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Tagung „Wissensnetze der Zukunft" 2002
Wissen durch Handeln – Bildung als Erlebnis

Natur erleben – Zukunft mitgestalten
Abenteuer Leben: von inneren und äußeren Aufbrüchen

Anke Schlehufer (Naturerlebniszentrum NEZ Burg Schwaneck)

 

Anhand einer Auswahl von Dias aus meiner Praxis möchte ich Ihnen veranschaulichen, wie ein Lernen in und mit der Natur, unterstützt durch erlebnispädagogische Methoden so gestaltet werden kann, dass es meiner Erfahrung nach die Motivation und Fähigkeit fördert, sich für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu engagieren.

 

1. Aufbrechen, sich auf den Weg machen, Gewohntes verlassen, um sich für Neues zu öffnen, für die Lernchancen, die das Abenteuer, das Ungeplante und Ungewisse für uns bereithält. Es braucht die Kraft und den Mut der Jugend, des Jugendlichen in uns, um Grenzen zu erforschen und Neues in die Welt zu bringen. Unterwegs Sein ist das Ziel.

2. Wenn wir uns bemühen, achtsam mit allen Sinnen wahrzunehmen, was uns auf unserer Reise begegnet, werden wir staunen, wie viele kleine Wunder sich überall am Wegesrand zeigen. Was würde aus der Vielfalt des Lebens werden, wenn wir sie nicht wahrnehmen und wertschätzen würden?

3. Lieblingsplätze in der Natur finden und den Qualitäten des Seins nachspüren. In der Natur entspannt und öffnet sich unsere Seele, denn sie weiß, die Natur ist unser Ursprung und unser Zuhause. Von der Natur können wir lernen wie aus einem Spiegel, ohne mehr dafür zu tun als offen und achtsam zu sein.

4. Sich aufeinander einlassen und Vertrauen gewinnen ist notwendige Voraussetzung um voneinander und miteinander zu lernen. Wir alle brauchen verlässliche Gefährten auf unserem Weg in dieser Welt.

5. Wie gelingt es uns als Gruppe das „Spinnennetz" ohne Berührungen zu passieren, um rechtzeitig zum „Turm der Weisen" zu gelangen? Kooperative Abenteuerspielgeschichten eignen sich hervorragend, um mit Herausforderungen und Hindernissen spielerisch umgehen zu lernen, das eigene Verhalten sowie Gruppenprozesse exemplarisch zu erleben, zu reflektieren und Alternativen zu erproben.

6. Verantwortung übernehmen für sich selbst und für andere ist eine wichtige Schlüsselkompetenz. Um Zukunft mitgestalten zu können, müssen wir die Erfahrung machen, das wir handlungsfähig und verlässlich sind, gerade auch in Situationen, die Mut und Konzentration erfordern. Der Aufbruch zu neuen Ufern gelingt, wenn wir ein gutes Gleichgewicht zwischen Autonomiestreben und lebenserhaltender Abhängigkeit finden können.

7. Für unsere gemeinsame Fahrt auf dem Fluss brauchen wir ein tragfähiges Floß. Aus nachwachsenden Rohstoffen und wiederverwendbaren Materialien versteht sich. Neben Planungskompetenz, Organisationstalent und Kreativität sind kommunikative und soziale Fähigkeiten, ja Teamgeist gefragt: die Jugendlichen sind aus verschiedenen Ländern und die sprachliche Verständigung ist begrenzt.

8. Das Abenteuer wartet vor der Haustür. Wir müssen nicht in ferne Länder reisen, um unser Bedürfnis nach äußeren und inneren Aufbrüchen, nach Wildnis und Abenteuer sowie nach einer tragenden Gemeinschaft mit anderen Menschen zu befriedigen. Ein Biwak am Ufer des Flusses auf dem wir unterwegs sind, kann uns Sternstunden schenken, die unser Leben tief bereichern.

9. Die Natur bietet unerschöpfliche Möglichkeiten, den Perspektivwechsel zu üben. Hinter dem Wasserfall sieht die Welt draußen wie durch einen Schleier betrachtet, völlig anders aus und wir stellen uns die Frage nach der Wirklichkeit. Die Kraft und das Zusammenspiel der Naturelemente erfahren ist lebensnotwendige Voraussetzung, um eine Ahnung wesentlicher Zusammenhänge zu bekommen.

10. Eine Reise ins Innere der Erde gleicht einer Erkundungstour in die eigene Vergangenheit, in andere Dimensionen des Menschseins, in archaische Welten, in die eigenen Tiefen und inneren dunklen Räume. So eine Reise eignet sich gut, die Sprache der Stille wieder zu entdecken, dem Geheimnis der Klangwelten und der Resonanz nachzuspüren.

11. Was ist ein Menschenleben angesichts der Zeitdimensionen, die wir in der Natur, insbesondere in Höhlen mit unseren Sinnen wahrnehmen können? Und wie kostbar ist zugleich so ein Augenblick der Begegnung mit einem Jahrhundertealten Exentrique-Tropfstein!

12. Wir brauchen Naturerfahrungen, um die Gesetze des Lebendigen erspüren zu können. Das Gesetz von Werden und Vergehen, Wandlung und Neubeginn, eine mehrtägige Höhlentour mit Biwak in der Dunkelheit mag eine Ahnung davon zu wecken.

13. Die Begegnung mit dem Anderen der Natur ist nicht planbar, sie bricht herein, unverhofft, als lebenswendendes Erlebnis manchmal. Zeit und Stille sind allerdings Voraussetzung dafür und so können wir LeiterInnen wenigstens das Setting so gestalten, dass es gleichermaßen Zeiten der Aktion wie auch der Kontemplation und Reflexion gibt, Zeiten für die Gemeinschaft wie für das Alleinsein, Zeiten für die Begegnung mit mir selbst wie Zeiten für die Begegnung mit anderen Menschen und Zeiten für die Begegnung mit der Natur.

14. Eindruck braucht Ausdruck. Kunst in und mit der Natur – auch Landart genannt - lässt uns in einen spielerischen und kreativen Dialog mit den Elementen, mit innerer und äußerer Natur treten. Die Kunstwerke sind oft Symbole, Metaphern, Ausdruck seelischer Bewegungen, die wir durch Haikus - eine einfache Gedichtform aus Japan - vertiefen können. Oftmals staunen wir nachträglich über die tiefe Weisheit und Heilkraft unserer Seele.

Brücken bauen braucht zwei
Zumindest. Die Beziehung
Sichtbar werden lassen.

Brücken verbinden.
Das Wesentliche leuchtet
Durch die Bögen durch.

 

15. Erfahrungen, insbesondere tiefgreifende Erlebnisse der Allverbundenheit mit dem Lebendigen wie sie in der Natur immer wieder spontan geschehen, wollen in der menschlichen Gemeinschaft mitgeteilt und gewürdigt werden. So gewinnen sie das Gewicht der Wirklichkeit, um uns im Alltag zu begleiten, uns Halt und das Gefühl für Wesentliches zu geben.

16. „Gut Leben statt viel Haben" – ein einfaches und doch grundlegendes Motto für einen zukunftsfähigen Lebensstil – bedeutet, sich auf seine wirklichen Bedürfnisse besinnen und sie angemessen befriedigen zu lernen. Der viele materielle Konsum ist eher hinderlicher Ballast auf der Suche nach Zufriedenheit und erfüllender Entfaltung. Ein zukunftsfähiger Lebensstil ist zugleich ein Gewinn an Lebensqualität und ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und Frieden in der Welt. Selbst Erproben wie andere Menschen auf der Erde leben ist ein erster Schritt zu mehr Mitgefühl, ganzheitlicherem Denken und hoffentlich auch handeln.

17. Wie wir unser Zusammenleben in dieser Welt, unsere Kultur, gestalten wollen, können wir nur im täglichen Dialog miteinander klären und erproben. Die Partizipation aller an den gesellschaftlichen Prozessen bedarf sowohl geeigneter Strukturen wie auch der von Kindheit an geübten Fähigkeit, sich konstruktiv zu beteiligen. Der tägliche Lagerrat ist das Zentrum eines lebendigen Gemeinschaftslebens.

18. Das Interesse für Zusammenhänge entsteht durch gemeinsames Handeln – wie in dieser Umweltbaustelle mit Jugendlichen für den kaputten Bergwald. Wissen wächst durch die aktive Auseinandersetzung mit den konkreten Problemen.

19. Wissen wird uns auch zugänglich durch bewusstes Sein. Die Gestaltung gemeinsamer Rituale in und mit der Natur hilft uns unser tiefes Wissen um die Zusammenhänge des Lebendigen miteinander zu teilen und sichtbar werden zu lassen. Das Bewusstsein, dass wir Teil sind und teilhaben am großen Wunder des Lebens gibt uns Orientierung, Sinn und Kraft zum Handeln.

20. Die Zukunft beginnt heute. Das von Jugendlichen gestaltete Großplakat zur Agenda 21 zeigt, dass es sowohl auf jeden einzelnen von uns ankommt, seinen ganz persönlichen Beitrag zu erkennen und zu leisten wie auf die gemeinsame Vision einer zukunftsfähigen Kultur, die wohl nur im Einklang mit unserer inneren und äußeren Natur wachsen kann.

21. Die zentrale Frage ist für mich: was können wir Menschen der Erde, die uns täglich beschenkt, zurückgeben, was können wir zur schöpferischen Evolution des Kosmos beitragen, damit die Erde durch unser Sein und Tun reicher und blühender wird als ohne uns Menschen? Was ist unser spezifischer menschlicher Beitrag zum Wohl und zur Entfaltung des Ganzen?