehrwert des Einsatzes von Internet und Computer.

Literatur

Arnold, R./ Müller, H. (1993): Handlungsorientierung und ganzheitliches Lernen in der Berufsbildung – 10 Annäherungsversuche. In: Erziehungswissenschaft und Beruf, H. 4, S, 323-333.

Busch, R. (2000): Das Internet - ein Medium für vernetzte Bildung. In: Pädagogische Führung (PädF, Zeitschrift für Schulleitung und Schulberatung), 11. Jg., H. 4, S. 174-180.

Dodge, B. (May 5, 1997): Some Thoughts About WebQuests [WWW document]. San Diego State University URL: http://edweb.sdsu.edu/courses/edtec596/about_webquests.html

Forneck, H.J. (2001): Professionelle Strukturierung und Steuerung selbstgesteuerten Lernens. In: Dietrich, S. (Hrsg.): Selbstgesteuertes Lernen in der Weiterbildungspraxis. Bielefeld, S. 239-247.

Gerber, S. (2002): Einführung in die WebQuest-Methode [WWW document]. URL: http://webquests.de/eilige.html

Kerres, M. (2002): Didaktische Konzepte für erfolgreiches E-Learning. In: K. Schwuchow/ J. Gutmann (Hrsg): Jahrbuch Personalentwicklung und Weiterbildung. Neuwied/Kriftel, S. 131-139.

Lehmann, B./ Bloh, E. (2002): Online-Pädagogik. Hohengehren.

Mai, M./ Meeh, H. (2002): WebQuests (sowi-online-Methodenlexikon) [WWW document]. URL: http://www.sowi-online.de/nav_css_js/index-n.htm?/methoden/lexikon/webquests-meeh.htm

March, T. (September 10, 1998): Why WebQuests? - an introduction [WWW document]. URL: http://ozline.com/webquests/intro.html

Moser, H. (2000): Abenteuer Internet. Lernen mit WebQuests. Zürich.

Reinmann-Rothmeier, G./ Mandl, H. (2000): Neues Lernen mit neuen Medien. Multimedia in der Aus- und Weiterbildung. In H. Hoffmann (Hrsg.), Deutsch global. Neue Medien – Herausforderungen für die Deutsche Sprache? Köln, S. 127-148.

Seufert, S./ Back, A./ Häusler, M. (2001): E-Learning - Weiterbildung im Internet: das "Plato-Cookbook" für internetbasiertes Lernen". Kilchberg.

Staiger, Stefan (2001): "WebQuests", Eine didaktische Methode zum Interneteinsatz: Unterrichtsprojekte am technischen Gymnasium und in der Berufsschule. In: Computer und Unterricht, Heft 44, S. 52-56



[1]     Das Konzept des problemorientierten Lernens dient dazu aktiv-konstruktives Lernen, den Erwerb anwendungsbezogenen Wissens sowie Selbststeuerung und Kooperation zu ermöglichen. Eine Lernumgebung ist problemorientiert, wenn »sich Lernen auf komplexe Problemstellungen bezieht, die authentisch und für die Lernenden und ihren Arbeitskontext relevant sind, die Aktualität und Brisanz besitzen, die neugierig machen und Fragen aufwerfen« (Reinmann-Rothmeier/ Mandl 2000, S. 137).
[2]     »OnMode – Online Moderation als neues Lehr- und Lernkonzept für Frauen in der Weiterbildung«.

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Juli 2003

Markus Lermen, Uwe Wieckenberg, WebQuests in der Erwachsenenbildung. Online im Internet:
URL: http://www.diezeitschrift.de/32003/lermen03_01.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp