Was, wie und wo Frauen gelernt haben, ist bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht systematisch erforscht. Die Dominanz der Männer, die gängigen Quellenüberlieferungen und der männliche Blick auf die Geschichte haben dies bislang verhindert.

Dabei gibt es Belege dafür, dass Frauen schon in der Antike als Medizinerinnen arbeiteten und es schon lange eine berufliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern gab. Zudem konnten Frauen auch die Berufsrollen der Männer übernehmen und sehr erfolgreich arbeiteten. Das galt für das Handwerk, den Handel, das Skribententum (Schreiber) und insbesondere auch für die medizinischen Berufe. All das lässt sich schon für die Antike nachweisen, besonders über plastische Darstellungen auf Sarkophagen. Ernst Künzel beschreibt dies folgendermaßen:

„Die ältesten Zeugnisse für Frauen im Arztberuf gehen auf das 4. Jh. v. Chr. Zurück. Damit haben Frauen schon in den Zeiten gleich nach dem Begründer der wissenschaftlichen Medizin Hippokrates (+ um 380 v. Chr.) Zugang zu diesem Beruf gefunden, Informationsquelle sind die Steininschriften und zwar überwiegend die Grabinschriften aus der Antike, welche unter den vielen Ärzten auch eine Reihe von Ärztinnen nennen.“ (Künzel 2005, 92)

Ähnliches lässt sich auch über die Darstellung von Handwerkerinnen nachweisen.

„Auch die Gattin eines Metzgers ist auf einem Grabrelief im Dresdener Albertinum bei der Buchführung gezeigt, während ihr Mann am Hackstock das Beil schwingt. Hinter ihm hängen geräucherte Fleischwaren, seine Frau sitzt abseits in einem Korbstuhl und hält ein Schreibtäfelchen auf den Knien. Diese Art von Arbeitsteilung zwischen Ehepartner dürfte zur Römerzeit sehr häufig vorgekommen sein und reicht bis zur spätantiken Aristokratin Paula, die dem Kirchenvater Hieronymus bei seiner Bibelübersetzung ins Lateinische behilflich war.“ (Rottloff, 2000, 121)

Ihre beruflichen Tätigkeiten und ihr Lernen wurden aber selten in schriftlichen Dokumenten beschrieben. Die nachweisbaren Einzelbeispiele veränderten strukturell, auf der normativen und ideologischen Ebene, das Frauenbild und die Stellung der Frau in der Gesellschaft nichts. Sie lernten im Familienverbund, sie lernten in den alltäglichen interdependenten Nahstrukturen. Sie lernten im Schatten der Männer und in gewisser Weise auf Vorrat für Krisensituationen, Abwesenheit oder Tod der Männer. Auch darüber wie sie untereinander, z.B. in den Klöstern, lernten, ist wenig bekannt. Eine Ausnahme bildet Hildegard von Bingen (1098-1179), deren Leben und Arbeit gut dokumentiert und erforscht sind.

Erst die humanistischen Vordenker im späten 15. Jahrhundert begannen, die auch in der Literatur fraglose Vorherrschaft der Männer in Frage zu stellen, teilweise auch ironisch-derb:

„Ebenso wie einst ein ungebildeter Abt ein seltener Vogel und heutzutage ist nichts häufiger…In Spanien und Italien gibt es nicht wenige sehr vornehme Frauen, die es mit jedem Mann aufzunehmen vermögen. In England gibt es solche im Hause Morus, in Deutschland in den Familien Pirckheimer und Blarer. Wenn ihr nicht auf der Hut seid, wird es noch so weit kommen, daß wir in den theologischen Schulen den Vorsitz führen, in den Kirchen predigen und Eure Mitren in Beschlag nehmen.“ (Erasmus von Rotterdam 1967, 263)

Eindrucksvoll beschreibt Glückel von Hameln (1646-1724) ihre beruflichen Kompetenzen in ihrer Autobiographie, „Die Memoiren der Glückel von Hameln“ (Pappenheim 1910).

Sie übernahm nach dem Tod ihres Mannes erfolgreich die ausgedehnten Handelsbeziehungen und betrieb auch weiterhin sehr erfolgreich eine ökonomisch bestimmte, über Ländergrenzen hinweg reichende, Familienpolitik. Sie hatte eine andauernde Bereitschaft zur Mobilität, hohe (fremd-)sprachliche Kompetenzen und das Wissen zur Rechnungsführung. Die Männer akzeptierten sie als gleichberechtigte Geschäftspartnerin.

Persönlichkeiten wie Sophie de la Roche(1730-1807), die 1783 mit großem Erfolg die erste pädagogische Frauenzeitschrift in Deutschland mit dem Titel „Pomona für Teutschlands Töchter“ herausbrachte, und auch Mary Wollstonecraft (1759-1797), die 1784 im Norden Londons zusammen mit anderen Frauen eine Schule für Mädchen eröffnete, entwickelten pädagogische Konzepte, die speziell auf die Gleichstellung der Frauen ausgerichtet waren.

Mary Wollstonecraft trat damit auch praktisch für die Verbesserung der weiblichen Erziehung und die umfassende Chancengleichheit der Frauen, auch im Bildungswesen, ein. Sie förderte die vollständige Freisetzung aller intellektuellen Talente beim wissenschaftlichen Lernen.

In ihrem Buch „The Vindication of Women“ (1792) vertrat sie die Auffassung, dass Frauen ausschließlich auf der Grundlage beruflicher und ökonomischer Unabhängigkeit zur angestrebten Selbständigkeit kommen können.

„… indem nun auch Mädchen und junge Frauen in den unterschiedlichsten Fächern „für sich selbst denken und handeln“ lernen sollten, als unverzichtbare Vorbereitung auf eine selbständige, wirtschaftlich gesicherte „bürgerliche Existenz im Staate“.“ (Overhoff 2009, 256)

Literatur:

Erasmus von Rotterdam (1967): Ausgewählte Schriften, Bd. VI, Colloquia Familiara/Vertraute Gespräche, übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Werner Melzig. Darmstadt

Frauenarbeit (1994): Schwerpunktthema in: Geschichte lernen, Nr.34

Glickl bas Judah Leib (1910): Die Memoiren der Glückel von Hameln, in der Übersetzung von Berta Pappenheim. Wien, Online unter: http://de.wikisource.org/wiki/Die_Memoiren_der_Gl%C3%BCckel_von_Hameln

Künzl, Ernst (2005): Medizin in der Antike. Aus einer Welt ohne Narkose und Medizin. Stuttgart

Rottloff, Andrea (2006): Lebensbilder römischer Frauen. Mainz

Wollstonecraft, Mary (1792): A Vindication of the Rights of Women. London; neu herausgegeben von: Tomaselli, Sylvana (1995). Cambridge (deutsch: Salzmann, Christian, Gotthilf (1793/94): Maria Wollstonecraft, Rettung der Rechte des Weibes mit Bemerkungen über politische und moralische Gegenstände. Schnepfenthal); leicht gekürzter Text unter: http://www.earlymoderntexts.com/f_wollston.html; Mehr zum Buch, unter: http://en.wikipedia.org/wiki/A_Vindication_of_the_Rights_of_Woman

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Klaus Heuer