Auf die deutsche Weiterbildung wirken neben Ländergesetzen, auch Bundes- und europäische Gesetze. Hier erhalten Sie eine Übersicht über die relevanten Gesetze für die deutsche Weiterbildung, wichtige politische Initiativen und Diskussionen in diesem Handlungsfeld.

Recht der Weiterbildung und politische Strukturen

Eine Betrachtung der gesetzlichen Grundlagen der Weiterbildung in Deutschland muss das politische System berücksichtigen. Gesetze und Verordnungen werden im politischen System entwickelt, verabschiedet und umgesetzt. Dabei gibt es nicht „die Politik“, sondern es ist zu unterscheiden zwischen dem Handeln der politischen Institutionen und dem Handeln der Verwaltung auf den unterschiedlichen Ebenen. Niklas Luhmann hat diese Trennung bereits in den 1960ger Jahren beschrieben: „Politisches Handeln dient im wesentlichen dazu, die Komplexität der gesellschaftlichen Möglichkeiten soweit zu reduzieren, dass verbindlich und ohne das Risiko erheblichen Widerstandes entschieden werden kann. Die Verwaltung befasst sich dagegen mit der Ausführung des politisch Möglichen und Notwendigen durch Ausarbeitung verbindlicher Entscheidungen nach Maßgabe schon festliegender…Entscheidungsprämissen.“ (Luhmann 2010, S. 126). 1

Es ist dabei nicht zwangsläufig von einem einheitlichen rationalen Handeln in Politik und Verwaltung im Sinne einer Einheit von Zweck und Mitteln oder von Vorgabe und Umsetzung auszugehen.2 Mit der Entscheidung über ein Gesetz wird zwar der Möglichkeitsraum eingeschränkt, es stehen bei der Ausführung des Gesetzes aber immer noch eine Vielzahl von möglichen handlungs- und Entscheidungsoptionen zur Verfügung. Daher sind neben den Gesetzen zur Weiterbildung auch Verordnungen, spezifische Ausführungsregelungen, die Rechtsprechung und Programme – vor allem Finanzierungsprogramme, wie beispielsweise das Programm des BMBF zu den „Lernenden Regionen – sowie auch eingeübte Verfahren und die Zuständigkeitsverteilungen von Bedeutung.

Die Notwendigkeit Gesetze zur Regelung der Weiterbildung zu erlassen wird allgemein aus dem Grundgesetz abgeleitet. (vgl. Nagel/Tiedtke 2007, S. 10ff; Faulstich/Haberzeth 2007, S. 45ff). Diese Ableitung erfolgt aber indirekt über die Auslegung einzelner Artikel des Grundgesetzes (insbes. die Art. 2, 3, 12 u. 20 GG). In den Landesverfassungen einiger Bundesländer wurde die Förderung der Weiterbildung ausdrücklich festgeschrieben. Auf der europäischen Ebene wurde die Weiterbildung im Vertrag von Maastricht berücksichtigt. Nagel/Tiedtke stellen aber mit Bezug auf Richter (1993) fest, dass sich daraus keine subjektiven Rechte „im Sinne eines einklagbaren Anspruchs“ (2007, S. 12) ergeben.

Die Aufnahme der Weiterbildung als unverzichtbarer Teil des Bildungssystems in Deutschland wurde erstmalig 1970 im „Strukturplan für das Bildungswesen“ des deutschen Bildungsrates vorgenommen. Noch heute stellen diese Ausführungen eine wesentliche Grundlage für die Bedeutung der Weiterbildung im Bildungssystem und damit für die Strukturierung des Handlungsfelds durch das politische System dar.

„Am Lernprozess des jungen Menschen haben neben der Schule die Familie und Freundschaften, Vereine und Gruppen einen erheblichen Anteil. Hinzu kommen Anregungen, die durch Fernsehen, Funk, Film und Presse, Volkshochschulen und vielleicht auch im privaten Unterricht vermittelt werden. Alle diese Lernvorgänge gehen für den einzelnen in einem Zusammenhang ein, der sich über Schule und Berufsbildung im ständigen Weiterlernen fortsetzt. Alles Lernen bildet einen Zusammenhang.“ (Deutscher Bildungsrat 1970, S. 26)

Im Abschnitt „Weiterbildung“ des Strukturplans wird Weiterbildung „als Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase bestimmt“ (S. 197) Damit wurde einer Trennung nach beruflicher Weiterbildung und allgemeiner Weiterbildung ausdrücklich widersprochen und der besondere individuelle Charakter der Weiterbildung betont. Es sei „neben dem in der ersten Bildungsphase erreichten Bildungsstand immer auch die Bildungswirkung informeller Lernprozesse, vor allem Berufserfahrung und Lebenspraxis, zu berücksichtigen; die Bildungswirkung beruflicher und außerberuflicher Tätigkeit kann der gelenkter Lernprozesse gleichwertig sein, sie ergänzen oder in Frage stellen“ (ebenda).

Zwar gab es zum Zeitpunkt der Präsentation des Strukturplans bereits zwei Landesgesetze zur Weiterbildung – in Nordrhein-Westfalen das „Gesetz über die Zuschußgewährung an Volkshochschulen“ von 1953 und in Niedersachsen das „Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung“ von 1969 -, der Strukturplan wirkte aber als Katalysator für die Erarbeitung gesetzlicher Regelungen sowohl bei den Ländern als auch beim Bund. Dabei wurde allerdings das Prinzip der Einheit von beruflicher und allgemeiner Weiterbildung kaum berücksichtigt.

[1] „Es liegt dann nahe, eine entsprechende Arbeitsteilung zu entwickeln, nämlich diejenigen Prozesse, mit denen die Grundlage der Bindung, legitime Macht, aufgebaut wird, abzusondern von denen, die der sachlichen Ausarbeitung richtiger Entscheidungen dienen – das heißt, Politik und Verwaltung zu trennen.“ (Luhmann 2010, S. 128)

[2] „Es liegt dann nahe, eine entsprechende Arbeitsteilung zu entwickeln, nämlich diejenigen Prozesse, mit denen die Grundlage der Bindung, legitime Macht, aufgebaut wird, abzusondern von denen, die der sachlichen Ausarbeitung richtiger Entscheidungen dienen – das heißt, Politik und Verwaltung zu trennen.“ (Luhmann 2010, S. 128)

Der rechtliche Rahmen

Abbildung 1: Entscheidungs- und Handlungskorridore Weiterbildungsgesetzgebung (Quelle: eigene Darstellung)
Abbildung 1: Entscheidungs- und Handlungskorridore Weiterbildungsgesetzgebung (Quelle: eigene Darstellung)

In Deutschland liegt die politische Zuständigkeit für die Weiterbildung grundsätzlich bei den Ländern. Dementsprechend werden für die Weiterbildung relevante Gesetze und Verordnungen überwiegend von den Bundesländern erlassen. In Ausnahmefällen kann der Bund allerdings die Zuständigkeit an sich ziehen. Grundlage ist hierfür das Grundgesetz (Art. 31 und insbesondere Art. 72), wonach der Bund dann in die Gesetzgebungskompetenz der Länder eingreifen kann, „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht“ (Nagel/Tiedtke 2007, S 4). Mit der Föderalismusreform 2006 wurde die Stellung der Länder gestärkt, indem sie auch abweichend von Bundesgesetzen Regelungen erlassen können3 (Art. 72 Abs. 3 GG). (vgl. Maunz/Dürig 2007, Art. 31, S. 25f) In den Kommentaren zum Grundgesetz wird allerdings davon ausgegangen, dass sich der Bund und die Länder, wie in der Vergangenheit auch, zum jeweiligen Gegenstand einigen werden.

Allerdings ist der Strukturierungsgrad der Weiterbildung nicht mit der Schule oder Hochschule zu vergleichen. Faulstich/Haberzeth (2007, S. 26f) sprechen daher von einer „mittleren Systematisierung“. Insbesondere bezogen auf die Institutionenstruktur oder die Definition von Lernzielen und –inhalten nimmt die Weiterbildung im Vergleich zur Schule, Ausbildung und Hochschule stärker „die verschiedenen Anforderungen und Bedürfnisse von Teilnehmenden auf und reagiert mit besonderer Flexibilität und Aktualität auf sich neu entwickelnde gesellschaftliche Bedarfe. Daraus entsteht - verglichen mit anderen Bildungsbereichen – ein größeres Maß an Vielfalt, institutioneller Flexibilität und die Möglichkeit, unterschiedliche Interessen und Optionen von Lernenden aufzunehmen. Damit verbunden ist eine Offenheit gegenüber pluralen Zwecksetzungen und Kombinationen von Mittelaufbringungen.“ (ebenda) Um die Offenheit und Flexibilität des Weiterbildungsbereiches nicht zu gefährden, verzichtet das politische System darauf stärkere systematisierende Wirkungen in den gesetzlichen Bestimmungen. Die Gesetze von Bund und Ländern beziehen sich vornehmlich auf die Regelung der Rahmenbedingungen, die Definition der Anspruchsgruppen und die Festlegung der Finanzierungsmodalitäten.

[3] „Es liegt dann nahe, eine entsprechende Arbeitsteilung zu entwickeln, nämlich diejenigen Prozesse, mit denen die Grundlage der Bindung, legitime Macht, aufgebaut wird, abzusondern von denen, die der sachlichen Ausarbeitung richtiger Entscheidungen dienen – das heißt, Politik und Verwaltung zu trennen.“ (Luhmann 2010, S. 128)

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