Die historische Entwicklung der Islamischen Frauenbildung ist bis heute weitgehend ungeklärt. Zum Teil liegt dies in der fehlenden schriftlichen Überlieferungen von Selbstaussagen von Frauen und der erdrückenden Dominanz der männlichen Perspektiven begründet. Dennoch ist die islamische Frauenbildung und ihre spezifische Gelehrsamkeit in den jeweiligen politisch-kulturell ausgeprägten Herrschaftssystemen in der Oberschicht nachgewiesen worden. Zwei Beispiele sollen hier aufgeführt werden.

So hat Renate Jacobi für die Herrschaftszeit der Mamluken mit dem intellektuellen Zentrum in Kairo im Mittelalter (1250-1501) anhand von zwei umfangreichen biografischen Lexika gelehrte Frauen und ihre Lehrtätigkeit in der islamischen Frauenbildung nachweisen können. Ein Eintrag beschreibt das Leben und Wirken Bint al-Kama (1248-1339) folgendermaßen:

 „Sie wurde im Jahr 1248 geboren. Im Jahr 1260 ließ man sie an einer Vorlesung der Habiba Tochter des Abu ´ Amr teilnehmen. Danach studierte sie bei 5 berühmten Professoren (…) und erhielt Lehrbefugnisse von zahlreichen Gelehrten in Bagdad, Mardin, Aleppo, Harran, Alexandria und Kairo. Ad-Dahabi sagt über sie: sie besaß als einzige die Lehrbefugnis für eine Reihe von Lehrwerken im Umfang einer Maultierslast (…). Sie war eine fromme und gütige Frau und lehrte viel. Die Studenten drängten sich in ihren Vorlesungen und studierten bei ihr umfangreiche Schriften. Sie hatte ein freundliches Wesen und viel Geduld; es kam vor, dass die Studenten  ihr den größten Teil des Tages zuhörten… Seit ihrer Kindheit war sie triefäugig und hat nie geheiratet. Sie starb am 22. November 1339 mit über 90 Jahren. Ihr Tod bedeutete einen schweren Verlust für die Traditionswissenschaft.“ (Ibn Hagar al-Asqalani zitiert nach Jacobi 2005, 225)

Das zweite Beispiel ist das Bildungskonzept von Nana Asma´u (1793-1864) aus Nigeria, das nachfolgend kurz anhand der Literatur skizziert wird:

Nana Asma´u gehörte einer Sufi-Gruppierung innerhalb des Islam in Afrika an, in der die Frauen eine gleichgestellte Position mit den Männern hatten. Sie war (Koran-) Gelehrte und Dichterin. Zudem unterstützte sie die Frauen in ihrer Selbstorganisation.

Wie ihr Vater war auch sie im Studium des Korans ausgebildet und legte viel Wert auf Allgemeinbildung. Als Vertreter der Qadiriyya-Schule des Sufismus traten sie für die Verbreitung des religiösen Wissens, insbesondere der Sunna ein. Des Weiteren vertraten sie die Auffassung, dass Lernen ohne Lehren unfruchtbar und leer sei. So widmete sich Nana Asma’u insbesondere der Bildung der muslimischen Frauen.

Die Inhalte des Unterrichts umfassten unter anderem die Unterweisung im Koran, Berichte über siegreiche Schlachten, Nachrufe auf fromme Persönlichkeiten und die Biographie des Propheten Muhammad. Hinzu kommt, dass sie eine produktive Autorin war. Ihre Werke beziehen sich auch auf die islamische Bildung. Viele der von Asma’u verfassten Gedichte und Verse sind im Grunde Lehrgedichte. Diese Art der Wissensvermittlung hat im Islam eine lange Tradition, da durch die gereimten Verse das Wissen leichter auswendig gelernt und mündlich weitergegeben werden konnte. Die Schülerinnen lernten aber auch das Schreiben und Kopieren von Lehrtexten und anderen Werken.

Asma‘u war verantwortlich für die religiöse Frauenbildung. Um 1830 stellte sie eine Gruppe von Lehrerinnen (Jajis) zusammen, die durch das Kalifat reisten und Frauen in deren Häusern unterrichteten. Jede dieser Jajis benutzte die Schriften Nana Asma’us und anderer Sufi-Autoren, die sie auswendig lernten, um eine feste Gruppe studierter Frauen zu lehren, die man yan-taru (die sich Versammelnden, die Schwesternschaft) nannte. Jeder Lehrerin verlieh Nana Asma’u eine Malfa – die traditionelle Kopfbedeckung der animistischen Bori-Priesterinnen in Gobir, die mit einem roten Turban gebunden wurde. So wurden die Jajis zu Symbolen des islamischen Lernens auch außerhalb der Frauengemeinschaft. Teilweise wurde die religiöse Frauenbildung auch eingesetzt, um gefangene Animistinnen aus neu eroberten Gebieten in die muslimische Herrscherklasse zu integrieren. Später schloss es jedoch auch die Armen und die Bäuerinnen ein, die dann als Lehrerinnen durch das sich ausbreitende Kalifat wanderten.

Nana Asma’us Bedeutung liegt nicht nur in ihrem literarischen Schaffen und in der Definition der Werte von Sokoto. Heute werden im Norden Nigerias häufig islamische Frauenorganisationen, Schulen und Versammlungshallen nach ihr benannt.

Literatur:

Berkey, Jonathan (1992): The Transmission of knowledge in medieval Cairo. A social history of Islamic education. Princeton 1992

Boyd, Jean/Mack, Beverly (2013): Educating Muslim Women. The West African Legacy of Nana Asma´u. 1793-1864. Oxford

Boyd, Jean/Mack, Beverly B. (Hg.) (1997): The Collected Works of Nana Asma’u, daughter of Usman dan Fodiyo 1793–1864. Michigan: Michigan

Hirji, Naznin (2012): Learning within the context of faith and the intellect. A thinking Islam; in: Jarvis, Peter (Hg.): The Routledge International Handbook of Learning. London, S.495-506

Jacobi, Renate (2004): Gelehrte Frauen im islamischen Spätmittelalter; in: Hohkamp, Michaela/Jancke, Gabriele (Hg.): Nonne, Königin und Kurtisane. Wissen, Bildung und Gelehrsamkeit von Frauen in der frühen Neuzeit. Königstein, S.225-246

Mack, Beverly B./ Boyd, Jean (2000): One Woman’s Jihad. Nana Asma’u, Scholar and Scribe. Indiana

Maqdisi, George (1991): Religion. Law and Learning in Classical Islam. Aldershot

Rosenthal, Franz (1970): Knowledge Triumphant. The concept of knowledge in Medieval Islam. Leiden

Internetquellen:

Kurzbiographie von Nana Asma´u, Online unter:  http://de.wikipedia.org/wiki/Nana_Asma%E2%80%99u

 

 

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Klaus Heuer